Haltung der türkischen Gerichtsbarkeit zur Folter

From B-Ob8ungen
Jump to navigation Jump to search

Prof. Dr. Mehmet Semih Gemalmaz

DIE HALTUNG DER TÜRKISCHEN GERICHTSBARKEIT GEGENÜBER DER FOLTER [1]

EINLEITUNG

Umfang der Arbeit, Herangehensweise und Methode

Der Gegenstand dieser Arbeit ist die Darlegung und Bewertung der jurisprudenziellen Standards, die im Zusammenhang mit der Verhinderung von Folter und den ihr nahe kommenden Formen von Mißhandlungen von der auf richterlichen Urteilen fußenden türkischen Rechtssprechung hervorgebracht wurden und werden.

Die Darlegung wird anhand von einigen aufschlußreichen Beispielen aus einer Vielzahl von Vorfällen erfolgen. Es soll dabei auf eine chronologische Abfolge geachtet werden.

Die Bewertung erfolgt in Bezug auf die Analyse des Vorfalls im Lichte der nationalen Rechtssprechung zum Thema und durch Aufzeigen der Dimensionen des Urteils. Die dabei angewandten Maßstäbe beruhen auf den von der übernationalen Menschenrechts-Rechtssprechung festgelegten und hervorgebrachten Standards.[2]

Absicht ist, auf diesem Wege die Schwächen, Lücken und Mängel der nationalen Rechtssprechungs-Standards gegenüber den internationalen Standards aufzuzeigen. Auf diese Weise soll dem türkischen Richter eine Anleitung gegeben werden, welchen Weg er zu beschreiten hat, oder aber wenigstens ihm die Möglichkeit dazu bieten, einen solchen Weg zu beschreiten.

Diese Arbeit wird sich der Regel unterwerfen, in den Grenzen der juristischen Wissenschaft zu bleiben, aber sieht ebenso vor, daß die Resultate auch einen Einfluß auf die Politik haben. Dieses Resultat ist in gewisser Weise das Ergebnis der politisch-juristischen Besonderheit der Menschenrechte. Daher werden in der Arbeit die Grundcharakteristika der übernationalen Menschenrechts-Rechtsprechung[3] im Hintergrund wirksam sein.

Bei der Beobachtung und Analyse der Praxis von Gerichtsurteilen muß zunächst einmal als notwendige Voraussetzung das normative Gerüst des türkischen Rechtssystems in Bezug auf das Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung festgestellt werden. In diesem Rahmen werden die Verfassung und die entsprechenden Bestimmungen des türkischen Strafgesetzbuches berücksichtigt werden.

Selbst wenn die von der nationalen Rechtssprechung insbesondere nach 1980 hervorgebrachte jurisprudenzielle Handeln zum Verbrechen der Folter sowohl in der Doktrin als auch im Rahmen der Menschenrechte kritisiert wurde,[4] so existiert auf diesem Gebiet immer noch keine Bewertung, die unter Grundlegung der universellen Standards eine systematische Ganzheit bietet. Die Lücke auf diesem Gebiet, die als konkrete Realität existiert, sollte baldmöglichst geschlossen werden. Die Lücke ist nämlich nicht nur in der Doktrin sichtbar. Da die Beschlüsse der oberen Rechtssprechung an diesem Punkt noch keine Klarheit und stabile, rechtliche Reife erreicht haben, wirkt dies in Richtung auf eine Ausweitung des Problems.[5]

Ein anderes Thema, das eine Vorbemerkung verdient, bezieht sich auf die Art von Lehrmeinung, die dieser Arbeit bei der Untersuchung der zum Verbrechen der Folter geschaffenen Jurisprudenz zugrund gelegt wird. Bei dieser Feststellung muß zunächst auf den Dualismus von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Regimen (Normalzustand-Ausnahmezustand) hingewiesen werden, sodann geht es um die Bewertung des Dualismus von ziviler und militärischer Rechtssprechung. Diese Arbeit wird sich auf die Urteile unter gewöhnlichen und zivilen Regimen konzentrieren und das Thema darauf begrenzen.

Zweifellos müßte die Rechtssprechung unter Notstandsregimen gesondert untersucht werden. Allerdings besteht hier eine Besonderheit, die nicht aus dem Auge gelassen werden darf. Auch die Rechtssprechung unter Notstandsregimen muß legitimiert sein und einem Rechtsstaat entsprechen. In der Türkei aber ist insbesondere in der Zeit nach den Staatsstreichen von einem de facto Regime und seiner Rechtssprechung auszugehen. Selbst wenn dieses Regime den Anschein erweckt, als würde es de jure die Begriffe, Institutionen und Handlungsweisen eines Notstandsregimes benutzen, so trägt es im Kern dennoch die Charakteristika eines de facto Regimes. Wie schon in einigen oben aufgeführten Arbeiten zu sehen war, wurden die Urteile der Rechtssprechung bei einer Analyse der Doktrin ohne eine Kategorisierung nach de jure und de facto Normen untersucht. Diese Nachläßigkeit muß als Möglichkeit gesehen werden, daß sich eine Tür auftut, um eine ernste Verlagerung des Schwerpunktes zu bewirken. Denn die Rechtssprechung eines de-facto Regimes entspricht nicht einer de jure Rechtssprechung eines Notstandsregimes.[6]

Deshalb muß man bei der Untersuchung des Urteilspraxis gegenüber der Folter und anderen Formen von Mißhandlungen in der Türkei neben der Rechtssprechung von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Regimen auch noch die Rechtssprechung von de facto Regimen als dritte Kategorie heranziehen. Dieses Gebiet ist jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit.

DAS NORMATIVE GERÜST DES FOLTERVERBOTS

Die Ebene der Verfassung

Die Verfassung von 1876

Nach dem Grundgesetz vom 23. Dezember 1876 war laut Artikel 26: ”Folter und jegliche sonstige Quälerei absolut und total verboten.”[7]

Die Verfassung von 1924

Nach dem Artikel 73 des Grundgesetzes vom 20. April 1924 war ”Folter, Quälerei, Beschlagnahme und Zwangsarbeit verboten.”[8]

Die Verfassung von 1961

In der Verfassung vom 9. Juli 1961 war es nach den Bestimmungen im Artikel 14/III und IV ”verboten, jemanden zu quälen oder zu foltern; (bzw.) eine Strafe zu erteilen, die mit der Würde des Menschen unvereinbar ist.”[9]

Die Verfassung von 1982

In der Verfassung vom 7. November 1982 heißt es im Artikel 17/II und III: ”Die Unversehrtheit des Körpers einer Person darf mit Ausnahme von medizinischen Notwendigkeiten und den im Gesetz festgelegten Fällen nicht berührt werden; ohne Einwilligung darf sie keinen wissenschaftlichen oder medizinischen Versuchen unterworfen werden, niemand darf gefoltert oder gequält werden, niemand darf einer Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden, die mit der Würde des Menschen unvereinbar ist.”[10]

Die Ebene der Gesetze

Paragraph (§) 243 des türkischen Strafgesetzbuches (TSG) in der ursprünglichen Form

Das Vergehen, das im TSG vom 01.03.1926 mit der Nummer 765[11] im § 243 ausgeführt wurde, war bis zu seiner Änderung im Jahre 1961 folgendermaßen formuliert:

”Wenn Gerichte und Versammlungsleiter und Beisitzer oder andere Regierungsbeamte eine verdächtigte Person foltern, damit sie eine Straftat eingestehen, werden sie mit bis zu fünf Jahren Zuchthaus und einem lebenslänglichen oder temporären Ausschluß als Beamter bestraft.

Selbst wenn dies von untergeordneten Beamten auf Befehl oder Anstiftung von übergeordneten Vorgesetzten begangen wurde, schützt dies nicht vor Strafe.

Die Vorgesetzten werden bei der Straftat als sekundäre Helfershelfer (Komplizen) betrachtet.

Wenn die gefolterte Person deswegen stirbt, wird der Täter nach § 452 bestraft[12] Wenn die Folter dazu führt, daß eine Extremität bewegungsunfähig wird oder nicht mehr benutzt werden kann, oder es zu sonstiger dauernder Invalidität oder Schändlichkeiten führt, wird der Täter nach dem § 456 bestraft.”[13]

Die Änderung des § 243 des TSG von 1961

Mit dem Gesetz Nr. 235 vom 05.01.1961[14] wurde der § 243 des TSG geändert. Diese Änderung war mit Stichtag vom 01.12.1992 in Kraft. Dem

§ 243 zufolge: ”Wenn Gerichte und Versammlungsleiter und Beisitzer oder andere Regierungsbeamte eine verdächtige Person foltern oder andere grausame oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anwenden, damit sie eine Straftat eingesteht, werden sie mit bis zu fünf Jahren Zuchthaus und einem lebenslänglichen oder temporären Ausschluß als Beamter bestraft.

Wenn als Resultat der Straftat der Tod eintritt, wird nach § 452, in dem übrigen Fällen nach § 456 die Strafe um ein Drittel angehoben.”

Der § 245 in seiner ursprünglichen Version

Wie der § 243 wurde auch der § 245 nur einmal im Jahre 1961 geändert. In seiner ursprünglichen Version lautete der Paragraph folgendermaßen:

”Vollstreckungsbeamte und allgemeine Polizeibeamte sowie sonstige Vollstreckungsbeamte, die in Ausübung ihres Dienstes oder bei Ausführung des Befehls eines Vorgesetzten einen anderen rechtswidrig behandeln oder mißhandeln oder schlagen oder verletzen, werden mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren und mit temporären Verlust der Amtsfähigkeit bestraft. Ist dabei eine strafbare Handlung schwerer Art begangen worden, so wird die für das schwerere Vergehen festgesetzte Strafe um ein Drittel erhöht.”

Die Änderung des § 245 von 1961

Nach der Änderung durch das Gesetz Nr. 235 vom 05.01.1961 hat der § 245 des TSG folgende Form angenommen:

”Vollstreckungsbeamte und allgemeine Polizeibeamte sowie sonstige Vollstreckungsbeamte, die in Ausübung ihres Dienstes oder bei Ausführung des Befehls eines Vorgesetzten einen anderen rechtswidrig behandeln oder mißhandeln oder schlagen oder verletzen, werden mit Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren und mit temporärem Verlust der Amtsfähigkeit bestraft. Ist dabei eine strafbare Handlung schwerer Art begangen worden, so wird die für das schwerere Vergehen festgesetzte Strafe um ein Drittel bis zur Hälfte erhöht.”

ANALYSE DER NORM DES FOLTERVERBOTS

Wenn die Elemente der im § 243 festgelegten Straftat der Folter analysiert werden, können folgende Fesstellungen getroffen werden:[15]

Der Täter

Täter können Gerichte Versammlungsleiter und Teilnehmer und sonstige Regierungsbeamte sein. Die hier angesprochenen Staatsbeamten sollten Personen sein, die befugt sind, Verhöre durchzuführen. Im türkischen System haben Ordnungsbeamte, Staatsanwaälte und Richter diese Befugnis.

Die Opfer

Die Opfer sind Personen, die in der Ausdrucksweise des Gesetzes die Verdächtigen einer Straftat sind.

Materielle Elemente der Straftat

Bei den Aktionen, die als Vergehen definiert sind, handelt es sich um folgende:

  • Folter
  • grausame Behandlung
  • unmenschliche Behandlung
  • erniedrigende Behandlung

Das ideellle Element der Straftat

In dem Paragraphen wird der besondere Vorsatz, auf das Eingeständnis einer Straftat gerichtet zu sein, als Kondition genannt.

Sanktion für die Straftat

Wenn das Opfer als Resultat einer solchen Aktion nicht stirbt, werden bis zu 5 Jahren Zuchthaus und ein lebenslänglicher oder vorübergehenden Ausschluß vom Beamtenstatus als Strafe erlassen (§ 243/I TSG).

Wenn das Opfer als Resultat der Aktion stirbt, wird die Strafe nach § 452 TSG erteilt und diese Strafe wird um ein Drittel bis zur Hälfte angehoben (nach § 243/II).

Wenn das Opfer wegen der Aktion den in § 456 TSG definierten Folgen ausgesetzt ist, wird die Strafe nach den Bestimmungen des § 456 TSG) erteilt und um ein Drittel bis zur Hälfte angehoben (nach § 243/II).

Bewertung der Elemente der Norm

§ 243 TSG definiert als Vergehen und stellt unter Strafe, was nach Artikel 17 der Verfassung von 1982 als Norm des Folterverbots bestimmt wurde.

Wenn der § 243 TSG, der sich auf das Verbrechen der Folter bezieht mit den Standards der übernationalen Menschenrechts-Rechtssprechung[16] verglichen wird, ergeben sich schwerwiegende Mängel und Unzulänglichkeiten.

In den allgemeinen Dokumenten zu den Menschenrechten (hierzu zählen, die seit 1953 gültige Europäische Menschenrechtskonvention, der die Türkei seit 1954 angehört; die Amerikanische Menschenrechtskonvention, die 1978 in Kraft traft und die 1986 Rechtskraft erlangende Charta der Afrikanischen Menschen- und Völkerrechte, sowie die 1976 in Kraft getretene UN-Konvention zu bürgerlichen und politischen Rechten; des weiteren die Universelle Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948 sowie die Amerikanische Erklärung der Menschenrechte und -pflichten aus dem gleichen Jahre) wurden in den entsprechenden Vorschriften folgende das Thema betreffenden Fälle verboten.

Folter
1.grausame Behandlung
2.grausame Strafe
3.unmenschliche Behandlung
4.unmenschliche Strafe
5.erniedrigende Behandlung
6.erniedrigende Strafe

In der erwähnten allgemeinen Dokumenten wurden allerdings die sieben Fälle, die dem Verbot unterworfen sind, nicht gesondert definiert. Dies korrespondiert mit dem Fehlen einer Definition in der nationalen Norm. Bei den erwähnten Dokumenten handelt es sich jedoch um Texte, die eine Liste der Menschenrechte und -freiheiten aufführen. Es entspricht der Erstellungstechnik solcher Dokumente, daß nicht zu jedem Verbot ein Definitionsversuch unternommen wird. In dieser Hinsicht ist es natürlich, daß sie sich von der Schreibtechnik einer nationalen Rechtsnorm unterscheiden. Im Ergebnis kann gesagt werden, daß die 4 Verbotskategorien, die der bestehende § 243 TSG beinhaltet, mit den 7 Verbotskategorien der erwähnten Dokumente in Einklang gebracht werden und in diesem Zusammenhang auch eine Einheit der Terminologie hergestellt werden sollte.

Zweitens ist der § 243 TSG im Hinblick auf die Formulierungen des Folterverbots in den Menschenrechtsdokumenten, die in der übernationalen Menschenrechts-Rechtsprechung auf die Verhinderung der Folter abzielen (hierbei sollte an die seit 1987 in Kraft befindliche UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche Behandlung und Strafe -die Türkei trat dieser Konvention im Jahre 1988 bei- und die Amerikanische Konvention zur Verhinderung von Folter, die im Jahre 1987 in Kraft trat, erinnert werden; die Europäische Konvention zur Verhinderung der Folter, die im Jahre 1989 in Kraft trat und der die Türkei als Partei angehört, wäre ebenfalls zu nennen; da hier aber keine Definition vorgenommen und sich diese Konvention auf die Strukturierung der Mechanismen und Prozeduren zur Verhinderung der Folter konzentriert, wurde sie hier außer Acht gelassen), unzureichend.

Um einen beispielhaften Vergleich durchzuführen, ist es sinnvoll, auf die Elemente der Definition der Folter einzugehen, wie sie im Artikel 1 der UN-Konvention zur Verhinderung der Folter vorgenommen wird. Demzufolge ist 1. die Folter eine Handlung
2. diese Handlung fügt schwere (gewaltige) Schmerzen und Leiden zu
3. die Folgen dieses Handels können auf physischer und psychischer Ebene zutage treten
4. diese Handlung muß vorsätzlich (wissentlich und willentlich) begangen werden
5. die Ziele dieser Handlung können folgende sein:

a. Informationen oder Geständnisse direkt vom Opfer oder über eine dritte Person zu erhalten
b. direkt das Opfer oder eine dritte Person zu bestrafen, weil sie unter dem Verdacht einer Straftat steht
c. direkt das Opfer oder eine dritte Person einzuschüchtern oder gefügsam machen
d. sie kann auf irgendeinem Grund fußen, der auf irgendeiner Form der Diskriminierung beruht

6. die Handlung kann von einem öffentlich Bediensteten oder einer anderen Person vorgenommen werden, die im offiziellen Auftrag handelt
7. die bezeichneten Personen können diese Handlungen unmittelbar ausführen oder verwirklichen, indem sie zu solchen Handlungen aufstacheln oder sie dulden oder sie befürworten und sich nicht dagegen wenden
8. mit der in dieser Definition aufgeführten Terminologie von Schmerzen und Leiden sind die Schmerzen und Leiden nicht erfaßt, die nur durch die der Rechtssprechung entsprechenden Sanktionen oder die in diesen Sanktionen auftretenden Mißstände hervorgerufen werden.
9. die Opfer dieser Handlung sind reale Personen, allerdings können auch Gemeinschaften von Menschen, Gruppen oder Völker zu Opfern werden.

Drittens wurde das Folterverbot in den Menschenrechtsdokumenten als absolut eingeführt. Das bedeutet, wie extrem auch immer, es kann unter keiner Ausnahmebedingung verletzt werden. Es ist offensichtlich, daß neben der Bestimmung des TSG auch die Norm der Verfassung unter diesem Blickwinkel erneut einer Überprüfung unterworfen werden sollte.

Viertens hat in der Festlegung der Standards der Menschenrechts-Rechtsprechung die Bestrafung des Verbrechens der Folter gemäß der Schwere der Handlung seinen Eingang gefunden. Es wird angebracht sein, die Strafen des § 243 TSG unter dieser Betrachtung erneut festzulegen. Dieser Punkt wird besonders deutlich, wenn man sich die Praxis der Urteile der türkischen Gerichte, die weiter unter näher in Betracht gezogen werden, anschaut.

DAS FOLTERVERBOT IN DER PRAXIS DER TÜRKISCHEN GERICHTE

In diesem Abschnitt wird zuerst die verfassungsrechtliche Praxis und danach die Praxis der Urteile des Kassationsgerichtshofes an Beispielen untersucht.

VERFASSUNGSRECHTLICHE PRAXIS

In der Zeit der Gültigkeit der Verfassung von 1961 wurden in Bezug auf das in der Verfassung enthaltene Folterverbot drei typische Urteile gefällt.

Urteilsbeispiel 1: Der Fall von Haftstrafen bei Wasser und Brot[17]

In seinem Urteil vom 27.12.1965[18] hat das Verfassungsgericht die Auffassung, daß die Strafbestimmung im militärischen Strafgesetz von Einzelhaft bei Wasser und Brot gegen die Norm des Artikel 14 der Verfassung, die vorsah, daß ”niemand gequält oder gefoltert werden darf; niemand darf eine Strafe erhalten, die mit der menschlichen Würde nicht vereinbar ist”, verstoße, zurückgewiesen.

Zu diesem Resultat kam das Verfassungsgericht aufgrund folgender Bewertungen: ”Die Einzelhaft bei Wasser und Brot ist eine dem Militärdienst eigene Strafe, die aus den Bedürfnissen des Militärdienstes und den Besonderheiten dieser Gemeinschaften hervorgegangen ist”. Weiter heißt es: ”Jede Strafe wird dem Bestraften Schmerzen zufügen. Dies ist ein Teil der Zielsetzung bei Bestrafung.. Es wird in der Institution des Militärs, die moralisch unterschiedliche Personen in seinen Reihen hat, immer Personen geben, die die Einzelhaft als vorteilhaft ansehen, um sich dem Dienst zu entziehen und die nur durch die Bestrafung mit (der Beschränkung auf) Wasser und Brot zur Vernunft gebracht werden können.” Das Verfassungsgericht betonte außerdem, daß in einem Land, in dem Brot für die Mehrheit der Bevölkerung leider das Grundnahrungsmittel darstellt, es nicht als realistische Ansicht betrachtet werden kann, es als Qual und Folter zu bezeichnen, wenn ein Bestrafter drei Tage lang nur mit Brot auskommen muß.” Und schließlich hat das hohe Gericht bestimmt: ”Wenn diese Strafe dem Begriff der menschlichen Würde gegenübergestellt wird, so kann es nicht als eine dem Menschen aus seiner Existenz als Mensch nicht zustehende erniedrigende Behandlung bezeichnet werden, wenn er in einem einzelnen Zimmer unter gesundheitlichen Bedingungen, geheim und allein (seine Strafe) absitzt und die Strafe nicht darüber hinausgeht, als das für die Ernährungsdisziplin in den Gefängnissen gewöhnliche Ausmaß für kurze Dauer ein wenig einzuschränken.”

Beispielsurteil 2: Der Fall der Ankettung von Häftlingen

In einem anderen Urteil des Verfassungsgerichtes vom 15.06.1967[19] hat das Gericht die Bestimmung des § 116 aus der Strafprozeßordnung (StPO), demnach Untersuchungshäftlinge angekettet werden können als verfassungswidrig eingestuft.

Dem Gericht zufolge gibt es in den Strafbestimmungen keine Strafe der Ankettung oder des ”an den Pranger stellen”s und es wurde nicht aufgezeigt, wie die Ankettung zu erfolgen habe. Aus diesem Grunde könne es bei der Anwendung dieser Maßnahme in den Straf- und Untersuchungshaftanstalten zu verschiedenen Formen kommen und bei der Form der Anwendung könne diese Maßnahme die Form der Folter annehmen. Das Verfassungsgericht führte außerdem folgende Argumente für sein Urteil ins Feld: ”Es widerspricht den allgemeinen Strafgrundsätzen und dem Verständnis der Rechtssprechung, wenn eine harte Maßnahme, die in der Praxis die Form von Qual und Folter annehmen kann, als eine Sicherheitsmaßnahme fortgeführt wird, wenn außerdem die Formen der Anwendung nicht aufgezeigt sind.”

Beispielsurteil 3: Der Fall von Aufbewahren von zugelassenen Waffen in Vereinen

In einem neueren Urteil des Verfassungsgerichtes vom 06.04.1971[20] hat das Gericht folgende Ansichten zum Ausdruck gebracht: ”Zum Recht auf Leben, auf die Entwicklung der materiellen und ideellen Existenz und der persönlichen Freiheiten, die unter den Grundrechten und -freiheiten führend sind, hat der Erlasser der Verfassung (in Artikel 14/1), der den Schutz dieser Werte abgesichert hat, mit den allgemeinen Prinzipien zu diesen Rechten und Pflichten, die er im 2. und 3. Absatz festgelegt hat, betont, daß diese Rechte, die er mit der Unversehrtheit und Freiheit der Person ausgedrückt hat, nicht absolut sind und verboten, daß andere Strafen erteilt werden, die Qual und Folter (entsprechen) und mit der Menschenwürde nicht vereinbar sind.”

In diesem Urteil hat das Verfassungsgericht seine Ansichten zu den Eigenschaften von Strafe wie im Beispielsurteil 1 erwähnt wiederholt.

Die Zeit der Verfassung von 1982

Bislang gibt es noch kein Beispiel eines Urteils des Verfassungerichts, daß nach Inkrafttreten der Verfassung zur Bestimmung des Folter- und Quälverbot im Artikel 17 der Verfassung ergangen wäre.

Bewertung der Urteile des Verfassungsgerichtes

Es ist zweifellos sehr schwer, die hier beispielhaft aufgeführten Urteile des Verfassungsgerichtes mit dem Verständnis von Menschenrechten in Einklang zu bringen. Insbesondere das Urteil zu der Haftstrafe bei Wasser und Brot und die dazu vorgebrachten Argumente sind so offensichtlich (menschenrechtswidrig), daß sie keines Kommentars bedürfen. Wenn das hohe Gericht diese Strafe als eine Notwendigkeit (Bedürfnis) qualifiziert, unterstreicht, daß jede Strafe darauf ”abziele, daß der Bestrafte Schmerzen empfindet, uns einer Herangehensweise gegenüberstellt, daß ”mit dieser Strafe solche Leute zur Vernunft gebracht werden”, eine Strafe die nur mit Brot und Wasser vollstreckt wird als eine Sanktion ”unter gesunden Bedingungen” bezeichnet, und daher diese Strafe als verfassungskonform hinstellt, die negativen Seiten mit dem Hinweis darauf, daß ”Brot das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung ist”, als unwichtig hinstellt, diese Strafe, die mit Wasser und Brot für jeweils drei Tage vollstreckt wird, als ”kleine Einschränkung der normalen Ernährungsgewohnheiten” bezeichnet, widerspricht dies nicht nur den Standards der Menschenrechts-Rechtsprechung, sondern ist gleichzeitig unwissenschaftlich und verletzt die ethischen Gefühle.[21]

Während das zweite Urteil im Hinblick auf das Ergebnis positiv ausfällt, so ist es doch aus einigen Aspekten heraus einer besonderen Betrachtung wert. Auf der einen Seite wurde dieses Urteil mit sieben Gegenstimmen gefällt (d.h. diese Stimmen betrachteten eine solche Maßnahme als verfassungskonform) und fiel damit äußerst knapp aus. Zweitens findet sich in den Begründungen des Gerichts ein entartetes Verständnis. Denn das Anketten wurde nicht an sich als Verstoß gegen die Menschenrechte betrachtet, es wurde nur deshalb als verfassungswidrig bezeichnet, weil es bei der Anwendung zu Qualen und Folter kommen kann, da ”die Art der Anwendung nicht aufgezeigt wurde”.

Im Prinzip hat das Verfassungsgericht in einigen Urteilen, die nicht direkt im Zusammenhang mit dem Folterverbot gefällt wurden, bewiesen, daß es ein Verständnis der Menschenrechte nicht verinnerlicht hat. So hat das Verfassungsgericht in einem Urteil vom 01.07.1963[22] die Ansicht der Verfassungswidrigkeit der Todesstrafe zurückgewiesen und (einstimmig) Verfassungskonformität festgestellt und dabei auf die Ausnahmeregelung des im Artikels 2 der Europäischen Menschenrechtserklärung festgelegten Rechts auf Leben hingewiesen. Dies ist sicherlich ein selten anzutreffendes Beispiel und das Bemühen, einem Menschenrechtsdokument eine Funktion aufzuerlegen, die ihrer Existenzlogik und ihrem -grund entgegengesetzt ist. Es zeigt zweifellos, daß dieses Dokument der Menschenrechte nicht verstanden wurde.

DIE PRAXIS DER RECHTSSPRECHUNG DES KASSATIONSGERICHTSHOFES

In diesem Abschnitt werden die Urteile des Kassationsgerichtshofes in chronologischer Reihenfolge beispielhaft aufgeführt. Aus diesem Grunde müssen bei den gefällten Urteilen die jeweils gültigen Normen berücksichtigt werden.

Der Zeitraum, in dem der § 243 in seiner ursprünglichen Form in Kraft war (1926-1961)

Beispielsurteil 1: 14.04.1946

”Bei dem Vorfall während der Ermittlungen kam es zu Schlägen und Folter, damit das Vergehen eingestanden wurde und dabei zum Tode. Obwohl hierdurch der § 452 im Zusammenhang mit dem § 243 des TSG zur Anwendung kommen sollte, ist es unangebracht die Strafe außerdem nach § 252 anzuheben.”[23]

Beispielsurteil 2: 19.01.1949

In diesem Urteil, das von der Kammerversammlung im Jahre 1949 erging, wurden folgende Bewertungen vorgenommen: ”da die Auswirkungen des Getanen bei dem Geschädigten nicht durch ein Attest belegt wurden und der Geschädigte keinen (ärztlichen) Bericht erlangte und er sagte, daß er einige Tage auf der Wache festgehalten und aufgrund der Behandlung gesund wurde, kann eine Heilung in vier oder fünf Tage nicht über das Maß von Qual und Mißhandlung hinausgehen, so daß der Begriff der Folter in Sinn und Bedeutung mit Ausnahme der Körperverletzung (Mißhandlung) durch Schlaflosigkeit und das Entfernen von (Finger-, Fuß)nägeln nicht als solcher angemessen war. Deshalb wurde der Urteil zurückverwiesen. Aufgrund der erneuten Verhandlung ergab sich:

Da zwischenzeitlich ein Zeitraum verstrichen war und obwohl bei dem Geschädigten die Schäden verschwunden sind, kam das Gericht zu der Gewissens-Überzeugung, daß die Angeklagten den Geschädigten zum Zwecke, eine Straftat zu gestehen, auf den Boden warfen und ihn schlugen, bis er ohnmächtig wurde. Damit hat die Art des Vergehens und die Auswirkungen auf den Geschädigten die Qualität von Folter erlangt. Somit beharrte das Gericht (1. Instanz) auf dem ursprünglichen Urteil. Nach (Revisions)Prüfung durch die Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes ergab sich:

Nach dem Inhalt der Prozeßprotokolle und den in der Akte befindlichen Dokumenten trug sich der Vorfall so wie das örtliche Gericht feststellte in der Form zu, daß Folter angewandt wurde, um eine Straftat einzugestehen. Es wurde daher beschlossen, das Urteil, auf dem das Gericht beharrte mit Stimmenmehrheit zu bestätigen.”[24]

Urteilsbeispiel 3: 12.06.1956

Das Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 12.06.1956 hat für die Definition der Folter eine Vorreiterrolle. Dem Gericht zufolge ist ”Folter mehr als eine niederträchtige Körperverletzung und der Einfluß auf den Geschädigten mit Schmerz und Qual und noch brutaler, in der Entstehungsweise und -wie akzeptiert- mit den Handlungen von Hasan, Kamer und Aziz mit Schlägen durch Knüppel und Händen wurde eine Strafe erteilt, ohne auf das im § 243 festgelegte Element des Verbrechens einzugehen.”[25]

Die Zeit nach der Veränderung des § 243 im Jahre 1961 bis heute

Beispielsurteil 1: 13.01.1970

Bei dem Vorfall, der dem Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 13.01.1970 zugrundelag, hatten die Angeklagten (der Bürgermeister und der Leiter der stadtlichen Ordnungskräfte) eine Person, die sie im Verdacht hatten, Güter der Stadt gestohlen zu haben, geschlagen und ihr heiße Eier unter die Achselhöhlen getan, damit sie das Verbrechen gestand. Das auf einem Mehrheitsbeschluß fußende Urteil sah die Anwendung des § 243 TSG vor. In der abweichenden Meinung wurde vorgebracht, daß diese Vorschrift nicht angewendet werden könne, weil die Angeklagten keine Befugnis zum Verhören hatten. Die abweichende Meinung hat in der Doktrin Zuspruch gefunden.[26]

Beispielurteil 2: 15.09.1970

In einem anderen Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes kam man zu dem Schluß, daß ”wenn der Beamte nicht das Eingestehen eines Vergehens, sondern Informationen zu einem Beweismittel für eine Straftat (im Auge hat), wenn er Mißhandlungen vornimmt, der § 245 TSG angewendet werden muß”. Dem Kassationsgerichtshof zugolge ”... ist die im § 243 beschriebene Absicht bei Folter und grausamer Behandlung eine Handlung, die dem Geschädigten in seiner körperlichen und seelischen Verfassung Schaden zufügen oder eine Gefahr heraufbeschwören will.”[27] Da dieses Urteil in der Lehre kritisiert wurde[28] wurde es in späteren Urteilen des Kassationsgerichtshofes überwunden und akzeptiert, daß Mißhandlung (Folter, um) Informationen über ein Beweismittel zu erlangen, im Rahmen eines ”Geständnisses einer Straftat” zu sehen sei.

Beispielurteil 3: 06.10.1976

In seinem Urteil vom 06.10.1976 hat die 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes folgende Bewertung vorgenommen. Bei dem Vorfall hatten Gendarmen unter dem Befehl und Aufsicht ihrer Vorgesetzten den Geschädigten der Bastonade unterworfen (ihn hingelegt und auf die Sohlen der Füße geschlagen). Der Kassationsgerichtshof hat diese Handlung mit folgenden Worten als Folter bewertet: ”Angesichts der Tatsache, daß die Folter am Geschädigten darauf gerichtet (war), ein Geständnis und Beweismittel für das Vergehen zu erhalten, muß daran gedacht werden, daß diese Handlung den Elementen des § 243 TSG entspricht.”[29]

Beispielurteil 4: 22.03.1976

In einem Urteil der Kammerversammlung vom 22.03.1976 wurde bestätigt, daß ein vorinstanzliches Gericht auf einer Verurteilung nach § 243 TSG bestanden hatte.

Dem Kassationsgerichtshof zufolge mußten die Handlungen des bediensteten Polizisten, der die verdächtigten Personen in den Zellen der Wache vollständig entkleidet hatte, sie mit Wasser übergossen und mit einem Knüppel geschlagen hatte, ansetzte, ihnen einen Knüppel in den After zu stecken und die Körper mit Einschluß des Bauchbereiches durch Zigarettenfeuer zu verbrennen, um ihre Verbrechen einzugestehen, den Tatort zu zeigen und Beweismittel festzustellen, als Aktion betrachtet werden, die zur Folter, grausamer Behandlung und Ehrenverletzung nach § 243 TSG gereichten. Diese Aktionen können nicht als die im § 245 TSG beschriebene Mißhandlung oder körperliche Qualen oder Schlagen oder Verletzungen akzeptiert und bewertet werden.”[30]

Dieses Urteil der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes wurde mit Mehrheit gefällt. Die Gerichtsmitglieder, die sich gegen das Urteil wandten, haben die konkreten Aktionsformen als Mißhandlung eines Individuums angesehen, wie sie im § 245 TSG beschrieben ist.

Beispielurteil 5: 19.06.1981

Die 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes hat in seinem Urteil vom 15.06.1981 die wesentlichen Elemente zur Unterscheidung des § 243 von den § 228 und 245 TSG folgendermaßen festgelegt:

1. Es muß einen Verdächtigen geben, gegen den eine strafrechtliche Ermittlung eingeleitet wurde.
2. Diesem Verdächtigen muß durch den Gerichtsvorsitzenden, seinen Mitgliedern oder von Regierungsbeamten Folter oder ehrenverletzende Behandlung zugefügt werden, um ihn zum Geständnis seiner Straftat zu bringen. In diesem Fall handelt es sich nicht um irgend jemand, dem Gewalt zugefügt wird, sondern um einen (schuldigen)[31] Verdächtigen.

In diesem Fall kam der Kassationsgerichtshof zu dem Schluß, daß ”das Ergebnis des Tatvorwurfs des Diebstahls, wie es in dem von den Angeklagten, den Gefreiten der Gendarmerie, Kamil Akyan und Halis Sener unterschriebenen Protokoll aufgeführt ist, untersucht wird und die Absicht und Einstufung des Verbrechens des Angeklagten, der demzufolge den Geschädigten Orhan Yasar auf der Wache schlug, so daß er zwei Tage lang nicht arbeiten konnte, erneut bewertet werden”. Da ”auf diese Weise die Revisionsgründe des Angeklagten als zutreffend betrachtet wurden,” wurde das Urteil aufgehoben.[32]

Beispielurteil 6: 19.06.1981

Am gleichen Tag fällte die 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes ein Urteil in einem anderen Fall, in dem ”es um Folter, grausame, unmneschliche und ehrenverletzende Behandlung ging, um einen Verdächtigen zum Geständnis einer Straftat zu bewegen”. Die gleichen Maßstäbe wurde angelegt und gefolgert, daß wenn ein Verdächtiger drei Tage lang in einer Zelle gehalten wird, damit er sein Verbrechen eingesteht und von der Polizei in Abständen derart verprügelt wird, daß er danach ”sieben Tage lang nicht arbeiten kann”, dies unter den § 243 TSG fällt.[33]

Beispielurteil 7: 20.06.1984

In einem Urteil vom 20.06.1984 hat die 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes die schlechte Behandlung eines Verdächtigen durch den Beamten unter § 243 TSG bewertet und festgestellt, daß ”es keinen Zweifel an” der Verurteilung der Angeklagten wegen Folter durch eine untergeordnete Instanz habe und ”es erschwerend hinzukommt, daß der eigentliche Täter in seiner Eigenschaft als Beamter gehandelt habe” und ”dies auch für die anderen Angeklagten anzuwenden sei”.[34]

Beispielurteil 8: 19.01.1983

Der Vorfall, der zu dem Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 19.01.1983 führte, ist ein wichtiges Beispiel. Nach den Hervorhebungen in der Urteilsausfertigung hat sich der Vorfall folgendermaßen abgespielt:

”Eine Person namens Hüseyin Sönmez aus der Stadt Misis bei Adana fand zusammen mit dem in der Region als Schäfer arbeitenden Mustafa Olcan, dem als dessen Großgrundbesitzer bekannten Mehmet Kodak und dem Verwandten des Schäfers, Ali Olcan aufgrund von Grabungen (Gerüchten zufolge) zwischen 10-15 Kilogramm Gold und teilten dies dem Kommandanten der Gendarmeriestation Misis, dem angeklagten Unteroffizier Gazi Gündogdu mit. Aufgrund dieser Mitteilung und den sich verdichtenden Gerüchten wurde der Schäfer Mustafa, sein Verwandter Ali Olcan, der als Großgrundbesitzer bekannte Mehmet Kodak vom Stationskommandanten am 27.06.1980 festgenommen und zur Wache gebracht. Auf der Wache begann ein 13 Tage andauernder Druck verschiedener Art, der auch die Methode der Folter einschloß, damit die erwähnten Personen ihr Vergehen eingestehen. Die Handlungen der Folter wurde über 13 Tage ununterbrochen auf der Gendarmeriewache Misis und der zentralen Gendarmeriestation, der diese Wache unterstellt war, vorgenommen. Eindeutige Beweise und nach Überzeugung des Gerichts wurden die drei erwähnten Personen: mit dem Knüppel geschlagen, unzähligen Fausthieben auf den Magen und den Kopf ausgesetzt, an den Füßen gebunden mit dem Kopf nach unten aufgehängt, in dieser Lage mit Fäusten und Tritten traktiert, (mit Wasser) abgespritzt, Stromstößen ausgesetzt, wobei ein Kabel am Geschlechtsorgan festgemacht wurde, eine Mischung aus 2 Kilogramm Salz und ein wenig Mehl wurden den Personen solange verabreicht, bis sie erbrachen, sie mußten das Gemisch unter Knüppelschlägen schlucken. Infolge dieser Handlungen haben Mustafa Olcan, Ali Olcan und Mehmet Kodak wegen der Folter eine Katastrophe erlebt. Ihr verlorenes elektrolytisches Gleichgewicht konnte nicht wieder hergestellt werden und sie starben am 10.07.1980 im Abstand von je zwei Stunden. Es stellte sich heraus, daß die Angeklagten dem Gerücht glaubten, (daß Gold gefunden wurde). Das ging soweit, daß der angeklagte und in Untersuchungshaft befindliche Feldwebel Ayhan Ürkmez (während der Folter, die auf der Gendarmeriekommandantur andauerte und an der er selber teilweise teilnahm, dem Besitzer der Schafsherde und als Großgrundbesitzer bekannten Mehmet Kodak, als dieser sich weigerte, seine Straftat einzugestehen, sagte: ‘... einen Mercedes für den Kommandanten, einen Renault für mich... für die Unteroffiziere ein Auto der Marke Anadol oder Murat und du bist frei.’ Als daraufhin Mehmet Kodak sagte, daß er ein Auto der Marke Murat habe und es hergeben würde, wurde entgegnet, daß er die Autos von dem Gold kaufen könne. Auch in seiner gerichtlichen Aussage hat der Angeklagte diese Worte in gekünstelter Abwandlung bestätigt, was ein Beweis dafür ist, daß die Bediensteten der Gendarmerie glaubten, daß Gold gefunden worden war.

Der Urteilsausfertigung zufolge ging das Gericht der unteren Instanz von folgendem Sachverhalt und Urteil aus: ”Die Angeklagten, der Gendarmeriefeldwebel Ayhan Ürkmez, der Kommandant der Gendarmeriezentrale, der Hauptmann Faik Agah Üner und der Gendarmerieunteroffiziere Gazi Gündogdu haben sich bewußt und willentlich an der Straftat der Folter, die ununterbrochen über 13 Tage ausgeführt wurde, beteiligt. Der Angeklagte hat Mehmet Kodak mehrfach mit der Faust geschlagen, damit dieser sein Vergehen eingestehe, seinen Kopf in ein Wasserbecken gesteckt, bis Blut aus seinem Mund kam, die Hoden seines Geschlechtsorgan mit den Händen gequetscht. Die Angeklagten Hauptmann Faik Agah Üner und der Unteroffizier Gazi Gündogdu haben der 13 Tage lang dauernden Folter die Richtung durch Befehle und Anweisungen gegeben, damit ein Vergehen eingestanden wurde, und sich somit von Anfang bis zum Ende an der Straftat beteiligt. Der Regierungsarzt von Adana, Ziya Akkan hat sich auf eigenen Wunsch an der Folter zum Eingeständnis eines Vergehens beteiligt, über die von ihm empfohlene Methode hat der angeklagte Hauptmann Faik Agah Üner einen schriftlichen Befehl erhalten. Er hat selber die Handlung zum Eingeständis eines Vergehens, die mit der oben aufgeführten Mischung von viel Salz zum Erstickungstod der drei Personen führte, unter seiner Aufsicht durchgeführt. In den Berichten, die von der Gerichtsmedizin über die Todesursache erstellt wurden, ist zu sehen, daß die gemeinsame Ursache in dem intensiven Gemisch von viel Salz liegt. Es gibt keinen Zweifel, daß die drei Angeklagten sich in der Absicht der Folter zusammengetan haben.”

Bezüglich der anzuwendenden Strafvorschrift kommt das begründete Urteil zu folgendem Schluß: ”Zur Anwendung des § 243 TSG reicht es aus, daß die in diesem Paragraphen erwähnten Beamten Folter, grausame, unmenschliche und ehrenverletzende Behandlung anwenden, um die Angeklagten ein Vergehen eingestehen zu lassen, ohne daß sie dabei eine Tötungsabsicht verfolgen. Wenn diese 3 Personen, von denen angenommen wird, daß sie an einer gemeinsamen Tat beteiligt waren, aufgrund einer absichtlichen Folter mit den oben aufgeführten Methoden verstorben sind, wird dies zur Anwendung des § 243/2 TSG führen, wodurch der § 452 TSG anzuwenden ist. In § 452/1 TSG ist aufgeführt, in welcher Weise Bedienstete zu bestrafen sind, die den Tod durch Folter oder andere Gründe verursacht haben. Wenn sich dies z.B. in den Grenzen des im § 448 TSG aufgeführten Strafmaßes bewegt (so z.B. wenn bei dem Versuch, ein Vergehen zu bekennen, eine Person verstorben ist), die Strafe bei 6 Jahren Zuchthaus beginnt, oder aber nach § 449 TSG die Strafe aufgrund der Umstände bei 10 Jahren Zuchthaus beginnt, oder aber Folter zum Bekennen einer Straftat unter den Bedingungen des § 450 TSG angewendet wurde und die Strafe bei 15 Jahren Zuchthaus beginnt, so ist dennoch nach den Absätzen 3 und 4 des § 450 TSG die Folter und der Vorsatz das entscheidende Element, das ihn mit dem § 243 TSG verbindet... Die im § 243 TSG beschriebene Handlung von Folter ist eine Handlungsweise mit Vorsatz, die bewußt gewählt wurde. Sich der Folter zu bedienen, um das Bekenntnis zu einer Straftat zu erlangen, hängt nicht von einer generellen Absicht ab, sondern wird vorsätzlich begonnen und durchgeführt.”

Im Ergebnis kam der Kassationsgerichtshof zu dem Schluß, das Urteil des erstinstanzliches Gerichtes, demnach die Angeklagten jeweils drei Mal nach dem § 243/2 in Verbindung mit den §§ 450/3 und 452/1 TSG zu bestrafen seien und demnach eine Gesamtstrafe von 36 Jahren Zuchthaus erhielten, aufzuheben und die Angeklagten jeweils einmal nach dem § 243/2 TSG in Verbindung mit den §§ 450/5 und 452/1 TSG zu bestrafen.[35]

Das Mitglied der Kammer, das sich gegen dieses Urteil aussprach, vertrat die Meinung, daß hier der § 448 TSG zugrundegelegt werden müsse und da es über eine Absicht hinausgehe, die Strafe nach § 452/1 und 243/2 angehoben werden müsse, und schließlich jeder Angeklagte drei Mal zu verurteilen sei. Die Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes hat sich später dieser Meinung angeschlossen.[36]

Beispielurteil 9: 04.04.1983

Die Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes hat in seinem Urteil vom 04.04.1983 beschlossen, daß das Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 19.01.1983 weder gesetzlich noch der Verfahrensweise nach korrekt sei.

Nach dem Urteil der Kammerversammlung sind ”die gesetzlichen Elemente des § 243 TSG: 1. der Täter muß ein Beamter sein
2. der Geschädigte muß ein Verdächtiger sein
3. es muß in der Absicht gehandelt werden, den Verdächtigen zum Bekenntnis eines Vergehens zu bewegen. 4. der Angeklagte (Täter) muß Folter oder andere Form der Mißhandlung anwenden.
Wenn eine nicht zuständige Person oder jemand, der kein Beamter ist, an jemandem, der nicht als Tatverdächtiger gilt, diese Handlungen vornimmt, dann wird der Straftatbestand des Paragraphen nicht erfüllt.”

Dem Gericht zufolge ”finde sich keine gesetzliche Defintion dessen, was in dem Paragraphen beschrieben und wie das materielle Element der dort beschriebenen Folter und sonstigen Mißhandlungen zu fassen sein, aber aufgrund der Praxis in der Doktrin und durch die Gerichte ergebe sich, daß es
a) bei der Folter um Handlungen gehe, mit denen jemandem materiell und ideell Schmerzen zugefügt werden;
b) grausame Behandlung ist dann gegeben, wenn durch diese Behandlung die Absicht verfolgt werde, dem Geschädigten materielles oder ideelles Leiden zuzufügen;
c) bei unmenschlicher Behandlung geht es um Taten, die die menschliche Persönlichkeit und das menschliche Gefühl in wichtigen Maße verletzen;
d) ehrenverletzende Behandlung wiederum bedeutet Taten, die einen Angriff auf die Ehre einer Person, seinem Ansehen oder seiner Würde ausmachen.
Was im Einzelnen zu den Mißhandlungen gehört, wurde im Gesetz nicht aufgeführt und wurde dem Ermessen des Richters überlassen. Wichtig ist bei alledem die Absicht des Angeklagten. Diese Absicht ist keine generelle Absicht, sondern eine persönliche (besondere) Absicht, um die Verdächtigen zum Eingestehen einer Straftat zu bewegen.”

Dem Kassationsgerichtshof zufolge verfolgten bei dem Vorfall, der dem Urteil der 8. Strafkammer zugrundelag, ”die Angeklagten keine Tötungsabsicht. Die im § 243 aufgeführte Tat der Folter ist eine geplante und gewählte Aktion. Sie beinhaltet die Entschlossenheit des Vorsatzes. Da aber die Angeklagten nicht das Ziel der Tötung verfolgt, kann nicht davon die Rede sein, daß die Tat vorsätzlich begangen wurde... Deswegen ist für die Angeklagten davon auszugehen, daß sie für die Tat gegen jeden Geschädigten nach den §§ 243/1, 2, 452/1 und 448 TSG gesondert zu bestrafen und dazu § 71 und folgende des TSG heranzuziehen sind. Denn die Folter gegen jeden der Geschädigten wurde unabhängig voneinander angewendet. Jede Aktion stellt ein gesondertes Verbrechen dar. Bei diesen Handlungen hätten von den drei Personen eine oder zwei Personen nicht sterben können. In diesem Fall wäre der § 456 TSG zur Anwendung gekommen und die Angeklagten wären wegen der Folter nach den jeweiligen Absätzen des Paragraphen verurteilt worden. Wie zu sehen war, erfolgten die Handlungen der Angeklagten gegen jeden der Geschädigten unabhängig voneinander.”[37]

Beispielurteil 10: 20.02.1986

”Im Falle des durch das Strafgericht in Sungurlu wegen Mißhandlung angeklagten und nach § 243 TSG in Verbindung mit den §§ 456/4, 243/2 und 95/2 zu 2 Monaten und 20 Tagen Haft verurteilten Mustafa Erdogan und der eingereichten Revision, daß die zur Bewährung ausgesetzte Strafe zu vollstrecken sei” faßte die 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes am 20.02.1986 folgenden Beschluß:

”... der Angeklagte hat den Nebenkläger festgenommen, damit er seine Straftat gesteht, hat ihn an den Haaren gezogen und gegen die Wand geschleudert. Diese Tat ist eine wirkungsvolle Handlung, die den Tatbestand der Folter nach § 243/1 TSG erfüllt. Nur wenn die Bedingungen nach Absatz 2 des Paragraphen vorliegen, werden die §§ 452 und 456/3 anzuwenden sein. Das Urteil war daher aufzuheben, da die Voraussetzungen der §§ 456/4 und 243/2 nicht vorliegen.”[38]

Beispielurteil 11: 17.06.1986

In seinem Urteil vom 17.06.1986 kam die 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshof zu folgenden Bewertungen: ”... da sich herausgestellt hat, daß der Angeklagte den Nebenkläger, der eine Person mit Namen Ridvan Kesici mit einer Waffe verletzt hatte, folterte, indem er in an den Armen an einen Baum aufhängte, damit er den Ort preisgebe, an dem er die bei der Straftat benutzte Waffe versteckt hatte, war wie die Kammerversammlung der Strafgerichte in seinem Urteil vom 22.03.1976 mit der Nummer 8/100-133[39] beschlossen hatte, der § 243 TSG anzuwenden, da Mißhandlungen vorgenommen wurden, um die Angeklagten zum Eingestehen eines Vergehens zu bewegen. Der Ansicht im zugestellten (Urteil), daß es aufzuheben sei, weil der § 245 TSG angewendet werden müsse, wurde nicht gefolgt... Es wurde nach der Art wie sich der Vorfall im allgemeinen Einverständnis zugetragen hat, nicht darauf geachtet, daß der 2. Absatz des § 243 TSG anstelle des 1. Absatzes nur dann angewandt werden kann, wenn die Voraussetzungen der §§ 452 und 456/3 TSG gegeben sind. Da in der schriftlichen Revision nicht vorgebracht wurde, daß eine zu geringe Strafe verhängt wurde, führte dies nicht zur Aufhebung des Urteils.[40]

Beispielurteil 12: 05.10.1987

Im Urteil der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes vom 05.10.1987 wurden folgende Elemente betont.

”... eines der Elemente des § 243 TSG ist es, daß es um eine Handlung geht, um den Verdächtigen zum Gestehen eines Verbrechens zu bewegen; das zweite Element ist, daß es sich um Folter oder grausame, unmenschliche oder ehrenverletzende Behandlung handeln muß. Nicht jede Körperverletzung kann als die in diesem Paragraph beschriebene Folter bezeichnet werden... Während der Gesetzgeber im § 245 TSG eindeutig von Schlägen spricht, hat er dieses Wort nicht in den § 243 TSG aufgenommen. Demzufolge wird bei der dem § 243 TSG zugrundegelegten Handlung -den Schlägen- die Eigenschaft von Folter vorausgesetzt. Schließlich wurde im § 457/2 TSG deutlich gesagt, daß Folter eine andere Bedeutung hat als Schläge, wenn es um Folter geht, dies eine (sie als solche) qualifizierende Form angenommen haben muß.”

Dem Akteninhalt zufolge hatte ”der Angeklagte, der auf der Wache von Üsküdar-Cengelköy als st. Kommissar seinen Dienst versah, die Nebenklägerin Habibe Bozkurt, die zur Wache gebracht wurde, weil sie in der Wohnung von Perihan Aycelik, wo sie als Bedienstete arbeitete, gestohlen haben sollte, mit dem Knüppel geschlagen, damit sie ihre Tat gestehe. Das hatte zu sieben Tagen Arbeitsunfähigkeit geführt, hervorgerufen von 10 cm Ekchymose an der rechten Ferse und verbreiteten Ekchymosen in beiden glutealen Regionen, sowie einem Ödem am rechten Handgelenk.”

”Der § 243 TSG hat im Vergleich zum § 245 TSG das Motiv des Angeklagten zu den Elementen des Vergehens gerechnet und daher eine besondere Eigenschaft. Wenn die Handlung vorgenommen wird, damit der Geschädigte eine Straftat eingesteht, und die Handlung des Angeklagten als Folter, grausame, unmenschliche oder ehrenverletzende Behandlung eingestuft wird, erfolgt eine Bestrafung nach § 243 TSG. Aktionen, die nicht unter diesen Paragraphen fallen, müssen danach bewertet werden, ob sie den Tatbestand des § 245 TSG oder eine andere Straftat sind.”

Die Kammerversammlung des Kassationsgeichtshofes hat sich nach diesen Ausführungen daran gemacht, eine Definition von ”Folter”, ”grausamer Behandlung”, unmenschliche Behandlung” und ”ehrenverletzende Handlungen” durch Hinweise auf die Doktrin und Gerichtspraxis vorzunehmen. Die Definitionen entsprechen jenen, die im Beispiel 9 aus dem Urteil der Kammerversammlung vom 04.04.1983 gegeben wurden. Daher werden sie hier nicht wiederholt.

Im Ergebnis kam die Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes im Urteil vom 05.10.1987 zu dem Schluß, daß selbst wenn die dem Urteil zugrundeliegende Tat, bei der ”der Angeklagte die Nebenklägerin geschlagen hat, so daß sie -wie im Attest bestätigt- eine Woche lang arbeitsunfähig war, nicht als Folter bezeichnet werden könne, dies zweifellos die Eigenschaft von unmenschlicher und ehrenverletzender Behandlung besitze. Aus diesem Grund sei es notwendig, daß der Angeklagte nach dem § 243/1 TSG bestraft werde.[41]

Die Bewertung der Urteile des Kassationsgerichtshofes

Das allgemeine Gerüst von Urteilen der Gerichte 1. Instanz

Ein großer Prozentsatz der Urteile von Gerichten erster Instanz, die im Zusammenhang mit der hier vorliegenden Thematik vor den Kassationsgerichtshof kamen, zeigten folgende Charakteristika auf:

1. In den Fällen, wo die Bestrafung nach § 243 TSG oder anderen Paragraphen, die in dieser Arbeit nicht beispielhaft belegt wurden, wie z.B. den § 245 TSG feststand, wurden vorzugswiese die Strafen an der unteren Grenze verhängt (so z.B. anstatt langjähriger Haftstrafen und einem lebenslangen Ausschluß von öffentlichen Diensten kurze Haftstrafen und ein temporärer Auschluß von öffentlichen Diensten).
2. Die Urteile tendierten dazu, die Strafen, wenn sie denn verhängt wurden, zur Bewährung auszusetzen.
3. Mehr noch als der § 243 TSG wurde der § 245 TSG zur Anwendung gebracht.

Die Zeit, bevor im Jahre 1983 eine Definition versucht wurde, die im Jahre 1987 wiederholt wurde

Es gibt einige Besonderheiten in den Urteilen der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes, die insbesondere vor, aber auch noch nach der Definition der Begriffe im § 243 TSG zu beobachten und folgendermaßen zu klassifizieren sind:

1. Der Kassationsgerichtshof hat lange Zeit bei der Anwendung des § 243 TSG keine Notwendigkeit gesehen, die darin enthalten Begriffe von ”Folter”, ”grausamer Behandlung”, ”unmenschlicher Behandlung” und ”ehrenverletzender Behandlung” zu konkretisieren, d.h. sie zu definieren. Es ist deswegen zu beobachten, daß sie in Anlehnung aneinander, d.h. eher noch als ein Ganzes aufgefaßt wurden.
2. Bei der Bewertung des § 243 TSG hat sich der Kassationsgerichtshof darauf konzentriert, dessen Unterschiedlichkeit insbesondere zu den §§ 228 und 245 TSG darzulegen. Dies mußte unausweichlich dazu führen, daß die Elemente der Straftat
- der Geschädigte muß ein (Straftat)verdächtigter sein,
- ein öffentlich Bediensteter muß das Delikt begehen,
- dahinter muß die Absicht stehen, ein Geständnis zu erhalten
als eigentliche Absicht hinter der Verbaschiedung des § 243 TSG stand, keine Berücksichtigung fand.

Dabei hätte die Logik hinter der Existenz eines solchen Paragraphen als Basis dienen können, um in einer gesellschaftlichen Nutzen-Perspektive, die man sich von der Bestimmung erhoffte, die Unversehrtheit der Person, die unten den Grundrechten eines Individuums unter allen Umständen an vorderster Stelle steht, anerkannt und geschützt werde und sichergestellt wird, daß die Menschen weder Folter noch Mißhandlung ausgesetzt sind. Um es noch deutlicher zu sagen, wenn ein Individuum zu einem Angeklagten wird und vielleicht insbesondere, wenn es in einer solchen Situation ist, muß es unter dem Schutz der Gewalt stehen, die die Beschuldigung gegen ihn vorbringt.

3. In der Praxis der Urteile des Kassationsgerichtshofes kam es hinsichtlich der nach dem § 243 TSG bewerteten praktischen Vorfälle zu einer Reihe von Bewertungen, die nicht systematisiert wurden und für die nicht klargestellt wurde, nach welchen Maßstäben vorgegangen wurde.

Als Beispiel sei hier darauf verwiesen, daß die Aktionen, die unter diesem Paragraphen gefaßt wurden, recht vielfältig waren. Dazu gehören u.a. ”Bastonade”, ”Wasser über den nackten Körper spritzen”, ”mit Knüppel schlagen”, ”Knüppel in den After stecken”, ”mit Fäusten schlagen”, ”mit Füßen treten”, ”den Körper mit einer Zigarette zu verbrennen”, ”an den Füßen mit dem Kopf nach unten aufhängen”, ”Stromstöße über das Geschlechtsorgan zu verpassen”, ”schlagen, so daß es zu 2 Tagen Arbeitsunfähigkeit führt”, ”Salz essen lassen”, ”den Kopf in Wasser stecken”, ”heiße Eier unter die Armhöhlen legen”...

Wie zu sehen war, sind dies recht unterschiedliche Handlungen. Sie sind
- in der Art vielfältig (naß machen, schlagen, verbrennen etc.),
- unterschiedlich in der Art der Auswirkungen (führen zu zwei Tagen Arbeitsunfähigkeit, zu sieben Tagen Arbeitsunfähigkeit etc.),
- hinterlassen unterschiedliche Spuren auf dem Körper (Verbrennungen, Brüche, Risse im Analbereich, Ekchymosen etc.)
- haben unterschiedliche seelische Auswirkungen (je nach Handlung und je nach dem Betroffenen),
- bedrohen in unterschiedlicher Weise das Leben (mit dem Kopf gegen die Wand stoßen, mit einem Knüppel unter die Fußsohlen schlagen, Stromstöße erteilen, Salz essen lassen etc.)
- schließlich sind sie auch in der Wirkung unterschiedlich (führen zum Tod oder nicht, machen den Geschädigten zum Krüppel oder nicht etc.)

Aus diesem Grunde kann der Praxis der beispielhaft aufgeführten Urteile nicht entnommen werden, welche der oben aufgeführten Handlungsweisen zu welchen Formen von Mißhandlungen zu zählen sind, oder ob sie gleich alle Formen umfassen. Dies ist einer der Faktoren, der die Anwendung des § 243 TSG erschwert.

Die Resultate der im Jahre 1983 vorgenommenen und im Jahre 1987 wiederholten Definition

Das Urteil ist wichtig, weil es auf der einen Seite von der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes gefällt wurde und den Versuch verkörpert, die in dem Paragraphen enthaltenen Begriffe zu definieren.

Obwohl der Versuch der Definition als verspätet zu bezeichnen ist, muß er als positiver Schritt gesehen werden. Denn nur wenn in den verbotenen Anwendungsweisen eine Definition hervorgebracht wird, kann die Verdeutlichung der Standards vereinfacht werden. Im Zusammenhang damit kann ein Übergang zu den Standards der übernationalen Menschenrechts-Rechtsprechung, die das Verbot regeln, und seinem durch die Praxis konkretisierten Umfang vorgenommen werden.

Zweifellos existieren nach wie vor viele Fragen. So ist es bei dem Definitionsversuch durch Wiederholungen, Verschwommenheit der Nuancen u.ä. nicht möglich, von einem wirklich kompetenten Versuch zu sprechen. Zudem ist noch nicht deutlich, ob sich ein stabiler jurisprudenzieller Erfahrungsschatz gebildet hat. Es liegen noch nicht genügend Erfahrungswerte vor, um die Frage zu beantworten, wie die Maßstäbe, die der Definitionsversuch enthält, auf welche Vorfälle in welcher Weise angewendet wird.

Auf der anderen Seite wurde in der erwähnten (Lehr)meinung betont, daß in dem Paragraphen die einzelnen Formen von Mißhandlungen nicht aufgezählt seien und dem Ermessen des Richters überlassen wurden. Es ist daher klar, daß der Ermessensspielraum des Richters in konkreten Fällen in Anlehnung an die vom Hohen Gericht allgemein formulierten Handlungsweisen zur Anwendung kommt.

Eine andere auffallende Besonderheit liegt darin, daß der Kassationsgerichtshof bei der Bildung seines (Lehr)meinungsstandards, sowohl in den Normen als auch der Auswertung der durch die Beschlüsse hervorgebrachten Erfahrungswerte nicht das Geschick bewiesen hat, auf die übernationale Menschenrechts-Rechtsprechung zurückzugreifen. Dabei hätte die Nutzung dieses Erfahrungsschatzes sowohl den Horizont des Hohen Gerichtes erweitern können und wäre auch für die erstinstanzlichen Gerichte ein Wegweiser gewesen.

Der Hinweis des Hohen Gerichtes bei dem Definitionsversuch auf die Doktrin ist an sich schon aufschlußreich. Denn in der türkischen Rechtsdoktrin[42] ist dieser Punkt weitgehend vernachläßigt worden. Diese Untersuchung ist sowohl quantitav als auch qualitativ hinsichtlich der angeführten Beispiele von Arbeiten von Strafrechtlern als ein Anfang zu bezeichnen und als solcher unzureichend und was noch wichtiger ist, enthält keine Perspektive für den Gebrauch und die Bewertung der Menschenrechts-Rechtsprechung. Vielleicht hat das Hohe Gericht aus diesem Grunde sich auf die Erwähnung der Doktrin im allgemeinen beschränkt und kein einziges Beispiel aufgeführt. Aus diesem Blickwinkel betrachtet kann behauptet werden, daß angesichts der unreifen Erfahrungswerte des Kassationsgerichtshofes auch den wissenschaftlichen Kreisen der Rechtssprechung ein Teil der Verantwortung zufällt.

STATISTISCHE WERTE

WERTE DES DIREKTORATS FÜR KRIMINELLE REGISTER UND STATISTIKEN

Die unten aufgeführten Werte können bezüglich der von den türkischen Gerichtsorten bezüglich Folter und Mißhandlungen geschaffenen Erfahrungsschatzes, von dem oben einige Beispiele aufgeführt wurden, eine Hilfe sein, um die “jurisprudenzielle Politik” zu verstehen.[43]

Übersicht 1:

Zahl der Verfahren und Angeklagten im Zusammenhang mit § 243 TSG für die Jahre 1986 bis 1991

Jahr Zahl der Verfahren Angeklagte Männer Angeklagte Frauen
1986 88 149 1
1987 108 213 5
1988 106 230 6
1989 86 178 -
1990 80 156 1
1991 100 100 -

Übersicht 2:

Zahl der Verfahren und Angeklagten nach den Jahren der Eröffnung der Verfahren nach § 243 TSG für die Jahre 1989 - 1991

Verfahren, die im Jahre 1989 anhängig waren (nach Jahr der Eröffnunng)

vor 85 1986 1987 1988 1989 Summe Angeklagt (M) Angeklagt (F)
6 3 7 22 40 78 205 1

Verfahren, die im Jahre 1990 anhängig waren (nach Jahr der Eröffnunng)

vor 86 1987 1988 1989 1990 Summe Angeklagt (M) Angeklagt (F)
2 5 7 45 65 124 251 7

Verfahren, die im Jahre 1991 anhängig waren (nach Jahr der Eröffnunng)

vor 87 1988 1989 1990 1991 Summe Angeklagt (M) Angeklagt (F)
0 2 5 24 52 83 145 1

Übersicht 3:

Zahl der nach § 243 TSG und § 245 TSG verurteilten Personen im Jahre 1991

Strafparagraph Zahl der Verurteilten
243 3
245 188

Werte des Innenministeriums[44]

Übersicht 1:

Gerichtliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen das dem Innenministeriums unterstellte Personal wegen Vergehen gegen den § 243 TSG in der Zeit vom 01.01.1990 bis zum 31.12.1990

Gerichtlich

Zahl der Vorfälle 6
Zahl des involvierten Personals 13
An Gerichte überwiesen 13
Freisprüche 0
Eingestellte Verfahren 0
Verurteilte Personen 0
Wegen Beamtengesetzes nicht vor Gericht gestellt 2
Andauernde Verfahren 11

Verwaltungsrechtliche Maßnahmen

Zahl der Vorfälle 6
Zahl der verwarnten Personen
Zahl der mit einen Verweis bedachten Personen
Zahl der mit einem Monatsgehalt Bestraften
Zahl der beurlaubten Personen
Zahl der aus dem Beruf entlassenen Personen
Zahl der als Beamte gekündigten Personen
Zahl der Personen, die ungestraft blieben 6
Zahl der Personen ohne abgeschlossenes Verfahren 7

Übersicht 2:

Gerichtliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen das dem Innenministeriums unterstellte Personal wegen Vergehen gegen den § 243 TSG in der Zeit vom 01.01.1991 bis zum 31.12.1991

Gerichtlich

Zahl der Vorfälle 3
Zahl des involvierten Personals 18
An Gerichte überwiesen 18
Freisprüche
Eingestellte Verfahren 13
Verurteilte Personen
Wegen Beamtengesetzes nicht vor Gericht gestellt
Andauernde Verfahren 5

Verwaltungsrechtliche Maßnahmen

Zahl der Vorfälle 3
Zahl der verwarnten Personen
Zahl der mit einen Verweis bedachten Personen
Zahl der mit einem Monatsgehalt Bestraften
Zahl der beurlaubten Personen
Zahl der aus dem Beruf entlassenen Personen
Zahl der als Beamte gekündigten Personen
Zahl der Personen, die ungestraft blieben 9
Zahl der Personen ohne abgeschlossenes Verfahren 9

Übersicht 3:

Gerichtliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen das dem Innenministeriums unterstellte Personal wegen Vergehen gegen den § 245 TSG in der Zeit vom 01.01.1990 bis zum 31.12.1990

Gerichtlich

Zahl der Vorfälle 85
Zahl des involvierten Personals 194
An Gerichte überwiesen 194
Freisprüche 8
Eingestellte Verfahren 63
Verurteilte Personen
Wegen Beamtengesetzes nicht vor Gericht gestellt 7
Andauernde Verfahren 116

Verwaltungsrechtliche Maßnahmen

Zahl der Vorfälle 85
Zahl der verwarnten Personen
Zahl der mit einen Verweis bedachten Personen 3
Zahl der mit einem Monatsgehalt Bestraften 1
Zahl der beurlaubten Personen 4
Zahl der aus dem Beruf entlassenen Personen
Zahl der als Beamte gekündigten Personen
Zahl der Personen, die ungestraft blieben 128
Zahl der Personen ohne abgeschlossenes Verfahren 58

Übersicht 4:

Gerichtliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen das dem Innenministeriums unterstellte Personal wegen Vergehen gegen den § 245 TSG in der Zeit vom 01.01.1991 bis zum 31.12.1991

Gerichtlich

Zahl der Vorfälle 9
Zahl des involvierten Personals 21
An Gerichte überwiesen 21
Freisprüche
Eingestellte Verfahren 14
Verurteilte Personen
Wegen Beamtengesetzes nicht vor Gericht gestellt
Andauernde Verfahren 7

Verwaltungsrechtliche Maßnahmen

Zahl der Vorfälle 9
Zahl der verwarnten Personen
Zahl der mit einen Verweis bedachten Personen
Zahl der mit einem Monatsgehalt Bestraften
Zahl der beurlaubten Personen
Zahl der aus dem Beruf entlassenen Personen
Zahl der als Beamte gekündigten Personen
Zahl der Personen, die ungestraft blieben 4
Zahl der Personen ohne abgeschlossenes Verfahren 17

Übersicht 5:

Zahl der dem Innenministerium unterstellten Personen, gegen die in den Jahren 1990 und 1991 Verfahren wegen eines Verstoßes gegen den § 243 TSG eröffnet wurden, nach Dienstgraden unterteilt

Dienstgrad 1990 1991
Polizeidirektor
Dienststellenleiter
Hauptkommissar 1 2
Kommissar 3 2
Stellv. Kommissar 3
Polizeibeamte 6 15
Summe 13 18

Übersicht 6:

Zahl der dem Innenministerium unterstellten Personen, gegen die in den Jahren 1990 und 1991 Verfahren wegen eines Verstoßes gegen den § 245 TSG eröffnet wurden, nach Dienstgraden unterteilt

Dienstgrad 1990 1991
Polizeidirektor 4
Dienststellenleiter 4
Hauptkommissar 17 3
Kommissar 33 2
Stellv. Kommissar 17 1
Polizeibeamte 119 17
Summe 194 21

ALLGEMEINE BEWERTUNG

Im türkischen Rechtssystem ist die Folter und andere Formen der Mißhandlung seit mehr als 100 Jahren verboten und als Straftat mit Sanktionen belegt.

Auf der anderen Seite wird a) durch die immer wieder auftretenden Beschwerden und b) durch die ergangenen Verurteilungen belegt, daß die Bediensteten, die die öffentliche Gewalt ausüben, sich in als häufig zu bezeichnender Intensität der Folter und Mißhandlung bedienen. Außerdem ist durch die Arbeit von vielen nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen immer wieder beispielhaft belegt worden und von Staatsvertretern in den einheimischen und ausländischen Medien immer wieder betont worden, daß diese Art von Praxis im Lande existiert. Dies geht soweit, daß die politischen Parteien in ihren Wahlversprechen, den Parteiprogrammen oder in den Regierungserklärungen kundtun, daß sie gegen diese Praxis seien und den politischen Willen besitzen, um sie zu beseitigen. Demzufolge kann die Existenz eines solchen Problemes nicht geleugnet werden.

Die Foltervorwürfe in der Türkei, sowohl jene, die vor nationale Gerichte gebracht und öffentlich gemacht werden als auch die Beobachtungen, die anhand von Untersuchungen, Recherchen und Beschlüssen und Berichten internationaler Einrichtungen belegt werden können, deuten darauf hin, daß sie zu Zeiten, wenn das demokratische (gewöhnliche) Regime durch einen coup d´etat und dem ihm folgenden de facto-Regime unterbrochen wurden, an Intensität zunehmen.

Dieser sich intensivierenden Praxis gegenüber griffen die politischen Akteure, insbesondere jene, die an der Regierung sind und Agenten der Administration als erste Reaktion zum kompletten Leugnen einer solchen Praxis. Da allerdings die Vorfälle und Dokumente unleugbare Beweise liefern, stellt die Politik sich auf den Grundsatz, daß die Folter und Mißhandlungen nicht systematisch, weit verbreitet und intensiv sind, sondern es sich um vereinzelte Vorfälle handelt.[45]

Gerade an diesem Punkt sind zwischen der von den politischen Kreisen in der Türkei hervorgebrachten Politik und dem von den Gerichten hervorgebrachten Politik Wechselwirkungen zu verzeichnen, die als aufschlußreich gelten können.

In der Tat ist es nicht nur in der Gerichtsbarkeit der außerordentlichen Regime (beispielsweise vor den Militärgerichten) sondern auch im Bereich der unter normalen Regimes tätigen Gerichtsbarkeit zu beobachten, daß in der produzierten jurisprudenziellen Politik eine Einstellung vorherrscht, die Folter und Mißhandlungen gegenüber in sichtbarer Weise weicher, ängstlicher, unentschlossener, ja sogar mit immer mehr Flexibilität begegnet.

Als Beispiel sei auf das verwiesen, was ein Richter am Staatssicherheitsgericht Ankara sehr offen zum Ausdruck brachte: “... es gibt eine Wahrscheinlichkeit, daß der Angeklagte schuldig ist und die Straftat begangen hat, aber es ist auch möglich, daß er unschuldig ist. In der Tat werden einige Straftaten und Täter durch die Folter aufgedeckt. Allerdings kann auch ein Teil der Unschuldigen unter dem Druck der Folter (Dinge) akzeptieren, die sie nicht begangen haben... Im Lichte dieser Ansichten kann die Folter nicht gutgeheißen werden. Aber die Bemühungen einiger Landesverräter, die Morde begehen, um den türkischen Staat zu zerstören und die den Staat und die Nation an den Rand eines Abgrundes gebracht haben, die darauf abzielen, sind, den staatsverräterischen Organisationen Recht zu geben, können auch nicht gutgeheißen werden. Ein Foltergeschwätz, das so tut, als ob es eine Zusammenarbeit (mit den Vaterlandsverrätern) gebe, ohne Beweise und Grund, so als ob es in der gesamten Türkei in sehr verbreitetem Maße und als ob es öffentlich geschehe und die Staatsvertreter (die Folter) gutheißen, kann ebenfalls nicht gutgeheißen und akzeptiert werden. Nicht nur in der Türkei, überall auf der Welt kann es Folterer geben und gibt es auch. Aber wer es tut, wird bestraft. Aber Vorwürfe, daß alle erscheinenden Personen, alle Verdächtigen gefoltert werden, können nicht als richtig betrachtet werden. Diese sind die Fortsetzung von politischen Verhaltensweisen, deren Wurzeln im Ausland liegen und die auf die Zerstörung des türkischen Staates abzielen. Dies wird dadurch bestätigt, daß eine Reihe von zerstörerischen Organisationen im Ausland und die ins Ausland geflohenen Landesverräter das gleiche Geschwätz absingen... Ärztliche Berichte... In Bezug auf die neuen Behauptungen, daß erst die Arztberichte gefertigt und dann verhört wird; warum sollte man den offiziellen Bediensteten des Staates, den Beamten, denen die Sicherheit-Ruhe-Leben-Güter-Unschuld und die Ehre anvertraut wurden, nicht glauben, sondern den Organisationsmilitanten und -anhängern, die den türkischen Staat zerstören wollen, warum sollte man den Behauptungen dieser Organisationen Glauben schenken?... In Bezug auf die Folter ist auch zu sehen, daß die Angeklagten gegenseitig Zeugnis dafür ablegen, daß sie gefoltert wurden... Auf diese Weise kann mit den im Bereich der Türkei weit verbreiteten und von einem Zentrum aus gesteuerten Foltervorwürfen und den gegenseitigen Aussagen die Existenz der Folter nicht anerkannt werden. Vor allem ist klar, daß die Angeklagten sich mit diesen Vorwürfen vor der Strafe retten wollen. Hinzu kommt, daß die nach diesen Vorwürfen professionellen Folterer nicht daran denken sollten, daß sie später füreinander Zeugnis ablegen und warum sollten sie es nicht getrennt durchführen?... Es gibt keinen Grund zu foltern... Bei der Folter muß differenziert werden, indem die Polizei mit einer Reihe von rechtsstaatlichen Polizeimethoden Aussagen aufnimmt. Dabei ist es nur natürlich, daß die Haftzellen der Polizei keine Empfangshallen von Luxushotels sind, jemand, der als Verdächtiger einer Straftat gefaßt wird und auf diese Weise verhört wird, kein Gast ist, und es nicht möglich ist, Verhöre auf Maroquin-Sesseln voller Bequemlichkeit, nach diplomatischen Regeln und in einer nur bei Diplomaten zu sehenden Höflichkeit durchgeführt werden... In dem Fall haben die Polizisten und andere Angehörige der Sicherheitskräfte, die für die Fortdauer des Staates, für die Erhabenheit des Vaterlandes und seiner Nation, für die Herrschaft des legitimen Rechtes sind und dafür eintreten müssen, nur ihre Pflicht getan... In Bezug auf die Foltervorwürfe... kann nicht von einer gesetzlich verankerten und verbreiteten Folter die Rede sein. Bei gewöhnlichen Straftaten wie auch bei organisatorischen Verbrechen kann es zu vereinzelten Foltervorfällen kommen und die Täter werden ihre Strafe erhalten und haben sie erhalten. Eigentlich haben sowohl die Foltervorwürfe der Angeklagten im Lande als die auch der Landesverräter im Ausland, die ausgebürgert worden sind und die einiger Institutionen, die parallel dazu arbeiten, keine rechtliche Grundlage, sie bestehen aus Geschwätz. Lassen Sie uns noch einmal darauf hinweisen, daß die Personen, die den Staat zerstören wollen, und ihr unberechtigtetes Geschwätz nicht als berechtigt und den unschuldigen und sie verfolgenden Staat und seine Bediensteten nicht unberechtigt als grausam hingestellt werden können. Weder im Inland noch im Ausland kann das toleriert und erlaubt werden. Warum und von wem könnte der Staat ansonsten geschützt werden, wenn die Rede von einer Haltung, die das Geschwätz gutheißt, wäre.“[46]

In einem Urteil bestätigte der Kassationsgerichtshof am 17.04.1989 das erstinstanzliche Urteil, in dem es hieß, daß der am 19.05.1983 festgenommene Geschädigte mit dem Namen Erdogan Ambarkütük wegen der ihm widerfahrenen Behandlung operiert werden mußte, er nach dem Bericht der Gerichtsmedizin “die nicht lebensgefährliche Verwundung durch Ziehen an den Haaren und zu Boden und an die Wand Werfen erlitten habe, wofür ihm im ersten Bericht 7 Tage und im zweiten Bericht 10 Tage Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde” (und) ... “wenn die Handlung des Angeklagten nicht als Folter aufgefaßt werden könne, es zu unmenschlichen, ehrenverletzender und grausamer Behandlung gerechnet werden müsse, um ein Geständnis zu erhalten. Deshalb sei es nicht unangebracht, die Tat nach § 243 zu bestrafen.”

Der Richter Vural Savas, der ein Veto gegen dieses Urteil einlegte, brachte folgende Argumente vor: “Es ist etwas anderes, ob man gegen die Folter ist oder beschließt, einige offizielle Bedienstete in einer von den Gesetzen nicht vorgesehen Form, die das Prinzip von ´es gibt keine im Gesetz nicht vorgesehene Tat und Strafe´ zu bestrafen, indem man die Folter, der es in der Doktrin und in einigen internationalen Abkommen, die von der Großen Nationalversammlung ratifiziert wurden, an Eindeutigkeit mangelt und von der nicht klar ist, welche Art von Handlungen erfaßt sind, sehr weit auslegt... Da Folter oder grausame, unmenschliche oder ehrenverletzende Behandlung nach § 243/1 TSG bestraft wird, wenn sie erfolgt, um zum Eingeständnis einer Straftat zu führen, kann keine Handlung, die diese Intensität nicht erreicht, d.h. in anderen Worten, keine derartige Intensität erreicht hat, um einen normalen Menschen dazu zu bringen, seine Straftat zu gestehen, nicht im Rahmen dieses Artikels bewertet werden. Wenn eine gegensätzliche Ansicht akzeptiert wird, dann könnte schon eine Beschimpfung oder das Ziehen am Ohr des Angeklagten während des Verhörs als ´ehrenverletzende Behandlung´ akzeptiert werden und diejenigen, die es machen nach § 243/1 TSG bestraft werden. Ein Angeklagter, der unter dem Verdacht einer Straftat festgenommen wurde, ist nicht stärker unter Schutz gestellt, als ein Staatspräsident oder ein Richter, der mit einer solchen Tat dienstlich zu tun hat. Es ist offensichtlich, daß der Gesetzesgeber dieses Ziel nicht verfolgte. Der Kampf gegen Kriminalität, das Verhör von einem Angeklagten sind schwierige Dinge. Denn der Angeklagte kann eine Aktion gegen einen sehr beliebten Schriftsteller, gegen eine Staatsautorität, sogar gegen einen Kollegen oder einen Freund des verhörenden Beamten durchgeführt haben. Oder er möchte, obwohl er auf frischer Tat erwischt wurde, bei einem organisierten Verbrechen die hinter ihm stehende Organisation nicht nennen, oder einer, der aus einer Gruppe, die sogar 5-6-jährige Kinder umbringt, alleine gefaßt wurde, will seine Freunde nicht verraten. Es ist das Recht des Angeklagten zu schweigen (die Aussage zu verweigern), aber es ist die Pflicht des Sicherheitsbediensteten, die Beweise im Zusammenhang mit dem Vorfall zu sammeln, die fliehenden Angeklagten zu fassen und zu verhindern, daß sie neue Aktionen durchführen. In einem Fall, wo in einem tagelangen Verhör, der diensthabende Polizist oder Gendarm fern von seiner Familie und manchmal schlaflos die Fassung verliert und einem Geschädigten, von dem er nicht vermutet, daß er die Tat begangen hat, in der Absicht, ein rasches Ergebnis zu erzielen, die Kühnheit besitzt, ihm mit den Worten ´warum redest du immer noch nicht?´, ´warum sagst du nicht die Warheit?´, ´warum hälst du uns solange hin?´´Mißhandlungen oder körperliche Qualen zuzufügen´ kann davon die Rede sein, den § 243 anzuwenden, falls diese Tat nicht unter § 245 TSG bewertet werden sollte... Im vorliegenden Fall besteht die Notwendigkeit, den Angeklagten, der eine wirkungsvolle Handlung begangen hat, demzufolge sieben Tage Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen war, nach § 245 TSG zu bestrafen.”[47]

In diesen zwei Beispielen wird deutlich, wie türkische zivile Richter zu Folter und Mißhandlungen juristisch urteilen und auf welchem gedanklichen Gerüst sie aufbauen. Damit sei neben der Schwäche und den Mängeln der Bestimmungen des türkischen Strafgesetzes auch auf unzureichende Informationen und die Abweichung von juristischem Verständnis hingewiesen.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, mag es sinnvoll sein, einen Blick auf ein Urteil der Kammerversammlung des militärischen Kassationsgerichtshofes vom 17.02.1983 zu werfen, um einen Vergleich zu haben, selbst wenn das Thema jenseits der Grenzen dieser Arbeit liegt: „... Auswirkungen sind etwas anderes, als wenn die Wahrheit aufgrund des Einflusses ans Tageslicht kommt. Selbst wenn das Erste an Sanktionen gebunden ist, so muß das nicht zur Unverwertbarkeit des Geständnisses führen. Mit anderen Worten ist es ein Vergehen, wenn es bei dem Verhör zu irgendeinem Druck oder einer Beinflussung kommt. Aber wenn eine Person aufgrund eines solchen Druckes eine Waffe übergibt, kann man nicht davon ausgehen, daß er die Straftat des unerlaubten Waffenbesitzes nicht begangen hat.“[48] In diesem Zusammenhang mag an das Urteil der 3. Kammer des Militärkassationsgerichthofes vom 14.12.1982 erinnert werden: „... wenn beim Erreichen eines Geständnisses Folter angewendet wurde oder anderer betrügerische Mittel eingesetzt wurden, gibt es keinen juristischen Einwand dagegen, dieses Geständnis, wenn es durch Nebenbeweise oder konkrete Tatsachen bestätigt wird, zu verwerten und dem Urteil zugrundzzulegen, da diese Verhaltensweisen eine andere Qualität besitzen, die in die Verantwortung der Diensthabenden fällt.“[49]

Wenn der Kassationsgerichthof Akte von Schlägen, die zu sieben Tagen, dann 10 Tagen und schließlich zu mehr als 15 Tagen Arbeitsunfähigkeit führen,[50] nicht als Folter bezeichnet, sondern -wenn überhaupt- als Mißhandlung betrachtet, so ist dies nichts weiter als die Fortführung einer Einstellung, die in den Wortes des Militärkommandanten von Istanbul, nach dem Militärputsch vom 12. März 1971, Faik Türün, in den Worten zum Ausdruck brachte: „wir sind den Vorwürfen nachgegangen und haben herausgefunden, daß das, was sie als Folter bezeichnen, nichts weiter ist, als ein paar Stockschläge, die hier und da gegen die (Fuß)sohlen gegeben werden, und ein paar Ohrfeigen sind.“[51]

Die Beispiele für die übereinstimmende Haltung ließen sich um ein Vielfaches anreichern. Die Bewertung eines Richters am Staatssicherheitsgericht, daß „es nur natürlich ist, daß die Haftzellen der Polizei keine Empfangshallen von Luxushotels sind, jemand, der als Verdächtiger einer Straftat gefaßt wird und auf diese Weise verhört wird, kein Gast ist, und es nicht möglich ist, Verhöre auf Maroquin-Sesseln voller Bequemlichkeit, nach diplomatischen Regeln und in einer nur bei Diplomaten zu sehenden Höflichkeit durchgeführt werden“[52] wurden durch den Justizminister der Regierung der Mutterlandspartei ANAP im Jahre 1988, daß „die Gefängnisse keine Hotels sind“[53] vervollständigt, wodurch die Möglichkeit von Folter und Mißhandlungen von den Beschuldigten auch auf Strafhäftlinge ausgedehnt wurde. Dabei sind die physischen Bedingungen und die Strafvollstreckung in diesen Gefängnissen so beschaffen, daß ein anderer Abgeordneter/Minister der ANAP-Partei, Mustafa Tasar, nachdem er die Zellen im Gefängnis von Mamak (Ankara) gesehen hatte, sagte: „... fürchterliche Orte... da stecke ich nicht einmal meinen Feind hinein; wenn Lenin leben würde, würde ich ihn dort nicht hinstecken“.[54]

Gegenüber der Erscheinung von Folter und Mißhandlung in der Türkei sind die Angehörigen des Gerichtswesen, Vertreter der Administration oder die Politiker, die die Einstellung repräsentieren, die die Grundlage für eine im vordergründigen Sinne fexible Herangehensweise bildet, von Zeit zu Zeit in noch verfeinerter Form aufgetreten und haben die von ihnen vertretene Gesinnung nicht nur national sondern auch international zur Schau gestellt.

Als Beispiel sei auf die Meinung des vorsitzenden Richters am Verfassungsgericht, Orhan Onar, verwiesen, die er auf einer Pressekonferenz nach einer Konferenz der Verfassungsgerichte seine dort gewonnenen Eindrücke folgendermaßen wiedergab: Ihm zufolge habe sich die Betrachtungsweise der europäischen Ländern gegenüber der Türkei geändert und „man habe Verständnis für einige Einschränkungen“. Zudem vertrat Herr Onar die Meinung, daß in der Türkei alle Grundrechte in den Gesetzen vorhanden seien und auch eingehalten würden.[55] Zur gleichen Zeit mußte der damalige Außenminister Vahit Halefoglu, der von der ANAP-Regierung nicht befugt wurde, die am 27.11.87 zur Ratifizierung vorgelegte Europäische Vereinbarung zur Verhinderung der Folter zu unterschreiben (daß die Türkei nach der Unterschrift später das erste Land wurde, das die Konvention unterschrieb, steht auf einem anderen Blatt), das Versammlungsgebäude durch die Hintertür verlassen, um keine Erklärung abgeben zu müssen.[56] Als im Jahre 1988 die Ratifizierung der Europäischen Konvention zur Verhinderung der Folter im entsprechenden Ausschuß des Parlaments der Türkei zur Debatte anstand, sagte das ANAP Mitglied der Kommission, H. Tanriöver: „... von der Konvention wurde soviel geredet, daß jedermann gleich zustimmte, ohne zu wissen, was dort drinsteht. Man hatte Angst, sich dagegen zu wenden.“[57] Damit belegte er, daß die Kommissionsmitglieder den Inhalt der Konvention nicht richtig kannten, sie hatten nicht einmal eine türkische Übersetzung davon in der Hand.

Dieses Verständnis führte dazu, daß obwohl übernationale Dokumente der Menschenrechts-Rechtssprechung im allgemeinen und die Abkommen zur Verhinderung der Folter im besonderen durch die Türkei ratifiziert wurden, sie nur unzureichenden Einfluß auf die nationale Rechtssprechung genommen haben.

So wurden beispielsweise in einem Urteil des Staatssicherheitsgerichtes in Izmir vom 29.11.1988 folgenden Feststellungen getroffen.[58] Die Angeklagten hatten zu ihrer Verteidigung vorgebracht, daß die Europäische Konvention gegen die Folter unmittelbar auf ihr Verfahren angewendet werden solle. Die Kammer ließ die Konvention kommen und untersuchte sie und kam zum Schluß, daß „in der Konvention die Verpflichtung aufgeführt ist, Maßnahmen zu einigen Punkten zu ergreifen und gesetzliche Regelungen zu treffen. So lange wie das Parlament diese Regelungen nicht vornehme, sei das Abkommen vom Gericht nicht direkt anzuwenden.“ Im gleichen Verfahren brachten die Angeklagten vor, daß ihre Aussagen bei der Polizei unter Druck und Zwang aufgenommen wurden und nicht verwertet werden sollten. Demgegenüber stellte das Gericht fest: „Nach den gesetzlichen Bestimmungen war es nicht möglich, die Aussagen bei der Polizei aus den Akten zu entfernen. Diese Aussagen wurden wurden nicht als Beweis für die Geständnisse der Angeklagten verwertet. Sofern andere Beweise und Dokumente für die den Angeklagten zur Last gelegten Straftaten vorhanden waren, wurde hier und da auf diese Aussagen hingewiesen.“[59]

Neben der Tatsache, daß das Gericht in dem vorliegenden Urteil in gewisser Weise darauf eingeht, daß Aussagen unter Zwang (d.h. entgegen rechtsstaatlicher Normen) aufgenommen wurden, wird hier aber auch deutlich, daß eine Tendenz besteht, ein Dokument der Menschenrechte nicht in die Praxis umzusetzen. Diese Haltung der Gerichtsbarkeit vervollständigt die Abneigung bzw. zögerliche Haltung der politischen Autorität bei der Prozedur der Ratifizierung der UN Konvention zur Verhinderung der Folter. In der Tat hat die Türkei das erwähnte UN Abkommen am 25.01.1988 ratifiziert. Drei Monate nach der Ratifizierung wurde im Amtsblatt 19799 vom 29.04.1988 publik gemacht, daß mit dem Gesetz 3441 akzeptiert wurde, daß die Ratifizierung des Abkommens angemessen sei. Allerdings wurde dieses Mal weder der Originaltext des Abkommens noch eine offizielle türkische Übersetzung davon veröffentlicht. Ungefähr vier Monate danach wurde schließlich im Amtsblatt 19895 vom 10.08.1988 der englische Text des Abkommens und eine offizielle türkische Übersetzung abgedruckt. Die 8-monatige Verzögerung ist wohl ein Hinweis auf die Absicht der politischen Autorität, die Wirkung der erwähnten Menschenrechtsurkunde zu verzögern.[60]

Wie zu sehen war, ist auf der einen Seite die politische Autorität widerwillig bereit, diese Art von Urkunden zu ratifizieren, um einen diplomatischen Trumpf zu erhalten, auf der anderen Seite wird durch Urteile wie das durch das Militärgericht Ankara im Jahre 1988 erlassene Urteil, demnach „... es nicht akzeptiert werden (kann), daß durch die Annahme des erwähnten Abkommens mit der im Gesetz 3441 vorgenommenen Ratifizierung eine Änderung in der Prozeßordnung vorgenommen wurde. Es kann auch nicht akzeptiert werden, daß hierdurch eine Änderung in unserer auf dem Beweissystem nach dem Gewissen fußenden Rechtssprechung eintritt.“[61] ein Bemühen an den Tag gelegt, daß das Dokument keine Wirkung auf die nationale Rechtssprechung hat. Diese Haltung, die auch der Realität der gültigen technischen Rechtssprechung widerspricht, wurde in der Doktrin kritisiert.[62]

Die Beispiele ließen sich vermehren. Aber das Erscheinungsbild ist hinlänglich deutlich. Aus diesen Daten können zwei Resultate gezogen werden.

Es ist notwendig, das normative Gerüst zum Verbot von Folter und Mißhandlungen im türkischen Rechtssystem neu zu formen und die Schwächen, Mängel und Lücken der Norm zu schließen.

In dieser Phase sind die normativen und jurisprudenziellen Standards der übernationalen Menschenrechts-Rechtssprechung unbedingt zu beachten. Sie sind eine lehrreiche und funktionelle Stütze.

Bei einer Redigierung der Norm ist nicht nur auf den § 243 TSG zu achten. Alle Bestimmungen, die das Gebiet mittelbar oder unmittelbar betreffen und die in den Gesetzen verstreut sind, müssen unter einem ganzheitlichen Blickwinkel bewertet werden.

Die zweite grundlegende Schlußfolgerung ist, daß Folter und Mißhandlungen, die als Erscheinung in der Türkei nicht abgestritten werden können, deren Existenz irgendwie nicht grundsätzlich beseitigt werden kann, auf der Grundlage der „gemeinsamen Sinneshaltung“, mit der sowohl politische Kreise und ihre administrativen Agenten, als auch die Orte der Gerichtsbarkeit dieser unmenschlichen Praxis begegnen, hochgehalten werden. Hier liegt das eigentlich Negative.

Denn solange wie es diese „bedenkliche Toleranz“ gibt, die die angegebenen unterschiedlichen Kreise gemeinsam haben und mit der der Existenz und Fortdauer von Folter und Mißhandlung Vorschub geleistet wird, wird es äußerst schwer sein, gegen diese Art von Praxis eine politische Handlungsweise zu entwickeln, die dauerhaft, bestimmt und überzeugend darauf gerichtet ist, sie vollkommen zu beseitigen.

Das Problem ist verworren und die Lösung kompliziert. Denn die Gemeinsamkeit in der Sinneshaltung der erwähnten Kreise ist nicht immer offenkundig, sie ist von Zeit zu Zeit impliziert und verdeckt. Ohne sich von den Unterschieden der durch diese Kreise verwandten Erscheinungsformen täuschen zu lassen, muß man auf die Leuchtbojen achten, die auf ihre unter Wasser vorhandene Gemeinsamkeit der Sinneshaltung hinweisen.

Ein Aspelt, der das Problem vertieft, ist die Tatsache, daß die bedenkliche Toleranz, die sich unterschiedliche Kreise teilen, nicht nur in Ausnahme-, Notstandssituationen, -konditionen und -regimen auftreten, sondern auch in normalen, gewöhnlichen Situationen und Regimen sichtbar werden und mindestens so grausam und konzentriert sind. Ein anderer negativer Faktor ist, daß der Dualismus von Zivilgesellschaft und Militär nicht als Kriterium verwendet werden kann. In anderen Worten kann die gemeinsame Sinneshaltung, die sich in der bedenklichen Toleranz ausdrückt, in jeder Schicht des Staatsapparates, unabhängig von Abstammung, Ausbildung oder Expertentum beobachten.

Solange wie die Gerichtsbarkeit -wie in dieser Arbeit dargelegt- fortfährt, seinen Anteil an dieser gemeinsamen Sinneshaltung beizubehalten, wird sie nicht der Garant für ein polito-juristisches System sein, das auf Demokratie und Menschenrechten fußt; sie wird diese Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht herstellen können.

In letzter Analyse deutet eine solche Phase nicht nur auf die Verfaulung eines Staatsapparates hin, sie wirkt wie eine vom Krebs befallene Zelle, die sich auf heimtückische Weise in der ganzen Gesellschaft ausbreitet.

Um diese Entwicklung aufzuhalten ist es die Aufgabe der Gerichtsbarkeit, die engen Schablonen des juristischen Positivismus zu überwinden, und ein Vorreiter dafür zu sein, daß die universellen Werte verinnerlicht werden.


Fußnoten

  1. Zuerst veröffentlicht im Menschenrechts-Jahrbuch 1992, Band 14, Sonderdruck des Staatlichen Statistikinstitutes, Ankara 1993. Prof. Dr. Mehmet Semih Gemalmaz unterrichtet an der Juristischen Fakultät der Universität Istanbul.
  2. In einer zuvor publizierter Arbeit hatte ich die normativen und jurisprudenziellen Standards auf diesem Gebiet untersucht. Dieses Werk, das bis heute als das erste und immer noch einzige umfangreiche Beispiel zur türkischen Rechtsdoktrin bezeichnet werden kann, kann ebenfalls einen Schlüssel beim Lesen dieser Arbeit sein. Mehmet Semih Gemalmaz, Verhinderung der Folter in übernationaler Menschenrechts-Rechtssprechung, Verlag Amac, Istanbul-1989.
  3. Mehmet Semih Gemalmaz, ”Die übernationale Menschenrechts-Rechtsprechung”, Universität Istanbul, Zeitschrift für vergleichende Rechtsforschung, Nr. 18, Istanbul 1990, S. 157-164.
  4. Mehmet Semih Gemalmaz, ”Die Ausweglosigkeit der nationalen Rechtssprechung gegenüber der Folter”, Zeitschrift der Mülkiyeliler Birligi, Mai 1988, Nummer 95, Ankara S. 8ff; Bülent Tanör, ”Das Menschenrechtsproblem der Türkei”, Verlag BDS, Istanbul 1991 (2. Auflage), S. 35-39; Erbil Tusalp, ”Menschenrechtsdossier. Tausend Menschen”, Verlag Tekin, Istanbul 1985, S. 118 u.a.; Menschenrechtsbericht der Türkei, Ankara 1989, Publikation des Menschenrechtsvereins, Zweigstelle Ankara, Ankara 1990; Menschenrechtsbericht 1991, Publikationen der Menschenrechtsstiftung der Türkei, Ankara Januar 1992.
  5. Wenn man zum Beispiel in die Zeitschrift zu den Urteilen des Kassationsgerichtshofes schaut, stellt man fest, daß dort nur wehr wenige Urteile zum Thema veröffentlicht wurden und es keine detaillierten Analysen der Urteile gibt. Diese Tatsache trifft leider auch auf nicht veröffentlichte Urteile zu. Dozent Dr. Sami Selcuk, Vorsitzender der 4. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes verhalf mir dazu, an einige Beispiele von bisher nicht veröffentlichten Urteilen zu gelangen. Ich möchte ihm an dieser Stelle für seine feinfühlige Zusammenarbeit noch einmal von Herzen danken.
  6. Mehmet Semih Gemalmaz, Standards des Notstandsregime in der übernationalen Menschenrechts-Rechtsprechung, Verlag BDS, Istanbul 1991, Der Unterschied zwischen de facto und de jure im Zusammenhang mit den übernationalen Maßstäben des Notstandsregimes, Gewidmet Cahit Talas, Publikationen der Stiftung der Mülkiyeliler Birligi, Nr. 9, Ankara 1990, S. 223-238; The Need for a de jure- de facto division: a new standard in reading human rights, Turkish Yearbook of Human Rights, Vol. 9-10, 1087-1988, Ankara S. 3-10.
  7. Düstür, I. Tertip (Gesetzessammlung, 1. Reihe) Band 4, S. 4-10.
  8. Düstür, 3. Tertip (Gesetzessammlung, 3. Reihe), Band 5, S. 1019-1032.
  9. Amtsblatt (Resmi Gazete) vom 20.07.1961
  10. Amtsblatt vom 09.10.1982, Nummer 17863
  11. Düstur, 3. Tertip (Gesetzessammlung, 3. Reihe), Band 7, S. 562; Amtsblatt vom 13.03.1926, Nummer 320
  12. Nach der im Jahre 1955 gültigen Fassung lautete der § 452 des TSK folgendermaßen: ”Wenn infolge eines tätlichen ohne den Vorsatz der Tötung erfolgten Angriffs oder infolge einer gleichfalls unter ohne den Vorsatz der Tötung begangenen Körperverletzung der Tod eingetreten ist, wird der Täter im Falle des Artikels 448 zu zeitigem Zuchthaus nicht unter acht Jahren und, in den im Artikel 449 angegebenen Fällen zu zeitigem Zuchthaus nicht unter zehn Jahren und in den im Artikel 450 angeführten Fällen zu zeitlichem Zuchthaus nicht unter 15 Jahren verurteilt.
    Ist der Tod infolge des Zusammentreffens von Umständen eingetreten, die vor der Tat bestanden, aber dem Täter nicht bekannt waren, oder infolge des Hinzukommens von Umständen, die außerhalb des Willens des Täters und unverhofft eingetreten sind, so wird der Täter im Falle des Artikels 448 mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, in den im Artikel 449 erwähnten Fällen mit Zuchthaus nicht unter sieben Jahren und in den im Artikel 450 angegebenen Fällen mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft.” (Die Übersetzung wurde der Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher: Das Türkische Strafgesetzbuch, Dr. Naci Sensoy und Dr. Osman Tolun, Berlin 1955, entnommen. Der Paragraph ist in dieser Form mit Stichtag vom 01.12.1992 gültig, da die Änderung am 9. Juli 1953 erfolgte).
  13. Der § 456 lautet: ”Wer ohne den Vosatz zur Tötung, einen anderen körperlich mißhandelt oder eine Schädigung an dessen Gesundheit oder Geisteskräften verursacht, wird mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu einem Jahr bestraft.
    Die Strafe beträgt Gefängnis von zwei bis zu fünf Jahren, wenn die Tat die dauernde Schwächung eines Sinnes oder eines Gliedes oder eine dauernde Sprachstörung oder ein ständig sichtbares Zeichen im Gesicht oder eine zwanzig Tage oder länger dauernde körperliche oder geistige Krankheit oder für eine gleiche Zeit die Unfähigkeit zur Ausübung der gewohnten Tätigkeit verursacht oder eine Lebensgefahr hervorgerufen hat, oder wenn die Tat an einer schwangeren Frau begangen wurde und dadurch eine vorzeitige Entbindung stattgefunden hat.
    Die Strafe beträgt Zuchthaus von fünf bis zu zehn Jahren, wenn die Tat sicher oder vorsätzlich eine unheilbare körperliche oder geistige Krankheit oder den Verlust eines Sinnes oder einer Hand oder eines Fußes, des Sprachvermögens, der Zeugungsfähigkeit, des Gebrauchs eines Gliedes oder dauernde Verunstaltung des Gesichts zur Folge hat, oder wenn sie an einer schwangeren Frau begangen und dadurch eine Fehlgeburt verursacht hat.
    Wenn die Tat weder eine Krankheit noch eine Unterbrechung der gewohnten Tätigkeit zur Folge hat, oder wenn die Krankheit oder die Unterbrechung nicht länger als zehn Tage dauert, wird gegen den Täter auf Gefängnis von zwei bis sechs Monaten oder auf schwere Geldstrafe von 200 bis zu 8.500 Pfund erkannt, vorausgesetzt, daß für die Strafverfolgung ein Antrag des Verletzten vorliegt.
    Ist die Tat durch die im Artikel 457 angeführten Mittel begangen worden, so ist die Strafverfolgung nicht von einem Antrag abhängig.” (Die Übersetzung wurde der Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher: Das Türkische Strafgesetzbuch, Dr. Naci Sensoy und Dr. Osman Tolun, Berlin 1955, entnommen. Der Paragraph ist bis auf die Höhe der Geldstrafe, die am 07.12.1988 um das 60fache angehoben wurde, in dieser Form mit Stichtag vom 01.12.1992 gültig, da die Änderung am 9. Juli 1953 erfolgte. Davor gab es Änderungen im Jahre 1926 und 1933, die sich ebenfalls auf das Strafmaß bezogen. Eine Änderung des Paragraphen 463 TSG vom 21.01.83 betrifft den § 456 TSG insofern, als hier geregelt wird, wie die Bestrafung zu erfolgen hat, wenn die Straftat von mehr als einer Person begangen wird.)
  14. Das Gesetz mit der Nummer 235 vom 05.01.1961, mit dem einige Bestimmungen des TSG aufgehoben und einige Pargraphen geändert werden (Amtsblatt vom 12.01.1961 mit der Nummer 10705; Düstur, 4. Tertip (Gesetzessammlung, 4. Reihe), Band 1, S. 1525-1527.
  15. Sulhi Dönmezer; Lektionen zum besonderen Strafrecht, Publikationen der juristischen Fakultät der Univesität Istanbul, Istanbul 1984, S, 130-138, besonders S. 131; Ayhan Önder, Sonderbestimmungen des türkischen Strafrechts, Verlag Beta, Istanbul 1991, S. 180-188, besonders S. 181.
  16. Mehmet Semih Gemalmaz, ...Verhinderung der Folter, S. 46-60.
  17. katıksız hapis cezası bedeutet eine Strafe, bei dem (Soldaten) kein katık (Geld für Zukost) erhalten. Sie ist allerdings ebenfalls mit Isolation verbunden, d.Ü.
  18. Zum Urteil des Verfassungsgerichtes vom 27.12.1965 mit der Grundnummer 1963/57 und der Urteilsnummer 1965/65 D. 4/3-9 siehe: Amtsblatt vom 06.02.1967, Nummer 12520.
  19. Zum Urteil des Verfassungsgerichtes vom 15.06.1967 mit der Grundnummer 1971/2, Urteilsnummer 1967/18 D.5/129-133, siehe: Amtsblatt vom 26.01.1968 Nummer 12810.
  20. Zum Urteil des Verfassungsgerichtes vom 06.04.1971 mit der Grundnummer 1971/2, Urteilsnummer 1971/36, D. 6/403-415, siehe. Amtsblatt vom 22.10.1971 Nummer 13994.
  21. Mehmet Semih Gemalmaz, ”Die Ausweglosigkeit der nationalen Rechtssprechung gegenüber der Folter”, Zeitschrift der Mülkiyeliler Birligi, Mai 1988, Nummer 95, Ankara, S. 8-10
  22. Für das Urteil des Verfassungsgerichtes vom 01.07.1963 mit der Grundnummer 1963/207, der Urteilsnummer 1963/175 siehe: Amtsblatt vom 07.10.1963, Nummer 11524.
  23. Für das Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 14.04.1936 mit der Grundnummer 2448 und der Urteilsnummer 655 siehe: Cemal Köseoglu, ”das Türkische Strafgesetz mit Erläuterungen”, Druckerei Marifet, Istanbul 1947, (6. Auflage), S. 292; Muhtar Caglayan, ”Das türkische Strafgesetz mit Begründungen, Notizen und Anwendungen”, Druckerei Ayyildiz, Ankara 1962, Band 1 (Artikel 1-413, S. 764-786.
  24. Für das Urteil der Kammerversammlung vom 19.01.1949 mit der Grundnummer 1/44-3 und der Urteilsnummer 2 siehe: Mahmut Alicanoglu, ”Das türkische Strafgesetz mit Geschichte-Erläuterungen und Notizen und die Praxis des Kassationsgerichtshofes”, Druckerei Halk, Istanbul, S. 645f.
  25. Für das Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 12.06.1956 mit der Nummer 1893/1410 siehe Nejati Öztürk, Schriften des türkischen Strafgesetzes, Ankara 1966, Band 1, S. 838-849; Ayhan Özütürk, a.a.O., S. 181, Muhtar Caglayan, a.a.O., S. 786.
  26. Zum Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 13.01.1970 mit der Grundnummer 69-1730 und der Urteilsnummer 1970/118 und dessen Kritik, siehe Sulhi Dönmezer, a.a.O., S. 131.
  27. Für das Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 15.09.1970 mit der Grundnummer 1969/3576 und der Urteilsnummer 1970/2486 siehe: Zeitschrift der Offiziellen Beschlüsse, Ankara 1970, Band 5, S, 72-74. Bei Verhängung dieses Urteils hat der Kassationsgerichtshof auf das Werk von A.P. Gözübüyk ”Vergleichende Erläuterungen des türkischen Strafgesetzes” hingewiesen.
  28. Ismail Malkoc-Aytac Malkoc, Beamte und Vergehen - die rechtliche Verantwortung von Beamten und öffentlich Bediensteten, Buchhandlung Seckin, Ankara 1988, S. 83; Abdullah Pulat Gözübüyük, Erläuterungen des Türkischen Strafgesetzes, Verlag Kazanci, Istanbul 1984, Band III, S. 249f.
  29. Zum Urteil der 1. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 06.10.1976 mit der Grundnummer 1976/3053 und der Urteilsnummer 1976/3167 siehe: Zeitschrift zu Urteilen des Kassationsgerichtshofes (U.d.K.), Januar 1977, Band III, Nummer 1, S. 106-108.
  30. Zum Urteil der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes vom 22.03.1976 mit der Grundnummer 1976/8-100 und der Urteilsnummer 1976/133 siehe U.d.K., März 1977, Band III, Nummer 3, S. 412-415; Ayhan Önder, a.a.O. S. 183.
  31. Obwohl die Bezeichnung ”schuldiger Verdächtiger” in der Rechtssprechung nicht angebracht ist, wurde dieser Ausdruck hier verwendet, weil sie in der Entscheidung des Kassationsgerichtshofes verwendet wurde.
  32. Zum Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 19.01.1981 mit der Grundnummer 1981/2821 und der Urteilsnummer 1981/4069 siehe: U.d.K., September 1981, Band VI, Nummer 9, S. 1217-1218; Ismail Malkoc-Aytac Malkoc, a.a.O., S. 89.
  33. Zum Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 19.6.1981 mit der Grundnummer 1981/3143 und der Urteilsnummer 1981/4070 siehe U.d.K. September 1981, Band VI, Nummer 9, S. 1219f.
  34. Zum Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 20.06.1984 mit der Grundnummer 1984/2704 und der Urteilsnummer 1984/3774 siehe U.d.K. Januar 1985, Band XI, Nummer 1, S. 136f.; Ismail Malkoc-Aytac Malkoc, a.a.O., S. 88f.
  35. Zum Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 19.01.1983 mit der Grundnummer 982/4297 und der Urteilsnummer 1983/147 siehe U.d.K. 1983, Nummer 3, S. 445. Ich bedanke mich bei dem Vorsitzenden der 4. Kammer des Kassationsgerichtshofes, Dozent Dr. Sami Selcuk, der so freundlich war, mir das vollständige Urteil zu übersenden, wodurch sich die Gelegenheit ergab, eine umfassende Bewertung vorzunehmen.
  36. Zum Urteil der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes vom 04.04.1983 mit der Nummer 8-64/156 siehe das nächste Beispiel 9.
  37. Zum Urteil der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes vom 04.04.1983 mit der Grundnummer 1983/6-64 und der Urteilsnummer 1983/156 siehe U.d.K. Juli 1983, Band IX, Nummer 7, S. 1059-1072; für eine Analyse von Seiten der Doktrin siehe: Ismail Malkoc-Aytac Malkoc, a.a.O., S. 84f.; Sulhi Dönmezer, a.a.O., S. 133 (in dieser Arbeit wurde das Urteil fälschlicherweise als Urteil der 8. Strafkammer bezeichnet); Icel-Yenisey, Vergleichende und angewandte Strafgesetze, Verlag Der, Istanbul-1987, S. 137; Ayhan Önder, a.a.O., S. 181-184.
  38. Zum Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 20.02.1986 mit der Grundnummer 1985/6399 und der Urteilsnummer 1986/1151 siehe U.d.K., Oktober 1986, Band XII, Nummer 10, S, 1566f.; Ismail Malkoc-Aytac Malkoc, a.a.O., S. 88.
  39. Für das Urteil der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes vom 22.03.1976 siehe das oben aufgeführte Beispiel 4.
  40. Zum Urteil der 8. Strafkammer des Kassationsgerichtshofes vom 17.06.1986 mit der Nummer 3320/3733 siehe: Ismail Malkoc, Aytac Malkoc, a.a.O., S. 84, 88.
  41. Zum Urteil der Kammerversammlung des Kassationsgerichtshofes vom 05.10.1987 mit der Grundnummer 1987/8-186 und der Urteilsnummer 1987/423 siehe U.d.K., Januar 1986, Band XIV, Nummer 1, S. 102-105; Ismail Malkoc  Aytac Malkoc, a.a.O., S. 86-88.
  42. Einige Beispiele zu diesem Thema können entnommen werden: Öztekin Tosun, Foltervorwürfe und die dazu vorzubringenden juristischen Maßnahmen, Zeitschrift für die heutige Gerichtsbarkeit, März 1977, S. 11, Istanbul, S. 10.15; Faruk Erem, Rechtssprechung der Strafprozeßordnung, Druckerei Sevinc, Ankara 1978, S. 170-172; Metin Ertugrul, Folter und mehr, Der Preis der Freiheit, Zeitschrift für Gerichtsbarkeit, 1975, Nr. 4, S. 119-126.
  43. Ich möchte mich dem Generaldirektor des Amtes für Kriminelle Register und Statistiken im Justizministerium, dem verehrten Dr. Mustafa T. Yücel für die Zusammenarbeit bei der Beschaffung der hier ausgewerteten statistischen Angaben bedanken.
  44. Sämtliche hier aufgeführten Werte sind durch Auswertung der offiziellen Dokumente und Eintragungen beim Staatsministerium für die Menschenrechte zusammengestellt worden. Daher können sie als offizielle Verlautbarungen akzeptiert werden.
  45. Details befinden sich in: Mehmet Semih Gemalmaz, The Institutionalization Process of the Turkish Type of Democracy, A Politico-Juridicial Analysis of Human Rights, Verlag Amac, Istanbul  1989, S. 51-58. O. Kadri Keskin, Folter, Zeitschrift der Justiz, 1985, Band 76, S. 3, S. 731-741.
  46. O. Kadri Keskin, Folter, Zeitschrift der Justiz, 1985, Band 76, S. 3, S. 731-741.
  47. Zur abweichenden Meinung im Urteil vom 17.04.1989 mit der Nummer 8-87/143 siehe: Mehmet Uygun  Vural Savas  Sadik Mollamahmutoglu, Urteil der Kammerversammlung 1988-1991, Druckerei der Justiz, Ankara, S. 152-157.
  48. Urteil der Kammerversammlung des militärischen Kassationsgeichtshofes vom 17.02.1983 mit der Grund- und Urteilsnummer 1983/49-43.
  49. Urteil der 3. Kammer des Militärkassationsgerichtshofes vom 14.12.1982 mit der Grund- und Urteilsnummer 1982/594-831. Dieses Urteil sowie das weiter oben aufgeführte Urteil vom 17.02.1983 wurden im Urteil gegen die Nationalistische Bewegungspartei MHP vom 07.04.1987 mit der Grundnummer 1981/176 und der Urteilsnummer 1987/14 vom Militärgericht Nr. 1 von Ankara aufgeführt.
  50. Im Urteil des 1. Strafgerichtes von Yenimahalle-Ankara vom 10.02.1987 mit der Grundnummer 1986/11 und der Urteilsnummer 1987/47 hieß es folgendermaßen: „... zum Begehen des Verbrechens der Folter reicht es nicht aus, daß einfach geschlagen wird. Aus der Rechtssprechung des Kassationsgerichtshofes geht hervor, daß ein Attest beigebracht werden muß, das mehr als 10-15 Tage (Arbeitsunfähigkeit) bescheinigt...“ s. Eralp Özgen, „UN-Abkommen gegen die Folter und unmenschliches Verhalten“, Zeitschrift der Anwaltskammer der Türkei, September 1988, Nr. 2, Seite 219, Fußnote 22.
  51. Milliyet vom 29. Mai 1972, Cumhuriyet vom 10. Mai 1972, Hürriyet vom 07.02.1974.
  52. .o., O. Kadri Keskin, a.a.O., S. 736.
  53. Mehmet Semih Gemalmaz, „Folter, Offizielle Politik und Gerichtsbarkeit“, Zeitschrift Görüs, April 1988, S. 17, Istanbul, S. 3.
  54. Cumhuriyet vom 02.03.1988.
  55. Cumhuriyet vom 05.05.1987, S. 7; der damalige Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, O. Onar, wurde kurz nach Erreichen des Ruhestandes, nachdem der zu diesem Zeitpunkt als Ministerpräsident tätige Turgut Özal zum Staatspräsidenten geworden war, zum Berater des Staatspräsidenten berufen.
  56. Cumhuriyet vom 04.02.1988, S. 7
  57. Cumhuriyet vom 05.02.1988, S. 7.
  58. Das Urteil des SSG Izmir vom 29.11.1988 mit der Grundnummer 1987/62 und der Urteilsnummer 1988/66 wurde auch in der Publikation von amnesty international: „Turkey: Torture and Unfair Trial of Political Prisoners. Case Studies between August 1988 and August 1989“, AI London, October 1989, AI-Index: EUR 44/101/89, S. 28f. aufgegriffen.
  59. Die Tatsache, daß die Angeklagten darauf drängten, das Europäische Abkommen zur Verhinderung der Folter unmittelbar anzuwenden, zeigt wie wenig informiert türkische Juristen an diesem Punkt sind. Die Verteidiger hatten offensichtlich das Europäische Abkommen mit dem UN Abkommen verwechselt.
  60. Im allgemeinen ist es eine Praxis von Militärjuntas, die die Menschenrechte in systematischer Weise verletzen, auf der einen Seite Konventionen zu ratifizieren und auf der anderen Seite eine Politik zu verfolgen, die Wirkung davon im nationalen Recht zu verzögern. So hat beispielsweise die Militärjunta von Chile das UN-Abkommen zu den zivilen und bürgerlichen Rechten am 10.02.72 ratifiziert, aber das Ratifizierungsgesetz (Nr. 778) wurde erst am 30. November 1976 erlassen. Dieses Gesetz wurde lange Zeit im chilenischen Amtsblatt nicht veröffentlicht, damit es auf die nationale Rechtssprechung keine Auswirkung hat. In dieser Zeit hat das Hohe Gericht von Chile die Entscheidung gefällt, daß das Abkommen in Chile nicht als ein gültiges Dokument betrachtet werden könne. (vgl. hierzu: Mehmet Semih Gemalmaz: Standards von außerordentlichen Regimen in der übernationalen Menschenrechts-Rechtssprechung; S. 119, Fußnote 23).
  61. zum Urteil vgl. Cumhuriyet vom 11.07.1988, S. 8.
  62. Eralp Özgen: „Das UN Akbommen gegen die Folter und unmenschliche Verhaltensweisen“, Zeitschrift der Anwaltskammer der Türkei, September 1988, S. 2, S. 208-233, besonders S. 216; Mehmet Semih Gemalmaz, „Verhinderung der Folter“, Zeitschrift Görüs, Oktober 1988, S. 23, Istanbul Nr. 6.