Alte und neue Verjährungsfristen
Verjährungen nach dem alten Strafgesetz
Im alten Strafgesetz (gültig bis 31.05.2005) galten folgende Verjährungsbestimmungen:
"Sowohl die Verfolgungsverjährung (Art. 102) wie auch die Vollstreckungsverjährung (Art. 112), die beide von Amts wegen eintreten (Art. 117), sind nach der Strafdrohung bzw. der verhängten Strafe gestaffelt, jedoch unterschiedlich. Zugrunde zu legen ist bei der Verfolgungsverjährung der abstrakte, bei der Vollstreckungsverjährung der konkrete Strafrahmen. Sieht eine Vorschrift wahlweise zwei verschiedene Strafarten mit verschiedenen Verjährungsfristen vor (z.B. Gefängnis oder Geldstrafe), so ist die Verjährungsfrist der schwereren Strafart maßgeblich.
Bei der Verfolgungsverjährung gelten folgende Grenzen:
- Todesstrafe und lebenslange Zuchthausstrafe: 20 Jahre,
- Zuchthaus von mindestens 20 Jahren: 15 Jahre,
- Zuchthaus von fünf bis 20 Jahren oder Gefängnis von mehr als fünf Jahren: zehn Jahre,
- Zuchthaus oder Gefängnisstrafe bis fünf Jahre oder schwere Geldstrafe: fünf Jahre,
- Haft über einen Monat oder leichte Geldstrafe über 707.400 TL: zwei Jahre,
- niedrigere Strafdrohungen: sechs Monate (Art. 102).
Die Verjährung beginnt mit der Vollendung der Tat; bei Versuch, fortgesetzter Handlung oder Dauerdelikt mit der Beendigung der letzten Handlung (Art. 103).
Die Strafantragsfrist dauert sechs Monate seit Kenntnis von Tat oder Täter, darf aber nicht die Verjährungsfrist für die Haupttat überschreiten (Art. 108). Antragsberechtigt ist das Opfer. Ist es minderjährig, so können Eltern - jeder für sich oder gemeinsam - den Antrag stellen, ein einsichtsfähiger Minderjähriger ab 15 Jahren ist jedoch selbst auch antragsberechtigt. Auch der Antrag, als Nebenkläger zugelassen zu werden, erfüllt das Fristerfordernis.
Die Vollstreckungsverjährung beträgt bei
- Todesstrafe und lebenslanger Zuchthausstrafe: 30 Jahre,
- Zuchthausstrafe von 20 und mehr Jahren: 24 Jahre,
- Zuchthaus und Gefängnis über fünf Jahren: 20 Jahre,
- Zuchthaus oder Gefängnis bis zu fünf Jahren, schwere Geldstrafe (d.h. mind. 60 Mio. TL zuzüglich des jährlichen Inflationsausgleichs): zehn Jahre,
- Haft über einen Monat, leichte Geldstrafe über 707.400 TL: vier Jahre,
- geringere Strafen: 18 Monate (Art. 112).
Das Gesetz nennt nur eine Gruppe von Delikten, die nicht verjähren, nämlich die im 1. Teil des 2. Buchs des StGB genannten, also die Staatsschutzdelikte gemäß Art. 125-173, sofern sie zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen im Ausland begangen worden, und sie müssen mit Todesstrafe oder Zuchthaus strafen bedroht bzw. es muss deswegen eine entsprechende Strafe verhängt worden sein (Art. 102 II, 118). Tötungsdelikte verjähren dagegen nach den allgemeinen Grundsätzen.
Werden bei einer (auch teilweisen) Amnestie Strafen herabgesetzt, so richtet sich die Verjährungsfrist nach der niedrigeren Strafe. Das ergibt sich aus Art. 2 StGB, der bei einer Gesetzesänderung die Geltung des für den Angeklagten günstigeren Gesetzes vorschreibt. Schwieriger ist die Frage nach der Verjährungsdauer zu beantworten, wenn eine verdeckte Amnestie (örtülü af) in der Form einer sehr frühen bedingten Entlassung erfolgt, die theoretische Strafdauer an sich aber gleich bleibt. Hier ist mangels anders lautender Äußerungen der Rechtsprechung wohl weiterhin davon auszugehen, dass die vor der verdeckten Amnestie bestehenden Verjährungsfristen erhalten bleibe!
Die Verfolgungsverjährung ruht, wenn das Verfahren von einer Ermächtigung, einem Beschluss oder von der vorherigen Entscheidung einer Frage durch eine andere Behörde abhängt, bis diese Behörde ihre Entscheidung getroffen hat (Art. 107).
Die Verfolgungsverjährung wird durch die Verurteilung, aber auch durch eine Reihe von im Gesetz genannten Ermittlungshandlungen unterbrochen (Art. 104), nämlich durch Steckbriefe, Haft-, Vorladungs- oder Vorführungsbefehle, richterliche Vernehmung oder Anklageschrift; bei Verjährungsfristen von unter einem Jahr reicht jede Ermittlungshandlung aus (Art. 105). Diese Unterbrechung wirkt auch für an der Straftat beteiligte Dritte, gegen die eine Verfolgung noch nicht eingeleitet wurde (Art. 106); sie setzt die Fristen neu in Gang. Die Frist für die Verfolgungsverjährung kann jedoch durch Unterbrechungen insgesamt um nicht mehr als die Hälfte der in Art. 102 genannten Fristen verlängert werden (Art. 104 ll).
Die Strafvollstreckungsverjährung wird durch jede Verfügung in Bezug auf die Vollstreckung unterbrochen, die dem Verurteilten ordnungsgemäß zugestellt wird, ferner bei Freiheitsstrafen durch eine Festnahme (Art. 1141); außerdem wird die Verjährung auch unterbrochen, wenn der Verurteilte eine gleichartige andere Straftat begeht (Art. 114ll). Was eine gleichartige Straftat ist, ergibt sich aus dem Katalog des Art. 86."32
Verjährung nach dem neuen Strafgesetz
Im neuen Strafgesetz (gültig ab 01.06.2005) ist die Verjährung wie folgt geregelt:
Klageverjährung Art. 66
(1) Soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, erlischt die öffentliche Klage
a) bei Straftaten, die mit lebenslangem verschärften Gefängnis bedroht sind, nach 30 Jahren
b) bei Straftaten, die mit lebenslangem Gefängnis bedroht sind, nach 25 Jahren
c) Bei Straftaten, die mit Gefängnis von mindestens 20 Jahren bedroht sind, nach 20 Jahren
d) Bei Straftaten, die mit Gefängnis von über fünf und unter 20 Jahren bedroht sind, nach 15 Jahren
e) Bei Straftaten, die mit Gefängnis von nicht über 5 Jahren oder Geldstrafe bedroht sind, nach 8 Jahren
(Abs. 2 und 3 nicht übersetzt).
(4) Bei der Bestimmung der in den obigen Absätzen genannten Verjährungsfristen wird die im Tatbestand genannte Obergrenze der Strafe berücksichtigt; bei Straftaten, die alternative Strafen erfordern, wird für die Verjährung die Gefängnisstrafe berücksichtigt.
(Abs. 5 bis 7 nicht übersetzt)
(8) Wurden die im 4. Teil des 2. Buchs dieses Gesetzes genannten Straftaten, die mit erschwertem lebenslangem Gefängnis und mit Gefängnis über 10 Jahren bedroht sind im Ausland begangen, so verjähren sie nicht.
Verjährung der Strafe § 68
(1) Die in diesem Artikel aufgeführten Strafen dürfen nicht vollstreckt werden, wenn die unten genannten Verjährungsfristen vorliegen:
a) vierzig Jahre bei erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe
b) dreißig Jahre bei lebenslanger Freiheitsstrafe
c) vierundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafen im Höchstmaß von mehr als zwanzig Jahren,
d) zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafen im Höchstmaß von mehr als fünf Jahren,
e) zehn Jahre bei Freiheitsstrafen im Höchstmaß bis zu fünf Jahren und Geldstrafen.
(2) Bei Personen, die bei Tatbegehung das 12. Lebensjahr vollendet, allerdings das 15. Lebensjahr nicht vollendet haben, darf die Strafe nicht vollstreckt werden, wenn diese Fristen zur Hälfte überschritten sind. Bei Personen, die bei Tatbegehung das 15. Lebensjahr vollendet, allerdings das 18. Lebensjahr nicht vollendet haben, darf die Strafe nicht vollstreckt werden, wenn 1/3 dieser Frist abgelaufen ist.
(3) Im Ausland verübte Taten, die im zweiten Buch, viertes Kapitel aufgeführt sind und die mit erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe oder im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, verjähren nicht.
(4) Urteile, die verschiedene Tatarten betreffen, werden nicht vollstreckt, wenn die Frist abgelaufen ist, die genauso lang war wie die höchste Strafe.
(5) Die Verjährung beginnt mit Rechtskraft der Entscheidung oder an dem Tag, an dem die Vollstreckung aus einem Grund unterbrochen wird. Die Dauer wird nach der verbleibenden Strafe berechnet.
Unterbrechung der Strafverjährung § 71
(1) Die Verjährung wird durch die Zustellung, die laut Gesetz von der zuständigen Behörde zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe an den Verurteilten erfolgt, unterbrochen. Auch bei der Festnahme des Verurteilten zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird die Verjährung unterbrochen.
(2) Begeht eine verurteilte Person vorsätzlich eine Straftat, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren bedroht ist, wird die Verjährung unterbrochen.
Verjährungen nach dem Pressegesetz
Bei Pressedelikten gelten sowohl nach dem alten als auch dem neuen Pressegesetz besondere kurze Verjährungsfristen. Wegen dieser kurzen Fristen sind Presseartikel, die in Asylverfahren vorgelegt werden, aus strafrechtlicher Sicht oftmals gar nicht mehr von Belang.
Das alte Pressegesetz Nr. 5680 vom 15.7.1950 i.d.F. des Gesetzes Nr. 4778 vom 02.01.2003 regelt in 44 Artikeln und fünf Zusatzartikeln Grundzüge des türkischen Presserechts. Pressedelikte unterlagen danach einer verjährungsartigen Sonderregelung (Art. 35). Diese Frist betrug bei Tageszeitungen sechs Monate und bei sonstigen Druckwerken ein Jahr. Nach Ablauf dieser Frist konnte keine Anklage wegen eines Pressedelikts mehr erhoben werden. Die Frist begann mit der Übergabe der Druckschrift an die Staatsanwaltschaft, die gemäß Art. 12 am ersten Werktag nach der Drucklegung zu erfolgen hatte (Art. 35 I). Wurde der Autor eines Textes oder einer Zeichnung von dem verantwortlichen Redakteur erst später benannt, so begann die Frist für den Autor mit dem Tage dieser Bekanntgabe (Art. 35 ll). Diese kurze verjährungsähnliche Frist galt nicht nur für die Straftaten des Pressegesetzes, sondern auch für andere Straftaten, die durch Presseorgane begangen wurden, das waren vor allem Meinungsäußerungsdelikte.
Am 09.06.2004 (veröffentlicht am 26.06.2004) wurde ein neues türkisches Pressegesetz (Gesetz Nr. 5187) mit 32 Artikeln verabschiedet. In die Vorberatungen waren Verbände und die EU-Kommission mit einbezogen. Hierbei wurden auch Ausnahmetatbestände bei der Einschränkung der Pressefreiheit konkretisiert. Das neue Pressegesetz wurde zunächst auch von Journalistenverbänden begrüßt, die jedoch im März 2005 massive Kritik gegen ihrer Ansicht nach auch im neuen tStGB und im Pressegesetz bestehende Einschränkungen der Pressefreiheit übten. Diese Kritik trug mit dazu bei, dass Strafverschärfungen bei Begehung von Meinungsdelikten mittels Presseorganen weitgehend zurückgenommen wurden.38
Die Verjährungsvorschriften nach dem neuen Pressegesetz lauten wie folgt:
Trial Periods
Article 26 - It is essential that cases of crimes entailing the use of printed matter or other crimes mentioned in this law should be opened within a period of two months for daily periodicals and six months for other printed matter.
This period begins with the delivery of the printed matter to the Office of the State Chief Prosecutor. If the material is not submitted, the beginning date of the above-mentioned periods is the date when the Office of the State Chief Prosecutor ascertains the action which constitutes the crime. However, these periods cannot exceed the periods stipulated by Article 102 of the Turkish Penal Code.
The period for the case to be opened against individuals who had material published despite the objection of the responsible editor and the editor working beneath him/her begins when the decision acquitting the responsible editor and the editor working beneath him/her becomes final.
If the responsible editor discloses the identity of the owner of the publication, the period for the case to be opened against the owner of the publication begins with the date when the disclosure is made.
The period to open a case concerning crimes the legal proceedings of which are based on complaints begins when the date the crime is committed is ascertained, provided that the prescription envisaged by the law is not exceeded.
Regarding crimes for which permission or a decision to open a public case is needed, the period to open a case ends when the application is made. This process cannot exceed two months.