Menschenrechtsbewegung der Türkei

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Einleitung

Zum "letzten Gipfeltreffen" der OSZE im 20. Jahrhundert, das im November 1999 in Istanbul stattfand, waren über 70 NGOs aus der Türkei gemeldet. Eine stolze Zahl, die aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß die Menschenrechtsbewegung der Türkei noch sehr jung und nicht besonders stark entwickelt ist. Von den gemeldeten Organisationen können auch nur wenige als Aktivisten im Bereich der Menschenrechte betrachtet werden, da die türkische Regierung alle Gruppierungen, die als "non-governmental" (*) gelten konnten, ermutigt hatte, an den Treffen teilzunehmen.

Unter den NGOs waren sowohl akademische Initiativen, als auch Industriellen-, Gewerkschaftsverbände und eher touristische Unternehmungen wie der Lions- oder Rotary-Club, die kaum das Attribut Menschenrechtsorganisation verdienen und zum Teil -obwohl formell regierungsunabhängig- dennoch eher auf der Regierungsseite ihren Platz einnehmen. Dabei sollte nicht übersehen werden, daß in der Türkei der 90er Jahre die Industriellen (zumindestens Teile davon) eine durchaus progressive Rolle in Bezug auf die Demokratisierung der Türkei übernommen haben.

Eine Studie des Industriellenverbandes TÜSIAD vom Frühjahr 1997 zu "Perspektiven der Demokratisierung" war dabei nur ein Anfang. Es folgten eine Reihe von eher akademischen Veranstaltungen und inzwischen hat sich aus dieser Initiative die sogenannte "Bienen-Bewegung" (arı hareketi) entwickelt, die sich neben dem allgemeinen Ziel der Demokratisierung der Türkei auch Verbesserungen im Bereich der Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hat. Diese Gruppierung ist bislang jedoch ebenso wie die "Helsinki Citizens' Assembly" und diverse universitäre Lehrstühle für Menschenrechte kaum oder gar nicht in der Öffentlichkeit aufgetreten.

Eine erste Art von offizieller Anerkennung auf Landesebene fanden die sonst in der Türkei verpönten Menschenrechtsorganisationen im Vorfeld der Veranstaltungen der OSZE. Der für Menschenrechte zuständige Minister hatte ein Treffen mit 23 Organisationen organisiert, auf dem die vorrangigen Probleme der Türkei zur Diskussion standen. Geladen waren neben den offiziellen "Beratern" verschiedener Ministerien auch die bis dahin als "terroristisch" und "fundamentalistisch" gebrandmarkten Menschenrechtsvereine IHD (Insan Haklari Dernegi = Menschenrechtsverein) und Mazlum-Der (der Verein für Menschenrechte und Solidarität mit den Unterdrückten).

Diese beiden Organisationen sowie die Menschenrechtsstiftung der Türkei (Türkiye Insan Haklari Vakfi = TIHV), die aus dem IHD hervorgegangen ist, sollen in diesem Artikel der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt werden. (**)

(*) NGO, non-governmental organizations = Nicht-Regierungsorganisationen auch NRO abgekürzt

(**) Angaben zum IHD und zur TIHV finden sich auch in Helmut Oberdiek: "Der Menschenrechtsverein und die Menschenrechtsstiftung der Türkei" in: Zeitschrift für Türkeistudien, Leske + Budrich, 1/91, S. 23-26

Der Menschenrechtsverein IHD

Insan Haklari Dernegi (IHD) Die Gründung des Menschenrechtsvereins IHD ist eng mit den Ereignissen nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 verknüpft. Das Militär blieb zwar nur bis 1983 direkt an der Macht, allerdings hatten die Generäle durch die Verfassung von 1982 und mit mehr als 800 Gesetzen, die sie in 3 Jahren verabschiedeten, eine Situation geschaffen, in der es fast unmöglich war, eine legale Opposition zu formieren. Die Angehörigen der politischen Gefangenen waren eine der wenigen kritischen Stimmen im Lande. (*)

Zusammen mit RechtsanwältInnen, JournalistInnen und anderen Intellektuellen bildeten die Angehörigen der politischen Gefangenen den Kern der 98 GründerInnen des IHD, der sich im Juli 1986 konstituierte. Die Entscheidung bei der Organisationsform fiel zugunsten eines Vereins aus, dessen Stärke die Zahl der Mitglieder und ihre Aktionen ausmachen sollten (im Unterschied zu einer kleinen, einflußreichen Gruppe, die vorwiegend mit Presseerklärungen agieren wollte).

Aufgrund der restriktiven Gesetze dauerte es weitere 9 Monate, bis nach zweifacher Änderung der Satzung der IHD offiziell anerkannt wurde. In der endgültigen Fassung lautete das Ziel des IHD nun "zu jeder Art von Menschenrechten und Grundfreiheiten zu arbeiten". Neben der Zentrale in Ankara kam es rasch zur Formierung von Zweigstellen, die anfänglich nur in den provinziellen Hauptstädten möglich waren. Bis zum Jahre 1999 war die Zahl der Zweigstellen auf 59 (in insgesamt 80 Provinzen der Türkei) angestiegen. Von der offiziell angegeben Zahl der Mitglieder (25.000) dürfte maximal die Hälfte zu den "zahlenden und wenigstens teilweise aktiven" Mitgliedern zählen. Bei der Zahl der aktiven Zweigestellen verhält es sich ebenso, wobei an diesem Punkt die ständig wiederkehrenden Verbote einer Betätigung durch Gouverneure einen wesentlichen Grund für Inaktivität darstellt.

Von Beginn an wurde die Arbeit des IHD sowohl von den Staatsvertretern wie den Gouverneuren und Landräten, aber auch von der Justiz behindert. Sowohl der zentrale Vorstand als auch die Funktionäre der Zweigstelle wurden mit einer ganzen Reihe von Verfahren überzogen, die nicht selten mit Haftstrafen von etlichen Monaten, bzw. mehreren Jahren endeten. Viele der führenden Mitglieder mußten ins Gefängnis. Am bekanntesten unter den Gefangenen, die wegen ihrer Menschenrechtsarbeit in den Knast mußten, dürften dabei die derzeitige Vorsitzende des IHD Istanbul, die Rechtsanwältin Eren Keskin und der bis zu seiner Inhaftierung im Juni 1999 langjährige Vorsitzende des Gesamtvereins, Akin Birdal sein.

Akin Birdal verkörpert in seiner Person nicht nur das ständig gegenwärtige Risiko der Inhaftierung, sondern als Überlebender eines bewaffneten Überfalls vom Mai 1998, die Gefahr, physisch liquidiert zu werden. Seit seiner Gründung im Jahre 1986 hat der IHD mehr als 10 seiner führenden Mitglieder durch politische Morde (**) verloren, von denen bisher kaum einer aufgeklärt wurde. (***)

Der IHD hat an seiner Entscheidung, zu allen Menschenrechten zu arbeiten, festgehalten. Dementsprechend wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Kampagnen durchgeführt (von der Abschaffung der Todesstrafe bis hin zu den Rechten der Fußgänger). Der Schwerpunkt der Arbeit ist jedoch mehr oder weniger gleich geblieben. Selbst wenn die Zahl der politischen Gefangenen abgenommen hat und längst nicht mehr soviele Angehörige von ihnen im IHD aktiv sind, so stehen Haftbedingungen und, als ein Teil davon, die Folter, nach wie vor im Mittelpunkt der Arbeit. Bei vielen Hungerstreiks hat sich der IHD als Vermittler zwischen den Gefangenen und der Administration bewährt.

Die "Nähe" zu den vorwiegend "links-extremen" politischen Gefangenen hat den IHD von Anfang dem Verdacht ausgesetzt, der "verlängerte Arm" dieser meistens gewalt-befürwortenden Organisationen zu sein. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Einsatz für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen häufig als Identifizierung mit deren Zielen angesehen wird. Der Vorwurf der Parteilichkeit und Einseitigkeit kann vielfach nur dadurch begegnet werden, daß die menschenrechtswidrigen Praktiken von bewaffneten Gruppierungen ebenfalls thematisiert werden.

Dies brachte amnesty international (ai) 30 Jahre nach der Gründung im Jahre 1991 dazu, Menschenrechtsverletzungen bewaffneter Gruppen praktisch identisch wie die staatlichen Verstöße zu behandeln. Parallel dazu erlebte auch der IHD in der Türkei eine entsprechende Diskussion, die allerdings nicht formell entschieden wurde, da mit der Betonung der Genfer Konvention als Leitschnur des Handelns eine Art Kompromiß bereits existierte. (****) In den letzten Jahren kann nicht nur in der Zentrale, sondern auch in wichtigen Zweigstellen, wie die von Istanbul, beobachtet werden, daß Übergriffe von bewaffneten Gruppen kritisiert werden, ohne jedoch den/die "Übeltäter" beim Namen zu nennen. (*****)

Mit fast identischer Regelmäßigkeit werden diese Presseerklärungen aber von den Medien der Türkei mißachtet, so daß in der Öffentlichkeit nach wie vor der von offizieller Seite verbreitete Eindruck vorherrscht, der IHD nehme einseitig (nur gegen Verletzungen der Regierung) Stellung. Auf dem Hintergrund eines über Jahrzehnte dauernden Krieges in den kurdischen Gebiete, wurde und wird dies als Parteinahme für eine der Kriegsparteien, die illegale Kurdische Arbeiterpartei PKK angesehen, was im Resultat bedeutet, daß der IHD das Image einer PKK-Sub-Organisation bekam.

Die eigentlichen Schwierigkeiten des IHD liegen jedoch in der alltäglichen Arbeit, für die sowohl die Miete, Personalkosten als auch die Mittel für die technischen Möglichkeiten von Telefon, Fax, e-mail und Internet aufgebracht werden müssen. Der Verein verfügt dabei praktisch nur über die Mitgliederbeiträge. Niedrige oder gar keine Einkommen der Mitglieder gepaart mit einer grundsätzlich eher schlechten Zahlungsmoral der Mitglieder sind aber nicht der einzige Grund für den chronischen Geldmangel. Erste Versuche, durch Projekte im europäischen Maßstab (wie die Schulung von Anwälten im Bereich der Individualbeschwerde) haben nur zum Teil eine internationale Unterstützung ermöglicht. Mit der Begründung, daß Vereine in der Türkei keine Hilfe aus dem Ausland empfangen dürfen, verhinderten die türkischen Behörden die Auszahlung von 80.000 EUR (ECU).

Die Mitgliedschaft des IHD in der Federation Internationale des Droits de l’homme (FIDEH) hat zwar eine Reihe von internationalen Kontakten ermöglicht, aber kaum finanzielle Erleichterung gebracht. Allgemein ist es richtig, daß der IHD international gesehen über mehr Anerkennung verfügt als national. Die Auslandsvertretungen in Ankara bedienen sich der Informationen des Vereins ebenso wie internationale Organisationen, sei es amnesty international oder Human Rights Watch.

Auszeichnungen wie der Menschenrechtspreis des deutschen Richterbundes für den ehemaligen Generalsekretär und jetzigen Vorsitzenden des IHD, Hüsnü Öndül, sind ein weiteres Zeichen für das Ansehen, das der Verein auf internationaler Ebene besitzt. Auf nationaler Ebene aber wird der Verein es schwer haben, die gleiche Akzeptanz zu finden. Von den fast täglich abgehaltenen Pressekonferenzen, die Opfer von Folter und anderer Menschenrechtsverletzungen in den Räumen des Menschenrechtsvereins abhalten, wird in der bürgerlichen Presse kaum noch berichtet. Das mag zum Einen daran liegen, daß diese stets wiederkehrenden Ereignisse an Nachrichtenwert verloren haben, es ist aber auch ein Zeichen dafür, daß dem IHD die nationale Aufmerksamkeit durchaus bewußt versagt wird.

In letzter Zeit scheint sich das Image des IHD leicht verbessert zu haben. Dies mag daran liegen, daß der "Hauptfeind" des Staates, die PKK, nicht mehr als so "gefährlich" angesehen wird. PKK-Führer Öcalan hat verkündet, daß seine Anhänger die Waffen niederlegen und nach einer Aussöhnung mit dem türkischen Staat suchen werden. Diesem Aufruf ist die Organisation bisher nur teilweise gefolgt. Es ist schwer vorherzusagen, welche Wende die Entwicklung nehmen wird, wenn die gegen Abdullah Öcalan verhängte Todesstrafe vollstreckt werden sollte. Für eine baldige Beendung der kriegerischen Handlungen zwischen den kurdischen Guerillas und den türkischen Sicherheitskräften fehlt es bislang an einer klaren Reaktion des türkischen Staates. So könnte es jederzeit wieder passieren, daß z.B. ein Aufruf des IHD zur Einstellung des Krieges und Anerkennung der kurdischen Realität als Unterstützung der PKK angesehen wird.

(*) Wenn man bedenkt, daß über eine halbe Millionen Menschen aus politischen Gründen festgenommen und gefoltert und mehr als eine Viertel Millionen vor Militärgerichten angeklagt wurden, wird deutlich, daß die Angehörigen von ihnen eine nicht zu übersehende Gruppe bildeten.

(**) Im Türkischen werden diese extra-legalen Hinrichtungen als “Morde unerkannter Täter” (faili mechul cinayetler) bezeichnet, wobei in dieser Bezeichnung mitschwingt, daß die Mörder unerkannt entkommen, weil sie sich staatlichen Schutzes erfreuen.

(***) Das Attentat auf Akin Birdal ist in gewisser Weise eine Ausnahme, denn schon nach kurzer Zeit konnten die Sicherheitksräfte die vermeintlichen Attentäter dingfest machen, die sich derzeit vor Gericht für den versuchten Mord verantworten müssen.

(****) Schon im Jahre 1992 wurde die Satzung des IHD um humanitäre Aspekte entsprechend der Genfer Konvention erweitert.

(*****) Dies hat auch damit zu tun, daß bei vielen Aktionen, selbst wenn angebliche Bekennerschreiben vorhanden sind, die Urheberschaft nicht immer gesichert ist. Vor allem im Kriegsgebiet haben sich die Parteien Aktionen, die das Ansehen schädigen konnten, gegenseitig “in die Schuhe geschoben”.

Die Menschenrechtsstiftung der Türkei

(Türkiye Insan Haklari Vakfi = TIHV)

Es gab eine Reihe von Gründen, warum der IHD sich schon bald entschloß, eine Stiftung zu gründen. Ein offensichtlicher Grund war, daß nur eine solche Einrichtung legal Gelder aus dem Ausland empfangen durfte. Es dauerte eine Weile, bis die notwendigen $ 25.000.- für die Gründung zusammen getragen waren, aber im Oktober 1989 wurde die Gründungsurkunde dem Direktorat für Stiftungen übergeben.

Aber ähnlich wie bei der Gründung des IHD wurden Einsprüche gegen die Satzung erhoben. So hieß es u.a., daß eine Stiftung nicht die Behandlung von Folteropfern in seine Satzung aufnehmen könne, “weil es in der Türkei keine Folter gebe”. Auch dem TIHV half eine allgemeinere Formulierung der Ziele, die nun mit “Recherche und Schulung zu allen Menschenrechten, die in internationalen Dokumenten festgelegt sind” beschrieben werden und es darüber hinaus ermöglicht, in diesem Bereich “medizinische Einrichtungen aufzubauen oder betreiben zu lassen”. Damit ist der Hauptpunkt der Arbeit umschrieben, denn als professionelle Organisation hat die TIHV sich die kostenlose Behandlung von Überlebenden der Folter vorgenommen. Die Zentren in Ankara, Istanbul, Izmir, Adana und seit einiger Zeit auch in Diyarbakir sind dabei vor allem die Anlaufstellen, in denen Behandlungspläne zusammengestellt werden, die dann mit der Hilfe von freiwilligen Helfern aus dem medizinischen Bereich physisch und psychisch behandelt werden.

Seit Beginn der Arbeit im Jahre 1990 wurden auf diese Weise an die 4.000 Überlebende der Folter behandelt. Die Gelder für diese Arbeit kommen vorwiegend aus dem Ausland (UN, Europarat, Schwedisches Rotes Kreuz, ai etc.). In einigen (europäischen) Ländern gibt es auch sogenannte Solidaritätskomitees, die sowohl bei der Identifizierung von potentiellen Geldgebern (für bestimmte Projekte) als auch zur Bekanntmachung der Arbeit an sich beitragen.

Von sehr großem Wert ist dabei die Arbeit des Dokumentationszentrums der TIHV, das in Ankara existiert. Hier werden tägliche Berichte über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei angefertigt. Aus diesen Berichten, die sowohl der Tagespresse als auch eigenen Recherchen entstammen, werden dann je nach Kapazität thematische Berichte, bzw. Jahresübersichten angefertigt. Die Tagesberichte können per Fax, e-mail oder s-mail empfangen werden.

Als professionelle Organisation hat die TIHV nicht soviel öffentliche Kritik einstecken müssen wie der IHD. Da sie aber als “Ableger” des IHD gilt, wird sie häufig mit dem IHD in einem Atemzug genannt. Es hat auch Gerichtsverfahren gegen führende Mitglieder des TIHV gegeben, die bislang aber alle glimpflich ausgingen. Das internationale Ansehen der TIHV dürfte das des IHD noch übersteigen, denn neben der allgemein als zuverlässig geltenden regelmäßigen Informationspolitik ist die Behandlung von Folteropfern besonders positiv einzuschätzen.

Der Verein Mazlum Der

Verein für Menschenrechte und Solidarität mit den Unterdrückten

Es gab eine Reihe von Menschenrechtsproblemen in der Türkei, um die sich der IHD wenig oder gar nicht kümmerte. Allgemein könnten diese Probleme (wie z.B. das Verbot, an Universitäten oder in öffentlichen Ämtern Kopftücher zu tragen) als Probleme der rechts-gerichteten oder religiösen Opposition bezeichnet werden. Da sich der im Januar 1991 gegründete Verein Mazlum-Der gerade dieser “Klientel” annahm, galt und gilt er vielfach als der “religiöse Menschenrechtsverein”.

Die Funktionäre des Vereins wenden sich vehement gegen ein solches Attribut, denn sie haben -wie der IHD- den Einsatz für alle Art von Menschenrechten auf ihre Fahnen geschrieben. Mazlum-Der wurde am 28. Januar 1991 von 54 Personen in Ankara gegründet. Dort ist auch die Zentrale angesiedelt. Bis zum Jahre 1997 hatte Mazlum-Der 13 Zweigstellen und 4.000 Mitglieder.

In der Organisationsform unterscheiden sich Mazlum-Der und der IHD nur wenig. Es könnte vielleicht behauptet werden, daß Mazlum-Der etwas klarer strukturiert ist. Innerhalb von Mazlum-Der existieren 5 Abteilungen, die für die Organisation, Schulung, Medien, soziale Beziehungen und Recht zuständig sind. Sechs Kommissionen arbeiten zu spezifischen Problemen. (*) Der wichtigste Ausschuß innerhalb von Mazlum-Der ist die Kommission, die sich mit Menschenrechtsverletzungen allgemein auseinandersetzt, bzw. sie dokumentiert. Zu den Problemen in den kurdischen Gebieten arbeitet eine Kommission, die sich die “Südost-Kommission” nennt.

Obwohl es viele Parallelen zwischen Mazlum-Der und dem IHD gibt, hat es erst in jüngerer Zeit eine Annäherung beider Organisationen gegeben. Den Ausgangspunkt mag eine gemeinsame Aktion aus dem Jahre 1996 gebildet haben, die beiden Organisationen allerdings eher “schadete” als “nützte”. Es ging dabei um den Versuch, türkische Soldaten, die von der PKK gefangen gehalten wurde, zu “befreien”. Im Endeffekt aber hatte die Initiative wenig Erfolg, wenn davon abgesehen wird, daß am Ende einige Soldaten freikamen. Das lag nichts zuletzt am Verhalten der PKK. Erst wurde erklärt, daß die Soldaten freikämen (Hürriyet vom 19.08.96), dann wurde dies dementiert, um anschließend wieder neue Hoffnungen zu wecken, so daß sich Ende August eine Delegation von Mazlum-Der und dem IHD zu den Lagern der PKK im Nordirak begab. Zu diesem Zeitpunkt aber erreichten sie nichts, außer daß ihre Fotos unter eine PKK-Fahne in der türkischen Presse erschienen, was noch heute beiden Organisationen die Anschuldigung der Sympathie mit der PKK einbringt. Es kam sogar zu einem Gerichtsverfahren gegen die Teilnehmer der Delegation wegen “Unterstützung der PKK”.

Ironie des Schicksal war, daß dieses Verfahren just an jenem 10. Dezember 1996 mit Freispruch endete, als es einer 2. Delegation gelang, sechs türkische Soldaten aus einem Lager der PKK zu holen. Dieser “Erfolg” hat jedoch weder Mazlum-Der noch den IHD vor weiteren Repressalien geschützt. Es hat nicht nur gegen den IHD sondern auch Mazlum-Der mehrere Prozesse gegeben und im Jahre 1999 wurden Zweigstellen von Mazlum-Der in den kurdischen Gebieten (z.B. in Urfa und Malatya) durch Anordnungen von Gouverneuren geschlossen.

Eine Prognose für die Zukunft von Mazlum-Der ist ebenso schwierig, wie jene für den IHD. Im Zuge der Aufnahme der Türkei als Kandidat für eine EU-Mitgliedschaft hat sich zeitweilig die allein auf Repression setzende Staatspolitik gegen Menschenrechtsorganisationen in der Türkei etwas gelockert. Ob diese jedoch ein Dauerzustand wird, bleibt angesichts der langwierigen Verhandlungen auf Mitgliedschaft der Türkei in der EU eher fraglich.

(*) Auch im IHD existieren Kommissionen, die allerdings keiner strikten Ordnung unterliegen und sowohl in der Bezeichung als auch den Inhalten von einer Zweigstelle zur anderen differieren können.