Auszüge aus Artikel in
Die
Zeit vom November 1986
zur Ermordung von Olof Palme
...
Auch der deutsche Verfassungsschutz
hält es für möglich, dass der Mörder Palmes aus den Reihen der "Kurdischen
Arbeiter- und Bauernpartei", bekannter unter dem Kürzel PKK, stammt. Diese
"Partei" - wohl eher eine verschwörerische Organisation - gilt als stärkste
"Befreiungsbewegung" in dem von der Türkei beherrschten Teil Kurdistans
und zählt rund 2000 Aktivisten. Funktionäre rivalisierender kurdischer
Organisationen nennen die PKK schlicht eine "verantwortungslose Terroristengruppe".
Oberhaupt der PKK ist der vierzigjährige
Abdulla Öcalan, genannt Apo (Onkel). Onkel regiert wie ein Patriarch und
fühlt sich von der Vorsehung dazu auserkoren, sein Volk, im Dreiländereck
Türkei-Iran-Irak, zu befreien.
Ein Kritiker des Onkel, selbst lange
Mitglied im Zentralkomitee der Partei, beschrieb die PKK so: "Eine Mischung
aus Revolutionspathos, feudalen Strukturen mit stalinistischem Überbau
und dem Faktor Apo." Dieser Kritiker und Dissident, Cetin Güngör, lebt
nicht mehr. Ein Killer streckte ihn im November 1985 mit vier gezielten
Schüssen nieder: in Stockholm. Güngörs Mörder wurde am Tage vor dem Attentat
auf Olof Palme zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Vor dem Prozeß schrieb ein "Partisan"
im deutschsprachigen Kurdistan Report der PKK, die europäische Sozialdemokratie
zettele "unter der Direktive von Olof Palme und Bülent Ecevit" ein Komplott
zur "Liquidation der PKK" an. Sozialdemokraten seien um so gefährlicher,
je liberaler sie seien. Von einem Mord an dem verhaßten Exponenten der
Sozialdemokratie war nicht direkt die Rede. Wohl aber hieß es an anderer
Stelle des Pamphlets: "Herr Olof Palme (soll) der Geschichte gegenüber
nicht beleidigt sein und nicht den Wahnsinn begehen, die Sonne mit dem
Spaten einfangen zu wollen."
Sieben politische Morde werden der
PKK in Europa zugerechnet. Einer davon ereignete sich Ende Februar in Hamburg.
Wochenlang beschattete der Killer sein Opfer, den 32jährigen Türken Kürsat
Timuroglu, einen Sozialarbeiter, der sich mit großer Aufopferung für die
Belange seiner Landsleute in der Bundesrepublik eingesetzt hatte. Aus einem
Café im Stadtteil St. Georg beobachtete der elegant gekleidete Mörder die
Straße. Als sein Opfer vorbeikam, stürmte der Attentäter auf die Straße
hinaus und schoß zweimal auf Timuroglu, der in den Augen der PKK-Leute
vermutlich ein verabscheuenswerter "Verbalradikaler" war.
Timuroglu taumelte noch in einen
Tabakwarenladen. Der Killer trat in die Tür, gab einen dritten Schuß in
den Kopf seines Opfers ab - und verschwand in den engen Gassen hinter dem
Hamburger Hauptbahnhof.
"Es war", sagte Hamburgs Innensenator
Rolf Lange vergangene Woche, "eine geplante Hinrichtung." Resigniert fügte
Landesverfassungsschutzchef Christian Lochte hinzu, der Täter habe vermutlich
die Bundesrepublik längst verlassen.
Seinerzeit hat Devrimci Isci (Revolutionärer
Arbeiter) als europäischer Ableger von Devrimci Yol (Revolutionärer Weg)
eine umfangreiche Dokumentation herausgegeben. Leider sind die Kopien so
schlecht, dass der (billige) Scanner nur wenig vom Text erkannte. Deswegen
gibt es aus dieser Dokumentation nur ein paar "Dokumente":
PRESSEERKLÄRUNG
(von Devrimci Isci)
Kürsat T i m u r o g l u wurde am
25. 2. 1986 vor seiner Wohnung in St. Georg durch Schüsse aus dem Hinterhalt
so schwer verletzt, daß mit seinem Tod gerechnet wird. Aus Zeugenaussagen
ergibt sich, daß der Täter ihm zwei Wochen lang aufgelauert hat.
Kürsat Timuroglu wurde am 20. 8.
1953 in der Türkei geboren. Er kam 1976 in die BRD. Er ist verheiratet
und hat zwei Kinder. Vor einem halben Jahr wurde Kürsat Timuroglu von der
türkischen Regierung ausgebürgert. Vor kurzem beantragte er deshalb die
deutsche Staatsangehörigkeit.
Wer war Kürsat Timuroglu?
Fast alles unleserlich: Kürsat war
ein Linker, der für demokratischen Sozialismus eintrat. Auch on der BRD
hat er sich für den Freiheitskampf in der Türkei engagiert. Er nahm an
einem Hungerstreik aus Solidarität mit den politischen Gefangenen in der
Türkei teil. Er setzte sich auch für die volle Gleichberechtigung seiner
Landsleute in der BRD ein.
In den vergangenen Jahren hat sich
Kürsat Timuroglu im sozialen Bereich besonders für die Belange der Jugendlichen
aus der Türkei engagiert.
Wer kann sich über diesen Tod freuen?
Nach den polizeilichen Ermittlungen,
soweit sie uns bisher bekannt sind, ist es schwer schon etwas über die
Person des Täters zu sagen. Nach den Zeugenaussagen handelt es sich um
einen aus der Türkei stammenden Mann. Theoretisch könnte als Täter
ein Agent des türkischen Geheimdienstes MIT, ein Faschist oder ein Anhänger
der PKK in Frage kommen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit läßt sich die Frage
nach der Zugehörigkeit des Täters aber aus der politischen Entwicklung,
die der Tat vorausgegangen ist beantworten. Für uns ist es ganz klar, daß
dieses Attentat nur von einer politischen Organisation namens PKK ( das
bedeutet "Arbeiterpartei Kurdistans" ) initiiert worden sein kann.
Vor ca. einem Monat erklärten PKK-Anhänger,
daß sie die Liquidierung von "Verrätern" auch dann begrüßen würden, 'Wenn
sie von Seiten des türkischen Geheimdienstes erfolgen sollte.' Die PKK
ist für dieses Attentat in jedem Fall verantwortlich, selbst wenn - was
unwahrscheinlich ist - jemand anderes, z. B. der MIT, die von der PKK geschaffene
Situation ausgenutzt haben, ihrer "Einladung" Folge geleistet haben sollte.
Weitere Opfer der PKK
- 20. 6.1984 Enver Ata in Uppsala
- im Juli 1984 Zülfü Gök in Rüsselsheim
- 2.11.1985 Cetin Güngör (Semir)
in Stockholm
- am 3.11.198S Mustafa Tangüder
(PPKK/DDKO) in Kopenhagen
- am 27.11..1985 Mustafa Sahbaz
(Dev-Yol) in Paris
- am 30.12.1985 Bülent Yaman (Kurtulus)
in Lausanne
Kürsat Tirnuroglu wurde das siebente
Opfer in dieser Reihe.
Zitate aus der Erklärung BAKI KARAER's
vom 1.12.1985 zu ZÜLFÜ GÖK
S. 28
Nun, es gibt einen Punkt, über den
die Öffentlichkeit nicht informiert ist:
warum die PKK diese Ereignisse plant.
Die PKK hat bestimmte Kalkulationen, wenn sie diese Morde begeht. Wir erfahren
näheres davon durch die nachfolgenden Aussteiger. Im Grunde genommen. sind
diese Taktiken nicht so sehr neu, sondern ein von der PKK in der Vergangenheit
oft wiederholtes Vorgehen (wie bei den Beispielen von Ferit Uzun, Zülfü
Türk, Sidki Paydas usw.). Nach diesem Plan wird Enver Ata in Schweden ermordet
und gleich danach Zülfü Gök in Deutschland. 'Die Ermordung Enver Ata 's
wird von ihnen übernommen, Zülfü Gök dagegen wird als eigener Mann lanciert
und dessen Ermordung den Aussteigern (insbesondere Semir) angelastet. Es
wird nämlich so getan, als ob die Ermordungen Racheaktionen von zwei Seiten
sind. Damit werden also mit einem Stein mehrere Vögel getroffen (mit einer
Klappe mehrere Fliegen geschlagen, die Übersetzer).
Somit wird sowohl der Aussteiger
Zülfü Gök ermordet als auch einer Isolierung von linken Kreisen zuvorgekommen,
also eine Verurteilung durch die Öffentlichkeit verhindert. Da aber der
Mörder unmittelbar nach der Tat gefaßt wurde, konnte dieser Plan nicht
wie vorgehabt verwirklicht werden.
Der Mord an SEMIR (CETIN GÜNGÖR)
Semir wurde einen Tag, bevor er eine
Pressekonferenz zusammen mit Baki Karaer geben wollte, ermordet. Auf Semir's
Tod erfolgte dann eine breite Protestaktion der türkischen und kurdischen
Linken sowie von Teilen der deutschen Linken.
Zu Beginn etwas zu Semir's Person:
1982 im Spätsommer wurde Semir aus
Syrien als Verantwortlicher. für Europa in die BRD geschickt mit dem Auftrag,
hier eine militärische Organisation aufzubauen. Unmittelbar vor seiner
Abreise fragte Semir nach dem Zweck einer solchen Organisation, woraufhin
er die Antwort erhielt, sie sei für eventuelle Aktionen gegen Agenten des
MIT oder Konsulate gedacht. Er hielt dagegen, daß seiner Meinung nach für
solche Aktionen die vorhandene Struktur ausreiche bzw, man. für eine besondere
Aktion eine besondere Einheit jeweils zusammenstellen und später wieder
auflösen könne.
In der BRD arbeitete er entgegen
seinem Auftrag nicht am Aufbau einer militärischen Organisation.
Man begann, ihn von höchster Stelle aus zu kontrollieren. Apo wollte sogar
wissen, was er lese usw.
Im Frühjahr 198.3 wurde Semir von
seiner Aufgabe entbunden. Man forderte ihn auf, in den Irak zu kommen.
Semir tat dies nicht, da bereits mehrere Genossen von dort nicht zurückgekehrt
waren und er nie wieder etwas von ihnen gehört hatte. Apo schickte seine
Frau nach Europa, da sich in den Gruppen der PKK in mehreren europäischen
Ländern eine Entwicklung abzeichnete, die mehr Unabhängigkeit vorn ZK anstrebte.
Semir wurde in einer Wohnung (in der BRD) gefangen gehalten. Er war hier
unter ständiger Kontrolle und man zwang ihn, bestimmte Bücher, u.a. Apo's
Schriften zu lesen.
Es gelang Semir aus seinem Gefängnis
zu fliehen und nach Schweden zu gehen, wo er sich bis zu seiner Ermordung
versteckt hielt.
Zitate SEMIR's aus seiner Erklärung
vom 18.3.1984
S. 3
Die bedingungslose Abhängigkeit
von der dogmatischen Autorität läßt in der PKK keinen Raum zu selbstständigem
Denken. Die Individualität der politischen 'Kader ist gleich Null. Die
Sensibilität individuellen Denkens ist somit völlig außer Kraft gesetzt.
In so einem Zustand sind die Menschen blinde Mitläufer der PKK-Führung
geworden.
Die PKK-Führung bevorzugt diesen
Menschentypus in ihren Kadern. Ich bin einer von denen, die dieses Vorgehen
nicht als revolutionär akzeptieren. Aus diesem Grunde bin ich nicht überrascht,
wenn ich nicht gelobt, sondern mit dem Todeszeichen belohnt werde...
S. 4
...Nachdem die Lügen, die Demagogien
und sonstige Angriffe gegen mich nicht sonderlich fruchtbar waren für die
PKK, hat sie in ihrer Parteizeitung Serxwebun die letzte Botschaft verkündet:
Semir darf nicht am Leben bleiben...
S. 6
Zum ersten Mal widersetzten sich
Angehörige der PKK, die ja bereits eine' 10jährige Vergangenheit hat, gegen
die, inzwischen chronischen antidemokratischen Vorgehensweisen. Zum ersten
Mal verteidigen sich einige gegen die von oben herabdiktierten Befehle
und treten ein für 'einen leninistischen Kader (demokratischer Zentralismus,
Disziplin und Einheit der Partei, Auseinandersetzungs- und Kritikrecht
usw.)...
S. 7
In der nahen Vergangenheit wurden
die Revolutionäre, die die PKK kritisierten, entweder mit dem Tode bestraft
oder mit Verleumdungen aus dem politischen Leben getrieben oder an einem
geeigneten Ort) als Gast untergebracht und wirkungslos gemacht... Da es
keine Unterlassungsbemühungen außerhalb und innerhalb der Organisation
gegeben hat, war die PKK mit ihrer Politik diesbezüglich erfolgreich...
S. 8
Es ist eine Ausnahme, daß jemand
in der PKK Kritik ausübt und dazu noch am Leben bleibt. Es ist eine besondere
Eigenschaft von mir, daß ich heute noch am Leben bin....
Wie z.B. in meinem Fall: Ich wurde
zuvor als ein beispielhafter Revolutionär in der Partei bezeichnet. Nachdem
ich kritische Ansichten geäußert hatte, wurde ich von heute auf morgen
als Verräter abgestempelt und mein ganzes revolutionäres Leben gesamt beschimpft
und zunichte gemacht...
Cumhuriyet, 12.11.1985
Ex-PKK'ler Baki Karaer erklärte in
Schweden: die Organisation hat 21 Menschen getötet Stockholm, Yavuz Baydar.
Baki Karaer, der sich momentan in
Schweden aufhält und in Gefahr steht getötet zu werden, machte gegenüber
dem Schwedischen Geheimdienst SIAPO einige wichtige Erklärungen über seine
Organisation. Einer der Gründer und ältesten Mitglieder des Zentralkomitees
der PKK sagte, daß er sich in demselben Saal befunden habe, in dem Cetin
Güngör getötet worden ist. Baki Karaer sagte, daß jener Nuri Candemir zu
der Versammlung der PKK gekommen sei; um Cetin Güngör, Baki Karaer und
ein weiteres Mitglied der PKK, eine Frau namens Seher zu töten. Karaer
sagte in der Erklärung, die er eine Woche nach dem Mord abgegeben hat,
daß Cetin Güngör der 21. sei, der von
der PKK getötet wurde. Baki Karaer
sagte: "Ich empfinde große Reue, daß ich in meiner Vergangenheit in solch
einer blutigen Organisation Verantwortung getragen habe. Diese Jahre stellen
einen Schandfleck in meinem Leben dar."
Er sagte, daß er Enver Ata, der
vor einem Jahr in Uppsala getötet worden ist, ebenfalls gekannt Habe. Karaer
fuhr folgendermaßen fort: Jeder Kurde, der die Politik, das Programm und
die Methode der PKK nicht akzeptiert, wird von der Organisation als Feind
und Verräter betrachtet. Diese Sichtweise wird sichtbar im Programm der
PKK und' sie wird ebenso in der Parteizeitung Serxwebun publiziert.
Nachdem Baki Karaer, Cetin Güngör,
Enver Ata, Mehntet Karasungur und Resul Altunok, die alle schon in der
Gründungsphase. der PKK 1974 beteiligt gewesen sind, 1980 ihre ersten Meinungsverschiedenheiten
mit den anderen Mitgliedern des Zentralkomitee hatten, kam Baki Karaer
nach Schweden.
Baki Karaer erklärte, daß er als
er 1982 erstmals öffentlich gesagt habe, daß er die Organisation verlassen
werde, von bewaffneten Mitgliedern der PKK gefangen genommen worden sei.
Karaer sagte, daß er mehr als ein Jahr in einem Gefängnis der PKK zugebracht
habe, das sich in den Höhlen nahe von Lolan im Irak befunden habe und daß
er schließlich mit Unterstützung der Irakischen Kommunistischen Partei
verlassen habe.
Er sagte, daß die Entscheidung ihn
und Cetin Güngör "hinzurichten" am 18. Juni '84 auf einem PKK-Treffen getroffen
und von Abdullah Öcalan unterzeichnet worden' ist. Er berichtete weiter,
wie die Organisation' diese "Hinrichtungsbeschlüsse" ausführe: "Sie wählten
eine bestimmte Person aus, die voll von Minderwertigkeitskomplexen war
und sich leicht benutzen ließ, da sie in der Organisation nicht erfolgreich
war. Nach einer politischen und ideologischen Gehirnwäsche, die einen Haß
in dem Betreffenden gegen jede Art von Verrat erzeugen sollte, gab man
dem Mörder eine Waffe und einen falschen Paß. Der Mörder mußte das Gefühl
haben, daß ihm eine große Verantwortung übertragen sei und er durch die
Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgabe als Held angesehen werden
würde. Der Mörder führte das Todesurteil blind und wie in Trance aus."
Baki Karaer sagte, daß er jetzt keine
Informationen über Struktur, Ausbildungslager und die lokale Situation
der PKK machen wolle, darüber aber ein Buch schreiben werde. Er sagte ebenfalls,
daß er sehr genau wisse, auf welche Art und Weise derartige Entscheidungen
im Zentralkomitee der PKK zustande kämen. Der Barbarismus der PKK ist im
Mittleren Osten jedermann vertraut. Die Einheit kurdischer Befreiungskämpfer,
unter deren
Namen sich der Mörder Enver Atas
gestellt hatte, ist ein Flügel der PKK."
Baki Karaer nannte die Namen von
21 von der PKK in Schweden, Dänemark, Libanon, Iran, Irak und in der Türkei
getöteten Menschen, die alle Mitglieder der PKK gewesen sind. Es folgt
eine Liste der Namen:
Enver Ata, Cetin Güngör, Mustafa'Tangüner
(PPKK), Zülfi Gök, Abdulla Kumral, Yasar Organ, Ethem Akcam, Abdullah Aziz,
Halll Ibrahim, Resul Altunuk, Besi, Selehattin, Cemil, CetiIi Akkurt, Ayten
Yilderim Saime Askin, Bircan Yildiz, Serdar (Codename), Hasan Hüseyin,
Haci Sunta, Semsettin Aktas...
Erklärung von Baki Karaer vom 9.10
1985
Entwicklung in der PKK seit 1982:
Die erste Opposition gegen die zentrale
Linie der PKK machte sich in Europa bemerkbar.
Im Sommer 1982 fand der ParteikongreB
der PKK unter Waffen statt. Abdullah Öcalan (Apo), der Generalsekretär
der Partei, äußerte sich in Hinblick auf die sich entwickelnde interne
Opposition folgendermaßen: Ihr müsst akzeptieren, was ich sage. Wenn es
zu einer Trennung kommen sollte, kann dies nicht in form eines demokratischen
Prozesses geschehen, sondern dann sollten wir uns einander offen gegenüberstellen
und sie bewaffnet austragen." '
Auf der Konferenz der PKK 1981 waren
einige unterschiedliche Standpunkte deutlich geworden, die sich im wesentlichen
auf zwei Punkte bezogen:
1. Es müsse eine ernsthafte Selbstkritik
der eigenen Vergangenheit geleistet werden. da es in der Vergangenheit
Bandenterrorismus gegeben habe und Terror gegen das Volk ausgeübt worden
sei.
2. Das Manifest der PKK müsse inhaltlich
geändert werden. Apo wandte sich gegen diese beiden Forderungen, da sie
zur Zersetzung der PKK führen würden, was er nicht zulassen könne. Auch
eine dritte Forderung, die Erarbeitung eines Parteistatuts lehnte er ab.
In der Zeit zwischen der Konferenz
von 1981 und dem Parteikongreß im Sommer 1982 waren einige neue Mitglieder
ins Zentralkomitee aufgenommen worden, u. a. Apos Frau Kesire, was nicht
die Zustimmung aller ZK-Mitglieder fand. Baki Karaer befand sich unter
denen, die diese Entscheidung nicht akzeptiert haben, und teilte deshalb
seinen Entschluß mit, daß er seine Parteiämter niederlegen wolle. .
Zu diesem Zeitpunkt hatte die PKK
mehrere der eigenen Mitglieder getötet, weil sie in Opposition zur Linie
der Zentrale standen. Zu diesen Morden habe sich die Partei nicht offen
bekannt, sondern an der Parteibasis wurde erklärt, die Betreffenden seien
von den Israelis bei der Invasion im Südlibanon getötet worden. Da. es
sich aber um Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT gehandelt habe,
sei dies eine gute Tat der Israelis gewesen. Als Baki Karaer sich auf einer
Parteiversammlung nach den genauen
Umständen des Todes einiger der Mitglieder erkundigte, erhielt er zur Antwort,
daß es sich ausschließlich um Agenten des MIT gehandelt habe, und daß man
denen, die sich nach dem Tod eines Agenten erkundigten, ebenso mißtrauen
müsse, wie Agenten.
In Irakisch-Kurdistan befand sich
zu 1982/1983 auch Mehmet Karasungur. Genau wie Baki Karaer hatte auch Karasungur
alle Parteifunktionen niedergelegt. Gemeinsam verfaßten sie kritische Statements
und reichten sie an andere Mitglieder weiter. So informierten sie zum Beispiel
darüber, daß die Partei ihre Politik gar nicht nach den auf dem Kongreß
gefaßten Beschlüssen ausrichte. Sie forderten die Bekanntgabe der tatsächlich
gefaßten Beschlüsse.
Karasungur starb beim Angriff der
PUK auf das Hauptquartier der IKP im Mai 1983. Die PKK behauptete später,
daß er als Parteifunktionär bei Friedensgesprächen ums Leben gekommen sei.
Karaer wußte aber, daß er sich ins das Lager der IKP abgesetzt hatte.
Man schlug Raki Karaer vor, zwei
Jahre lang zu schweigen. Diese Haltung solle mit einem fürstlichen Leben
honoriert werden. Als er auf dieses Angebot nicht einging, wurde er weiter
bedroht. Er wurde unter Druck gesetzt, Artikel für Serxwebun zu schreiben,
verweigerte dies aber.
Nach dem Tod von Karasungur nahm
die PKK ihn gefangen. Im Juli 1984 gelang ihm die Flucht in ein Camp der
IKP.
Nach Baki Karaers Angaben befanden
sich bereits bei seinem Eintreffen sieben andere PKKler in diesem Camp.
Später seien weitere 13 dazu gekommen. Bis zum März 1984 seien nur einzelne
PKK-Mitglieder in die Camps der IKP geflohen, danach seien die Flüchtlinge
jedoch gruppenweise gekommen.
Die Zahl der Flüchtlinge habe nach
Beginn der bewaffneten Aktionen der PKK in Türkisch-Kurdistan weiter zugenommen.
Ein anderes PKK-Mitglied, das im
August 1985 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist, hat Baki Karaer
und Cetin Güngör (Semir) folgende Informationen gegeben: Er habe im Gefängnis
der PKK Davut, Sores, Terzi Ali und Hüseyin Engizek, den politisch Verantwortlichen
des Distrikts Maras, und weitere 18 Mitglieder der PKK gesehen. Hüseyin
Engesek habe man in die Knie geschossen, um ihn an der Flucht zu hindern.
Alle Gefangenen habe die PKK später in ein Gefängnis der KDP-lraks (Barzani-Söhne)
verlegt.
Der Mord in Lausanne
zum Mord in Lausanne liegt uns von
Kurtulus eine Beschreibung 'des Tatherganges sowie ein Flugblatt vor.
Der Mord in Lausanne
Am Abend des 30. Dezembers 1985
wurden ca. 400 m vom türkisch-kurdischen Kulturverein in Lausanne entfernt,
ein türkischer und zwei kurdische junge Männer von drei Unbekannten mit
Pistolen und Messern angegriffen.
Einer von ihnen war sofort tot,
die beiden anderen schwer verletzt. Da die beiden am Leben geblieben waren,
war es nicht schwierig; den Vorfall aufzudecken und die Mörder zu identifizieren.
Alle drei hatten die Mörder in Genf gekannt und hatten sogar mehrere Diskussionen
mit ihnen.
Es war offensichtlich, daß die drei
Mörder in der Nähe des Kulturvereins gewartet hatten, bis alle gegangen
waren, und dann die drei Zurückgebliebenen verfolgten.
Aber es waren noch einige andere
Leute in der Nähe des Ortes des Verbrechens. Wie man später von der Polizei
erfuhr, hatten drei von ihnen (Schweizer Bürger) die Polizei informiert
und Beschreibungen der Mörder gegeben. Sie erkannten sie auf den Photos
wieder, die ihnen von der Polizei vorgelegt wurden. Auf diese Weise wurde
der Fall für die Polizei klar.
Die Polizei verfolgte sie (die Täter)
ungefähr eine Woche lang anstatt sie festzunehmen, und dadurch wurden ebenfalls
Verbindungen aufgedeckt. In der Folge wurden 13 Leute der PKK in Genf festgenommen.
Da der Prozeß noch nicht begonnen hat, war, es bisher nicht möglich, Stellungnahmen
dieser 13 zu erhalten. Aber es ist sicher, daß sich die drei Mörder darunter
befinden. Es gibt 5 Zeugen (drei Schweizer Bürger und die bei den Verletzten),
die die Mörder identifiziert heben. Und es ist für niemanden ein Geheimnis,
daß sie Mitglieder der PKK sind.
"Die Neujahrsbotschaft des Genossen
Abdullah Öcalan, Generalsekretär der PKK: Unser Volk wird dem Neuen Jahr
noch bewußter und aktionsreicher entgegensehen und 1986 erfolgreich abschließen",
Übersetzung aus "Serxwebun", Januar 1986
Seite 5:
"Heute sagen Einige: 'Die PKK bestraft
diejenigen aus den eigenen Reihen." Wir sagen, es muß
allen bewußt sein, dass die PKK
diejenigen nicht nur bestrafen wird, sondern ihnen kein Lebensrecht einräumen
wird."
"Wir warnen die Chefs von Devrimci
Isci, Partizan und Sol Birlik, die Drehbücher schreiben, um unser Volk
irrezuführen. Sie sind keineswegs ungefährlicher als ihre faschistischen
Herrscher,...
Es gibt noch mehr Zitate, aber sie
sind so schlecht lesbar, dass man sie entweder abschreiben oder aber in
Serxwebun erneut nachlesen sollte.
Guter Artikel
von Can Dündar am 22.01.2002 in Milliyet:
Der Vater von Kürsat, Vecihi Timuroglu
wehrt sich gegen die Vermutung von Taner Akcam, dass Kürsat an seiner Stelle
ermordet wurde.
Auf seiner eigenen Homepage berichtet
Can Dündar vom Verfahren
gegen den Mörder von Kürsat, Ferit Aycan und dessen Protektion nach
dem Austritt aus der PKK.
Die TAZ
berichtete am 03.01.2002 vom Ausgang des Prozesses.
Hier Auszüge aus der Nachricht:
Obwohl das tödliche Attentat an
Kürsat Timuroglu fast 16 Jahre zurückliegt, platzt der Staatsschutzsaal
288 gestern aus allen Nähten. FreundInnen - teilweise ein Bild von Kürsat
am Revers - sind gekommen, um zusammen mit der Witwe Nilgun und ihren beiden
Kindern dem Urteilsspruch gegen Farit Aycan (38) zu folgen. Nicht überraschend
verurteilt der Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG)
den Kader der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wegen Mordes zu lebenslänglicher
Haft mit der Bewertung: "Die Tat geschah aufgrund eines Auftrages der PKK-Führung."
Dabei sieht der OLG-Vorsitzende
Albrecht Mentz die Mordmerkmale "Heimtücke" und "niedere Beweggründe" erfüllt,
als Aycan Kürsat Timuroglu am 25. Februar 1986 in der Stiftstraße (St.
Georg) auflauert und "im Charakter einer Hinrichtung" durch Kopfschüsse
tötet. Der damals 22-Jährige hatte sich nach seiner Flucht aus der Türkei
Mitte der achtiger Jahre "ganz der Tätigkeit der PKK verschrieben". Ihm
sei bewusst gewesen, dass die PKK unter "rücksichtsloser Gewaltanwendung"
einen Guerillakrieg für ein unabhängiges Kurdistan gegen türkische Einrichtungen
führe und dabei auch blutig gegen "Abweichler" und "Abtrünnige" vorgehe
- was die Morde an PKK-Dissidenten in Stockholm und Uppsala belegten.
Dem stellte sich laut Mentz eine
Gruppe entgegen, deren maßgebliche Repräsentanten der Ex-Dev Yol-Kader
Taner "Mehmet" Akcam und Kürsat Timuroglu waren, in dem diese offen auf
Veranstaltungen gegen die PKK mobil machten. Für das Gericht ist sicher,
dass Aycan speziell von der PKK-Führung für den Mordauftrag ausgesucht
worden ist, "weil er für die PKK bislang nicht in Erscheinung getreten
und in Hamburg nicht bekannt war". Denn die PKK-Führung - gemeint ist PKK-Chef
Abdullah Öcalan - habe um "den Verlust der Macht und um einen Rückgang
der Einahmen aus Europa gefürchtet". Mentz: "Es sollte ein Exponent beseitigt
werden, der sich für eine gewaltfreie Lösung in der Türkei und die Eingliederung
von Türken in Deutschland einsetzte."
Das Gericht lässt indes erkennen,
dass Aycan nach 15 Jahren mit seiner Freilassung rechnen kann. Das verdankt
er seinem Geständnis und der Abkehr von der PKK. "Sie sind der überzeugenden
Beweiswürdigung der Bundesanwaltschaft nicht entgegengetreten, was bei
Staatsschutzverfahren ungewöhnlich ist", sagt Mentz. "Das verdient Respekt."
Kai von Appen
Hüseyin Celebi
Den unmittelbaren Befehl soll ein
Hüseyin Celebi gegeben haben. Auf den Seiten der gefallenen PKK'ler ist
er unter der Nummer
513 zu finden. Dort steht, dass Hüseyin C. am 22.09.1967 in Hamburg
geboren wurde und seit 1982 für verschiedene Vereine und Publikationen
wie das Kurdistan Zentrum und den Kurdistan Report arbeitete. Als vermeintlicher
PKK-Verantwortlicher für Europa wurde er angeklagt und unter völliger Isolation
in einem Gefängnis in Wuppertal gehalten. Er kam 1992 nach Südkurdistan
und wurde von einem Peschmerge von Barzani am 11.10.1992 erschossen.