Polizeiliche Überwachung von Kurden im Westen der Türkei

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Recherche für die Schweizerische Flüchtlingshilfe

Teil 2: Polizeiliche Überwachung

Das Bestehen einer "inländischen Fluchtalternative" hängt vor allem davon ab, ob in den Gebieten, in die erfolglose AsylbewerberInnen abgeschoben werden, eine hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung gegeben ist. Unter diesem Aspekt war zu prüfen, ob in den Städten des Westens der Türkei eine allgemeine Gefahr von Verhaftung, Mißhandlung oder Folter für KurdInnen, unabhängig von ihrem politischem Aktivitätsgrad, ausschließlich aufgrund ihrer Herkunft besteht.

Beispiele

Fast alle Gesprächspartner (insbesondere die ExpertInnen) haben dies bestätigt und durch Beispiele belegt (siehe das Schicksal von Tercan Atilgan). Ein Bekanner von Mehmet Yilmaz wurde ebenfalls nur aufgrund seiner kurdischen Herkunft von der Straße weg verhaftet. Der Grad an Mißhandlung war in beiden Fällen gering. Tercan Atilgan kam nach einer Nacht auf einem Betonfußboden wieder frei, der Bekannte von Herrn Yilmaz konnte noch am gleichen Tag auf Intervention eines Abgeordneten die Polizeistation wieder verlassen. Ein junger Mann (ca. 25 Jahre) aus der Provinz Bingöl, den ich im Parteibüro der HADEP im Stadtteil Bagcilar in Istanbul traf, erzählte mir, daß er in den anderthalb Jahren, die er in Istanbul weilte, 4 Mal verhaftet worden sei, einmal davon auf der Baustelle, auf der er arbeitete. Er sei damals 5 bis 6 Tage festgehalten und mit Wasser unter Hochdruck sowie Stromstößen gefoltert worden. Die Polizei habe ihn unter Druck gesetzt, mit ihr zusammenzuarbeiten. Bahattin Kinas, der sich am 6. Juli 1994 beim Menschenrechtsverein in Istanbul beschwerte, am 2. Juli auf dem Taksim-Platz von einem Polizisten und einem Wärter bedroht worden zu sein, als Kurde verhaftet zu werden, kam nach einer Ohrfeige und Bestechungsgeld in Höhe von 100.000.- TL (ca. 5.- DM) frei. Dieser und ähnliche Vorfälle waren wiederholt auch in der Presse berichtet worden:

Der 18-jährige Abdulbari Kaya aus Agri war am 11.07.92 auf dem Sultanahmet-Platz in Istanbul von der Polizei festgenommen worden und soll auf der Polizeiwache von Alemdag drei Tage lang gefoltert worden sein. Er berichtete der Presse u.a.: "Auf der Polizeiwache begannen sie sofort, mich zu schlagen. Durch die Fußtritte und Fausthiebe wurde ich schließlich ohnmächtig. Sie begossen mich mit Wasser und brachten mich wieder zum Bewußtsein. Meinen mit mir festgenommenen Freund liessen sie nach Schlägen wieder frei, aber eine Stunde später brachten sie einen anderen Strassenverkäufer, den ich kenne, Ihsan Kocatepe. Er wurde auf die gleiche Weise behandelt. Auf meine Frage, warum wir geschlagen wurden, sagten sie mir 'euer Verbrechen ist, Kurde zu sein. Ihr habt euch hier ausgebreitet. Wir werden euch ausrotten'. Am Montag brachten sie 10-12 kurdische Kinder auf die Wache, die wie wir als Strassenverkäufer arbeiteten. Sie schlugen sie und schrien sie an: 'morgen werdet auch ihr Terroristen sein'. Anschließend wurden wir freigelassen, ohne vor ein Gericht gestellt zu werden."

Einer Reihe von kurdischen Bauarbeitern wurde Mitte August 1982 bei einer Personenkontrolle verhaftet, weil sie aus Mardin stammten. Die Kontrolle war im Anschluß an eine illegale Demonstration am 14. August 1992 in Kartal-Kücükyali in Istanbul durchgeführt worden. Die Ereignisse kamen in einer Gerichtsverhandlung vor dem SSG Istanbul zur Sprache. Insgesamt waren 36 Personen angeklagt, in der Mehrzahl Bauarbeiter und Hausverkäufer. In ihrer Vernehmung sagten sie, daß die Polizei sie verhaftet habe, weil sie Kurden seien. In der Polizeihaft seien sie intensiver Folter ausgesetzt gewesen. Nach Aussagen der Anwälte Mustafa Ayzit und Abdullah Gürbüz werden die Angeklagten ausschließlich durch ihre bei der Polizei unter Folter aufgenommenen Aussagen belastet.

Ramazan Savci wurde in der Nähe der Post von Haznedar in Istanbul am 14.08.92 um 22.30 Uhr verhaftet und erst nach 10 Tagen wieder freigelassen. Er berichtete: "Vor der Post (Haznedar) wurden alle, die die Polizei erwischte, einer Personalkontrolle unterzogen. Niemand von den Türken wurde verhaftet. Wir wurden zur Polizeiwache Güngören gebracht. Später wurde ich zu einem 5 Minuten entfernten Ort gebracht. Mit den Händen auf dem Rücken gefesselt wurde ich aufgehängt. In dieser Stellung bekam ich Elektroschocks... Als wir am nächsten Tag zum Krankenhaus gebracht wurden, kam Blut aus meiner Nase und meinem Mund. Die Ärztin hat aber nur ein 'blaues' Auge und eine Wunde auf dem Rücken eingetragen. Bei der politischen Polizei versuchte man, uns zu einem Geständnis zu bewegen, daß wir einer politischen Organisation angehören und für sie aktiv waren. Dort wurde ich zwei Mal geschlagen. Wir wurden als Kurden beschimpft: 'Kurden sollte man nicht nach Istanbul lassen. Es ist aus mit 'links' und 'rechts'. Jetzt geht es nur noch darum, ob man Türke oder Kurde ist'."

Bei einer Personenüberprüfung am 15. März 1993 auf dem Kampus der Universität in Istanbul wurde der Student Harun Cetin und ein weiterer Freund verhaftet. Nach Aussagen seiner Anwältin geschah dies, weil sie Kurden waren. Aufgrund von Schlägen mit Riemen fiel Harun Cetin ins Choma, aus dem er auch nach zwei Monaten nicht wieder aufgewacht war. Harun Cetin wurde zunächst im Krankenhaus der medizinischen Fakultät von Cerrahpasa und dann im Bestrahlungs- und Rehabilitationszentrum von Bakirköy behandelt. Er verstarb Anfang September 1993 im Krankenhaus.

Am 29. Mai 1993 wurde der Kurde Vakkas Dost (aus Adiyaman) zusammen mit seinem Freund Fevzi Yesilay von Polizisten angesprochen, die ihnen verbieten wollten, an einem Schwimmbecken im Stadtteil Kumkapi in Istanbul Alkohol zu sich zu nehmen. Ein Streit entspann sich, in dessen Verlauf die Polizisten auf Vakkas Dost einschlugen und schließlich beide mit auf die Wache nahmen. Hier dauerten die Schläge an, an deren Folgen Vakkas Dost kurz darauf verstarb. Sein Bruder sagte, daß die Polizisten wohl einen besonderen Haß auf seinen Bruder hatten, weil er Kurde war.

Am 20.02.94 wurde der in Diyarbakir geborene Cüneyt Aydinlar in Istanbul verhaftet. Mehr als einen Monat später war er immer noch "verschwunden". Mitgefangene berichteten, daß die Polizei ihn am 02.03.94 aus seiner Zelle geschleift hätten und dabei die Frage gefallen sei, ob er bereit sei zu sterben.

Im Zusammenhang mit dem Newroz Fest (März 1994) erfolgten viele Verhaftungen in Istanbul. Beim Menschenrechtsverein sollen mehr als 220 Namen von Verhafteten registriert worden sein. Bei einer legalen Feier der Demokratiepartei (DEP) im Ortsteil Beyoglu wurden von 45 Besuchern 17 festgenommen. Einige von ihnen berichteten einer deutschen Delegation () von Schlägen, Beschimpfungen und Drohungen. Einer der Verhafteten, Vedat Han Gülsenoglu, wurde auf der Wache Kasimpasa von einem Polizeibeamten erschossen, angeblich nachdem er sich selber in den Besitz einer Pistole gebracht und auf den Beamten gezielt hatte.

Auffallend ist, daß die Berichte in der Presse sich auf Istanbul konzentrieren. Das liegt u.a. daran, daß alle Zeitungen in der Türkei ihre Zentralen in Istanbul haben und daher über Vorfälle in dieser Stadt ausgiebiger berichtet wird. Aber auch für Istanbul gilt, daß nur ein kleiner Teil der Vorfälle an die Öffentlichkeit gelangt. In Städten wie Adana oder Mersin mögen willkürliche Verhaftungen (soweit sie nicht mit dem Tode in der Haft enden) schon soweit zum Alltag gerechnet werden, daß sie keine Nachrichtenwert mehr haben. So wurde über die Verhaftung des Studenten M. Garip Yas (20) im Juli 1994 aus einer Teestube in Adana heraus (zusammen mit ca. weiteren 25 Personen) in der Presse nicht berichtet, obwohl dem lokalen Reporter dieser Vorfall durchaus bekannt war (siehe Notizen zum Gespräch mit Hakki Yenitoz).

An dieser Stelle sei schon darauf verwiesen, daß kurdische Straßenhändler einer besonderen Art von Schikane ausgesetzt sind. Aus allen von mir besuchten Orten wurde eine mehr oder weniger planmäßige Behinderung ihrer Arbeit gemeldet. Nicht selten werden bei sogenannten Kontrollen der Stadtverwaltung (häufig mit der Polizei zusammen) nicht nur die Wagen oder die Waren der Händler beschädigt, sondern in etlichen Fällen erhalten sie auch Prügel. Seltener ist, daß sie mit auf die Polizeiwache genommen werden.

Dies soll am 14. Juli 1994 im Stadtteil Aksaray in Istanbul dem Straßenhändler Yusuf Baskan aus der Provinz Mardin passiert sein. Nach seiner Schilderung hätten die Polizisten zunächst verlangt, daß er das Licht auf seinem Wagen ausmache und "verschwinde". Da er sich dagegen gewehrt habe, "weil es seine einzige Einnahmequelle" sei, hätten die Polizisten nach seinem Ausweis verlangt. Den habe er aber nicht dabei gehabt. Außerdem habe er sich nicht korrekt in Türkisch ausdrücken können und sei deshalb mit auf die Wache "Langa" genommen und später zur Wache in Kumkapi gebracht worden. Dort habe man ihn beschuldigt, daß er PKK-Mitglied ("Apocu") sei: "Alle Kurden sind Apocus. Du bist im Lager ausgebildet worden und sprichst deswegen nicht Türkisch". Immer wenn er eine Antwort auf Kurdisch gegeben habe, weil sein Türkisch nicht ausreichte, sei er der Bastonade unterzogen worden und man habe Zigaretten auf seinem Körper ausgedrückt. Insgesamt habe man ihn 3 Tage auf der Wache festgehalten. Abdulbari Kaya und anderen kurdischen Straßenhändlern in Istanbul war es im Juli 1992 schon ähnlich ergangen (s. oben).

Yusuf Baskan gehört inzwischen zu den Patienten, die sich im Behandlungszentrum der Menschenrechtsstiftung in Istanbul behandeln lassen. Die im Jahre 1990 gegründete Menschenrechtsstiftung der Türkei betreibt in Ankara, Izmir und Istanbul Behandlungszentren für Personen, die an den Folgen der Folter leiden. Bis zum Juli 1994 hatten sich 1190 Folter"opfer" an die Stiftung gewandt. () Im Jahre 1993 hatten sich 101 Personen im Behandlungszentrum in Istanbul gemeldet. () Bei meinem Gespräch mit Dr. Elif Kirteke im Rahmen meiner Recherche teilte die Ärztin mir mit, daß unter den 22 Personen, die sich im Juli 1994 an das Behandlungszentrum wandten, 3 kurdische Straßenhändler waren. Sie hatten sich im wesentlichen über Prügel durch Sicherheitskräfte beschwert. Dr. Kirteke fügte hinzu, daß zu den in der Stiftung bekannt gewordenen Fällen in jedem Fall eine Dunkelziffer von 90% hinzugerechnet werden müsse, d.h. daß im Monat Juli mindestens 30 Straßenhändler in Istanbul durch die Polizei verprügelt worden seien. Sie sagte weiterhin, daß ähnliche Beschwerden auch in den Monaten danach zu verzeichnen gewesen sind.

In der Menschenrechtsstiftung in Izmir berichtete Gülseren Kaya, daß eine Statistik zu der Anzahl von Kurden unter den behandelten Folteropfern nicht existiere. Im Jahre 1993 hatten sich 107 Personen an das Behandlungszentrum in Izmir gewandt (s. Fußnote 5). Für 1994 nannte Frau Kaya eine Zahl von ca. 80 Personen, die sich an die Stiftung gewandt hatten, um sich wegen der erlittenen Folter behandeln zu lassen. Ungefähr ein Viertel bis ein Fünftel davon (16-20) seien KurdInnen, die in und um Izmir verhaftet wurden, in der Regel wegen ihrer kurdischen Identität. Die meisten von ihnen seien unpolitisch und lediglich wegen ihrer Herkunft und/oder ihrem Wohnort in einem der 5 kurdischen Vierteln in Izmir aufgegriffen worden. Auch in diesem Fall müßte wiederum eine entsprechende Dunkelziffer hinzugerechnet werden, so daß in Izmir in 8 Monaten mindestens 150 Menschen kurdischer Herkunft aufgrund ihres Geburtsortes oder Wohnviertels in Izmir von der Polizei verhaftet und in einer Weise gefoltert wurden, die eine Behandlung notwendig machte.

Relativ kurzfristige Verhaftungen von einigen Stunden bis zu 2 Tagen, die keine Behandlung notwendig machen, sind bei diesen Überlegungen nicht berücksichtigt. Von derartig kurzfristigen Verhaftungen war immer wieder im Zusammenhang mit Hochzeits- und Beschneidungsfeiern kurdischer Familien berichtet worden, so z.B.:

Am 01.03.93, Feier in Daglioglu (Adana), 6 Personen verhaftet. Enver Bozcali sagte, daß man sie gefoltert habe, nur weil sie Kurden seien.

Am 19.07.93, Feier in Demirtas (Mersin), 15 Teilnehmer wurden verhaftet.

Anfang August 1993, Hochzeitsfeier im Stadtteil Eski Camlik in Izmir, 4 Teilnehmer verhaftet, weil sie Tücher in den Farben rot- grün-gelb geschwenkt haben sollen. Zwei wurden am Abend, die anderen beiden Personen am nächsten Morgen freigelassen.

Am 15.08.93, Beschneidungsfest in Tarsus (Provinz Mersin), die Polizei nahm 50 Personen fest.

Im August 1993, (Hochzeits)feier im Stadtteil Sakirpasa (Adana), 16 Verhaftungen. Davor Feier im Stadtteil Kazimkarabekir, von den verhafteten 80 Personen wurden 5 in Untersuchungshaft genommen. Der bei dem Fest in Sakirpasa verhaftete Resul Üzer beschwerte sich über Schläge und Stromstöße. Er mußte mehr als 8 Tage stationär behandelt werden.

Im Oktober 1993, (Hochzeits)feier in Salihli (Provinz Manisa), 9 Personen verhaftet, weil sie kurdische Lieder gesungen haben sollen.

Ende Juni 1993 wurden 9 Kurden durch das Staatssicherheitsgericht in Malatya zu jeweils 20 Monaten Haft verurteilt. Ihnen soll laut Zeitungsberichten zur Last gelegt worden sein, auf einer Hochzeitsfeier in Gaziantep am 9. Oktober 1992 kurdische Lieder gesungen und in den kurdischen Farben "gelb-rot-grün" getanzt zu haben.

Vor dem Staatssicherheitsgericht in Istanbul ging im November 1993 ein Verfahren gegen 22 Personen zu Ende, die am 08.03.92 auf einer (Hochzeits)feier in Adapazari Separatismuspropaganda gemacht haben sollten. Alle 22 Angeklagten wurden freigesprochen.

Ende Januar 1994, Hochzeit einer Familie aus Siirt im Stadteil Karagümrük (Istanbul), 12 Personen verhaftet.

4. September 1994, Hochzeit im Stadtteil Demirtas in Mersin, 3 Verhaftungen. Nach Aussagen von Sedat Kalaba, Parteifunktionär in Mersin, wurde der Bräutigam einen Tag darauf wieder freigelassen, während für 2 Zeitungsverteiler 15 Tage Polizeihaft angeordnet wurde.

11. September 1994, Hochzeit in Adana, 17 Verhaftungen, 16 wurden am nächsten Tag freigelassen. Eine Person soll nach 5 Tagen noch in Haft gewesen sein.

26. September 1994, Henna-Abend (Vorabend der Hochzeit) im Stadtteil Barbaros von Adana, 2 Verhaftungen.

Von der Gefahr von Verhaftung für TeilnehmerInnen von privaten kurdischen Festen berichteten nicht nur die ExpertInnen, sondern auch Betroffene (vor allem in Adana), die sagten, daß sie aus Angst schon gar nicht mehr an solchen Festen teilnehmen würden. Erst recht gefährdet sind Personen, die sich an kulturellen Veranstaltungen z.B. des Mesopotamischen Kulturvereins beteiligen.

Am 15. November 1993 wurde das Mesopotamische Kulturzentrum (MKM) in Adana zum 3. Mal von der Polizei überfallen. Dabei wurde der 40-jährige Niyazi Celik, der Lehrer Hasan Kaya und die Mitarbeiterin Sevda Eldemir verhaftet. Niyazi Celik hatte stark geschwollene Hände aufgrund der Schläge. Er wurde von der Polizei später erneut belästigt, weil er sich in der Presse zur Folter geäußert hatte: "Ich wurde gefoltert, weil ich in einen Verein gegangen bin, der die kurdische Kultur entwickeln will und weil ich Kurde bin."

25 Personen wurden am 10. September 1994 bei einer Razzia auf das Mesopomatische Kulturzentrum (MKM) in Istanbul verhaftet. 24 wurden einen Tag später, die im MKM beschäftigte Esma Erken 2 Tage später wieder freigelassen. Bei dem Überfall wurden außerdem 17 Mitglieder des Kinderchores vorläufig verhaftet.

Am 4. Oktober 1994 wurde das Mesopotamische Kulturzentrum in Izmir durchsucht. Die Personalien der Anwesenden wurden überprüft, es erfolgten aber keine Festnahmen.

Wie aus den Beispielen zu entnehmen ist, können derartige Verhaftungen, die im wesentlich den Zweck der Einschüchterung verfolgen, durchaus mit mehr oder weniger intensiver Folter verbunden sein.

Der höchsten Gefährdung von Verhaftung und Folter, bzw. Ermordung in Haft oder auf offener Straße sind unter den KurdInnen neben den MitarbeiterInnen pro-kurdischer Zeitschriften wie Özgür Ülke oder Medya Günesi (Sonne des Med) Mitglieder und vor allem Funktionäre pro-kurdischer Parteien ausgesetzt. Die 1991 gegründete Arbeiterpartei des Volkes, HEP, wurde 1993 durch die Demokratiepartei DEP ersetzt. () Diese 3 Parteien (DEP, HEP und HADEP) verzeichneten in etwas mehr als 3 Jahren (bis zum 3. Oktober 1994) insgesamt 92 Morde an Mitgliedern und Funktionären durch sogenannte "unerkannte" Täter. ()

Ich möchte an dieser Stelle darauf verzichten, eine Aufstellung von Verhaftungen aus den Reihen der HEP, DEP oder HADEP zu wiederholen. Ein Blick in die Beispiele für die Zeit vor 1994, bis zum 10. September 1994 und die 20 Tage der Recherche dürfte genügen. Die meistens relativ zufälligen Treffen mit Aktivisten für diese Parteien ergaben, daß nur eine geringe Anzahl an Verhaftungen in der Öffentlichkeit bekannt wurde. So berichtete der HADEP-Sekretär für den Kreis Bagcilar, Istanbul, Emin Kurban, daß er in den letzten 2 Jahren 5 Mal als Funktionär für HEP, DEP und HADEP verhaftet wurde. Die Dauer der Polizeihaft lag zwischen 24 Stunden, 3 bis 4 Tagen bis zu einer Woche. In der Regel blieb es bei den Verhaftungen bei Schlägen. Ich konnte zu keiner dieser Verhaftungen etwas in der Presse finden.

Nevzat Sagnic, Mitglied des Parteiparlamentes der HADEP aus Izmir wurde am 11. und 16. September 1994 zwei Mal in kurzen Abständen verhaftet. Mit ihm wurde seine Frau Mine Sagnic, sowie ein Besucher, der 17-jährige Metin Yavuz aus der Jugendorganisation der Partei für den Kreis Buca, verhaftet. Nevzat Sagnic wurde geschlagen und beschimpft. Schlimmer erging es Metin Yavuz. Er soll über anderthalb Stunden Stromstöße bekommen und verprügelt worden sein. Metin Yavuz wurde zusammen mit dem Ehepaar Sagnic, Izzettin Koc und weiteren 4 Kurden, die man in Koyundere als potentielle Täter aufgegriffen hatte, nach 48 Stunden Haft freigelassen. Am 2. Oktober beschwerte sich Nevzat Sagnic, daß die Polizei nun schon fünf Nächte hintereinander seine Wohnung überfallen habe. Bei der letzten Durchsuchung war er nicht zugegen, da er nach Ankara gefahren war. Seiner Mutter wurde gedroht, daß ihr Sohn getötet würden, wenn man ihn fände.

Sedat Kalaba, der in der Volkspartei der Arbeit (HEP) und der Demokratiepartei (DEP) Funktionen im Vorstand für die Provinz Mersin innegehabt hatte, erklärte mir, daß er in den letzten 2 Jahren insgesamt 14 Mal verhaftet worden war. Vor dem Staatssicherheitsgericht in Malatya laufen Verfahren gegen ihn. Ein Verfahren rührt aus der Verhaftung zusammen mit Dr. Sabri Soysal und anderen her, über die zu jener Zeit in der Presse berichtet wurde (s. Vorfälle vor 1994). Die Verdächtigen waren damals stark gefoltert worden und Sedat Kalaba hatte Wunden auf dem Rücken (Blutungen), ein geschwollenes Auge und Schwierigkeiten zu hören. Zu Newroz 1994 wurde er erneut verhaftet und für 9 Tage festgehalten, dann aber durch die Staatsanwaltschaft wieder freigelassen. Über die 14 Verhaftungen wurde in 4 Fällen in der Presse berichtet.

In allen von mir besuchten Parteibüros (Istanbul-Bagcilar, Izmir, Adana und Mersin) äußerten Anwesende die Befürchtung, daß die Büros fast durchgängig überwacht werden. Mitglieder und Besucher würden registriert, vor Betreten oder beim Verlassen der Räume angesprochen und unter Druck gesetzt, der Partei fern zu bleiben. In Istanbul und Izmir wurde mir von Vorstandsmitgliedern glaubhaft versichert, daß kurdische Landsleute befürchteten, sie würden von der Polizei aufgesucht, wenn sie mit Funktionären der Partei (die akut oder potentiell überwacht werden) sprächen. Deshalb wurde mir empfohlen, meine Kontakte zu den Bewohnern der Kurdenviertel ohne ihre Begleitung herzustellen.

Insbesondere in Adana (für Ceyhan und Mersin dürfte das Gleiche zutreffen) bestand unter den kurdischen Flüchtlingen eine Angst vor Verhören und Verhaftung, unabhängig von Kontakten zu politischen Aktivisten. Meine Gesprächspartner befürchteten, daß ihr Stadtteil insgesamt überwacht werde, bzw. daß Informanten der Polizei über unser Treffen berichten und sie deshalb später unter Druck gesetzt werden könnten.

Da ich nur bei Tageslicht diese Stadtteile aufsuchte, bin ich persönlich nicht auf eine Straßenkontrolle getroffen, konnte aber an der Angst meiner Begleiter, als wir in den Stadtteil Dikili fuhren (an der Einfahrtsstraße ist in der Regel ein Polizeiauto zur Überwachung postiert) spüren, wie real die Gefahr für die Bewohner ist. Selbst wenn die unregelmäßig durchgeführten Kontrollen an den Zufahrtswegen oder in den Stadtteilen selber nicht jedes Mal von Verhaftungen und Mißhandlungen begleitet sind, so stellen sie in jedem Fall eine Art von "Psycho-Terror" dar. Die scherzhafte Bemerkung von Sait Eren, der bis März 1994 dem Stadtparlament in Adana angehörte, daß sein Kind nicht ohne das Geräusch von Panzern und Polizeisirenen einschlafen könne, macht die Häufigkeit solcher Einsätze deutlich.

Adana und Mersin

Für die Cukurova-Region (Provinzen Adana und Mersin) ist es wohl nicht übertrieben zu sagen, daß der "Krieg" diese Metropolen erreicht hat. Der Einsatz von "Spezialteams" ("özel tim", das sind für den Nahkampf mit den Guerillas der PKK ausgebildete "Rambos") und gepanzerten Fahrzeugen in den kurdischen Stadtvierteln ist dafür nur ein Indiz. Die zunehmende Anzahl von Morden auf offener Straße (sogenannte Kontr-Guerilla Aktionen, aber auch "Hinrichtungen" von Personen, die von der PKK als "Agenten" bezeichnet werden) sind weitere Zeichen für den "Kampf um die Macht". Unter dem Anspruch, über ihre Volksgruppe, die Kurden, zu bestimmen, verhängt die ERNK () Verbote wie Alkoholkonsum (-verkauf) und Glücksspiel oder ordnet zu bestimmten Anlässen die Schliessung von Geschäften an. Der Staat reagiert durch Strafmaßnahmen gegen Personen, die sich (wenn auch unfreiwillig) an solchen Protestaktionen beteiligen, um zu demonstrieren, daß die "Macht" immer noch in ihren Händen liegt.

So meldeten Ende April 1994 die Betreiber von Cafés in den Stadtteilen Sakirpasa, Denizli, Anadolu, 19 Mayis, Yenibey und Barbaros in Adana, daß 40 unter ihnen, die sich an der Laden- Schließ-Aktion zu Newroz beteiligt hatten, Strafen zwischen 20 bis 25 Tagen Öffnungsverbot erteilt worden sei. Die Polizei hätte die Maßnahme mit "häufiger Abwesenheit vom Geschäft, Aufnahme von Minderjährigen oder späten Schließzeiten" begründet. Auf ihre Beschwerden beim Gouverneur hin, habe dieser aber gesagt, daß "der Befehl von oben gekommen" sei.

Die Angst der Bewohner von "Kurden-Vierteln" vor staatlichem wie organisiertem Druck stellt u.a. eine existentielle Bedrohung dar (und gehört daher zur Bewertung in dem entsprechenden Kapitel). Der "Machtkampf" zieht aber in jedem Fall eine stärkere staatliche Überwachung nach sich. In einer solchen Situation muß von erhöhter Gefahr von Verhaftung und Verhören unter Folter gesprochen werden.

Izmir

Noch ist die Situation in den "Kurdenvierteln" der Ägäis (um Izmir) und in Istanbul nicht so brisant. Jedoch ist auch hier ein Interesse der Sicherheitskräfte an einer umfassenden Überwachung (besonders der Neuankömmlinge) gegeben. Aus Mersin wurde im August letzten Jahres gemeldet, daß der Gouverneur die Bürgermeister der Stadtteile aufgefordert habe, genaue Feststellungen über Personen aus dem "Osten" (Kurden) zu treffen. Im Verein der Kriegsgegner in Istanbul wurde mit berichtet, daß auch in Istanbul die lokalen Bürgermeister (muhtar) vor anderthalb Jahren aufgefordert worden seien, die Identität der Neuankömmlinge zu registrieren. Auf Empfehlung des Nationalen Sicherheitsrates sei beabsichtigt, diese Registrierung in Zukunft mit dem Abdruck aller 10 Finger und einem extra Foto vorzunehmen.

Daß die Überwachung teilweise auch anders erfolgt, zeigen zwei Beispiele aus Bursa und Aydin. In der Nähe von Gemlik lebten im Herbst 1993 eine Reihe Kurden, die in den Gärten des Forstdirektorats von Bursa arbeiteten. Viele der Familien wohnten in Zelten. Jeden Dienstag ist Markt in Gemlik, den sie nur ungern besuchten, denn sie fühlten sich dort von der Polizei überwacht. Ihrer Meinung nach wurde festgstellt, mit wem sie sprechen und bei wem sie einkaufen. Im Februar 1994 soll in Aydin die Polizei eine Vorschrift eingeführt haben, demnach alle Straßenhändler ihren Personalausweis am Kragen festmachen müssen. Dies sollte dem Schutz gegen Terror dienen, macht jedoch die Kurden unter ihnen leichter identifizierbar.

Im Unterschied zur Cukurova-Region wurde aus den "Kurden- Vierteln" von Izmir und Istanbul bisher nicht von einem Einsatz von "Spezialteams" berichtet und die Zahl der politischen Morde hält sich noch in Grenzen. Während im Cukurova-Gebiet wiederholt von Bomben gegen Stromschaltstellen (Trafos) und sogar von der Be-schießung einer Polizeistation berichtet wurde, richteten sich Aktionen der PKK in den Metropolen des Westens eher gegen touristische Ziele (Bomben beispielsweise im geschlossenen Basar von Istanbul). Größeres Aufsehen haben in den letzten Monaten auch Waldbrände in den Außenbezirken von Istanbul erregt. Sozusagen als Gegenschlag gegen die Politik der "verbrannten Erde" der türkischen Sicherheitskräfte im kurdischen Siedlungsgebiet sollen Aktivisten der PKK größere Flächen von Wäldern in der Nähe von Istanbul in Brand gesteckt haben. Von Verhaftungswellen nach explodierten Bomben oder gegen die Verantwortlichen der Waldbrände waren aber nicht nur Militante der PKK, sondern auch einfache Bewohner von "Kurdenvierteln" betroffen.

In allen von mir besuchten Städten wurde von einer verschärften Überwachung der "Kurden-Viertel" zu besonderen Anlässen berichtet. Neben dem Neujahrsfest der Kurden, Newroz, am 21. März jeden Jahres, sind dies insbesondere Jahrestage besonderer Ereignisse, wie der 15. August (Beginn des bewaffneten Kampfes der PKK im Jahre 1984) oder der 27. November (Gründung der PKK im Jahre 1978). Die Polizei befürchtet an solchen Tagen Protestaktionen, die sie "im Keim ersticken" möchte. Häufig sind die polizeilichen Maßnahmen auch von Präventivverhaftungen begleitet. Sehmuz Özgün von der HADEP in Adana war von einer solchen Maßnahme betroffen. Er wurde 3 Tage vor dem 1. Mai 1994 verhaftet und drei Tage nach dem 1. Mai wieder freigelassen. Später traf er einen seiner "Folterer", wie er ihn bezeichnete, auf der Straße wieder, als dieser ihm seinen Ausweis zurückgeben wollte.

Wie nah die "Kriegssituation", die sich in Adana und Mersin seit längerem bemerkbar macht, auch in den Städten des Westens ist, zeigen 2 Meldungen vom September 1994. Demnach soll vom Mittelmeer-Regionalkomitee der ERNK in Antalya und Umgebung ein Flugblatt mit der Überschrift "An das patriotische kurdische Volk" verteilt worden sein. In dem Flugblatt wurde kritisiert, daß die türkische Republik den intensiven Versuch unternehme, die in den Westen geflohenen Kurden zu entfremden und zu degenerieren. Aus diesem Grunde seien Alkoholgenuß, Glücksspiele, "wilde" Beziehungen und "Lotterleben" (Lumpenleben) durch die Partei verboten worden. Wer sich nicht an die Beschlüsse der Partei halte, werde hart (mit dem Tode) bestraft. Eine andere Meldung besagte, daß die 16-jährige Guerilla Aygül Cacan am 2. September 1994 in Manisa in eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der Polizei verwickelt wurde. Sie soll sich mit der letzten Kugel in ihrer Pistole selbst umgebracht haben. Die Familie war im März des Jahres aus einem Dorf bei Tatvan in der Provinz Bitlis nach Manisa gekommen und die Tochter hatte sich nach der Ermordung ihres Onkels Kazim Cacan der Guerilla angeschlossen.

Aygül Cacan war vielleicht nur auf "Heimatbesuch", es ist aber ebenso gut möglich, daß sie von der "Partei" als sogenannte Stadtguerilla zu Aktivitäten in der neuen Heimat abkommandiert war. Nach ihrem Tod fanden größere Polizeiaktionen in Manisa statt (u.a. wurde die Mutter mehrfach verhört).

Aufgrund der zunehmenden Aktivitäten der PKK in den Städten des Westens der Türkei, einschließlich Gewalt gegen Personen und Einrichtungen, hat der türkische Staat ein berechtigtes Interesse, Mitglieder und Militante der Organisation aufzuspüren. Allerdings zeigt die Erfahrung, daß bei dem Versuch der Polizei, an den "harten Kern" von Aktivisten zu gelangen, in der Regel großflächige Verhaftungswellen durchgeführt werden, von denen überwiegend die unbeteiligte Bevölkerung der "Kurden-Viertel" betroffen ist.

In Izmir sagte der Anwalt Kemal Kirlangic, daß bei jeder Operation immer eine große Anzahl von Personen verhaftet werde, die aufgrund ihres Wohn- oder Geburtsortes mit bestimmten Aktionen oder gefaßten (vermeintlichen) Militanten in Verbindung gebracht werden. Die überwiegende Mehrzahl dieser Personen werde wieder freigelassen und Verfahren würden nur gegen eine kleinen Teil der Verhafteten eröffnet. Der Vorsitzende des Menschenrechtsvereins in Mersin, Hamza Yilmaz behauptete sogar, daß 95% der Verhafteten unschuldig seien. Als Beispiel nannte er eine Polizeiaktion in Mersin vom Mai dieses Jahres. Unter mehr als 80 Verhafteten seien 3 Guerillas gewesen. Allerdings waren insgesamt 49 Personen in Untersuchungshaft genommen worden (evtl. wegen Unterstützung; siehe Vorfälle aus dem Jahre 1994). Sehr bezeichnend ist die von fast allen ExpertInnen gemachte Äußerung, daß die KurdInnen im Westen der Türkei als "potentielle Verbrecher" (potansyel suclu) angesehen werden.

Wesentliches Ergebnis

Nach all dem kann nur gesagt, daß KurdInnen, die in der Regel keine andere Wahl haben, als sich in den vorwiegend oder ausschließlich von Kurden bewohnten Stadtteilen oder Ortschaften wie Asarlik bei Menemen () in der Provinz Izmir anzusiedeln, einer weit über dem Durchschnitt liegenden Gefahr von Verhaftung und/oder Mißhandlung bis hin zu gezielter Folter ausgesetzt sind. "Wehrtüchtige Männer" im Alter zwischen 15 und 50 Jahren dürften aufgrund des Verdachtes "Terroristen" zu sein, etwas stärker von Verhaftungen betroffen sein, als andere KurdInnen. Die Gefahr der Festnahme erhöht sich bei Personen, die das Recht auf Organisierung wahrnehmen und Mitglied in pro-kurdischen Vereinigungen wie der HADEP werden (evtl. dort ein Amt übernehmen). Schon der Besuch von kulturellen Veranstaltungen, aber auch privater kurdischer Feste (Hochzeiten) stellt eine erhöhte Gefährdung dar. Die für Izmir anhand von Daten der Menschenrechsstiftung hochgerechnete Zahl von 150 Verhaftungen in den ersten 8 Monaten dieses Jahres, bei denen die kurdische Herkunft der Verdächtigen den Ausschlag gab, mag sich im Verhältnis zu den ca. 800.000 kurdischen Einwohnern in Izmir verhältnismäßig gering ausnehmen. Die Zahl von 30 Straßenhändlern, die in einer Stadt wie Istanbul mit geschätzten 3 Millionen Kurden im Monat Juli 1994 von der Polizei verprügelt wurden, mag ebenfalls als unerheblich angesehen. Ebenso könnte die Ansicht vertreten werden, daß eine Zahl 260 verhafteten KurdInnen in Adana innerhalb von 2 Monaten (August und September 1994) oder 127 (von der HADEP registrierten) Verhaftungen in Mersin in 3 Monaten (Juni bis September) im Vergleich zu den dort lebenden Hunderttausenden von KurdInnen nicht besonders hoch sei. Derartige Verhaftungen erfolgen aber ununterbrochen und die ermittelten Zahlen sind mit Sicherheit nur ein Ausschnitt des wirklichen Ausmaßes von Polizeimaßnahmen (politischer Verfolgung). Als Beispiel sei darauf verwiesen, daß keiner meiner Gesprächspartner die Verhaftung und Folter von 35 kurdischen Straßenhändler Anfang September im Stadtteil Eminönü in Istanbul registriert hatte. Der willkürliche Charakter der Verhaftungen bringt die Gefahr mit sich, daß praktisch jede/r Kurde/in von Verhaftung und Mißhandlung bedroht ist. Es reicht dabei aus, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, im falschen Viertel zu wohnen oder in einer Personalkontrolle als Kurde/in aufzufallen.

Eine relative Sicherheit vor politischer Verfolgung wäre für KurdInnen im Westen der Türkei nur gegeben, wenn sie sich keiner pro-kurdischen Vereinigung anschliessen, möglichst keine pro- kurdischen Publikationen lesen (oder zu Hause aufbewahren), keine kurdischen Feste besuchen und möglichst auch nicht in Stadtteile ziehen, in denen die Mehrheit der Bevölkerung sich aus KurdInnen zusammensetzt. Unter den von mir interviewten Flüchtlingen, die erst kürzlich in die Metropolen der Türkei gekommen waren, konnte ich lediglich unter der "geistigen Führungsschicht" Personen finden, die in der Lage wären, bei der Wohnungssuche "Kurden- Viertel" zu meiden. Wie der Rechtsanwalt Hamza Yilmaz oder die Rechtsreferendarin Aynur Yaman waren dies aber Personen, die sich aus Überzeugung für die kurdische Sache engagieren und in exponierter Stellung besonders von politischer Verfolgung bedroht sind.