Helmut Oberdiek * 18.9.1947 — † 27.4.2016
Kriegsrecht
und Ausnahmezustand
Seit
dem 30.11.2002 gibt es in
der Türkei offiziell keinen Ausnahmezustand (auch kein Kriegsrecht)
mehr. Der Ausnahmezustand war zuletzt in den Provinzen Diyarbakir und
Sirnak
gültig.
In
der Geschichte der Türkei
hat es immer wieder Zeiten gegeben, in denen das Kriegsrecht oder ein
Ausnahmezustand
verkündet wurde. Das war nach jedem Militärputsch so (1960, 1971).
Vor dem Putsch vom 12.09.1980 war das Kriegsrecht in 20 (der seinerzeit
67) Provinzen der Türkei gültig. Begonnen hatte es mit der Ausrufung
von Kriegsrecht in 13 Provinzen im April 1979 (nach den Unruhen in
Kahramanmaras
oder anders ausgedrückt Pogromen gegen die dortige alewitische
Bevölkerung
im Dezember 1978).
Am
12. September 1980 wurde
das Kriegsrecht auf alle 67 Provinzen ausgedehnt. Ab 1984 wurde das
Kriegsrecht
nach und nach in etlichen Provinzen abgeschafft, um dann ab Juli 1997
durch
den Ausnahmezustand in dem nach ihm benannten
Gebiet (OHAL
und des dafür extra verfügten Erlasses 285 mit Gesetzeskraft)
ersetzt zu werden.
Anlass
war die Staatenklage vor
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von Dänemark,
Frankreich, Norwegen, Schweden und den Niederlanden gegen die Türkei
(eingereicht am 01.07.1982 und zugelassen am 06.12.1983). Am 02.07.1985
wurde eine gütliche Einigung empfohlen, die am 09.12.1985 akzeptiert
wurde. Die Türkei erklärte sich bereit, in vierteljährlichen
Berichten vom "Fortschritt" zu berichten (tat sie mit Berichten vom
01.02.,
01.07., 01.10.1986 und 01.02.1987). Des Weiteren sollte das Kriegsrecht
in allen Provinzen binnen 18 Monaten aufgehoben sein. Dies und ein paar
andere Forderungen erfüllte die Türkei (siehe mein Buch) und
am 01.02.1987 wurde die gütliche Einigung wirksam.
Am
19. Juli 1987 wurde der Ausnahmezustand
in den Provinzen Bingöl, Diyarbakir, Elazig, Hakkari, Mardin, Siirt,
Tunceli und Van ausgerufen. Als "benachbarte" Provinzen kamen Adiyaman,
Bitlis und Mus hinzu. Ausnahmezustand trat in Batman und Sirnak in
Kraft,
als sie am 6. Mai 1990 zu Provinzen erklärt wurden.
Am
9. März 1994 wurde die "benachbarte"
Provinz Bingöl ins "Stammgebiet" OHAL aufgenommen. Danach wurde in
zeitlichen Abständen der Ausnahmezustand in der folgenden Reihenfolge
aufgehoben: erst Elazig, danach Mardin, Batman, Bingöl und Bitlis,
dann Siirt, dann Van und zuletzt noch in Hakkari und Tunceli. Sie
wurden
wie Adiyaman und Mus zu "benachbarten Provinzen" erklärt. Das Parlament
verlängerte den Ausnahmezustand jeweils für 4 Monate (auf "Empfehlung"
des Nationalen Sicherheitsrates). Die OHAL Gouverneure waren Hayri
Kozakçioglu,
Necati Çetinkaya, Ünal Erkan, Necati Bilican, Aydin Arslan
und Gökhan Aydner.
Formal
wurde der Ausnahmezustand
im November 2002 beendet. Im Lagebericht des auswärtigen Amtes vom
Oktober 2007 war zu lesen: "Am 6. Juni 2007 erklärte der
türkische
Generalstab vier Gebiete in den Provinzen Siirt, Sirnak und Hakkari zu
zeitweiligen Sicherheitszonen und militärischen Sperrgebieten, deren
Betreten zunächst vom 9. Juni 2007 bis 9. September 2007 grundsätzlich
verboten war und die einer strengen Kontrolle unterlagen. Die Sperre
wurde
zuletzt bis 10. Dezember 2007 verlängert." Hinzugefügt werden
sollte, dass die Verordnung nicht im Dezember 2007 endete, sondern im
Jahre
2008 jeweils für 3 Monate verlängert wurde. Zuletzt wurden die
Sicherheitszonen von 4 auf 6 Gebiete erhöht. Die Verfügung gilt
vom 11. März bis zum 11. Juni 2008
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