TKP
TKP (Türkiye Komünist Partisi - Kommunistische Partei der Türkei). Dieser Eintrag ist in der Rubrik
- VOR 1974 BESTEHENDE PARTEIEN UND GRUPPIERUNGEN WELCHE SPÄTER ZU IDEOLOGISCHEN REFERENZEN WURDEN
zu finden.
Gründung: 1920 in Baku (UdSSR) durch Mustafa Suphi und Sefik Hüsnü
Vorsitz: Ethem Nejat, 1921. Ismail Bilen, 1921 bis Mai 1973, Haydar Kutlu bis 1987.
Ideologie und Ziele:
- - Moskautreuer Kommunismus bis 1987
Parteiprogramm nach 1987 als TBKP, SBP und BSP:
- - Demokratische sozialistische Politik als Alternative zum Kapitalismus.
- - Politische und soziale Erneuerung.
- - Türkei als friedensfördernder Faktor in der Welt.
- - Lösung der Kurdinnenfrage auf gerechtem und friedlichem Wege, ohne die Integrität der Türkei zu verletzen.
Parteientwicklung:
Die Kommunistische Partei ist seit der türkischen Staatsgründung verboten, dennoch arbeitete sie seit 1923 aktiv im Untergrund. In den siebziger Jahren hat sie ihre Tätigkeiten auf der gewerkschaftlichen Ebene in beträchtlicher Weise intensiviert und vor allem innerhalb der DISK stark an Einfluss gewonnen. Sie dürfte vor dem Putsch etwa 70% der innerhalb des Gewerkschaftsdachverbandes Disk zusammengeschlossenen Gewerkschaften kontrolliert haben. Auch nach dem Putsch hatte sie eine intensive Gewerkschaftstätigkeit.
Die İGD (İlerici Gençler Derneği - Progressiver Jugendverein) und die İKD (İlerici Kadiınlar Derneği - Progressiver Frauenverein) waren zwei wichtige legale Vereinigungen, welche der TKP ermöglichten, Jugendliche und Frauen auf einer legalen Plattform für die TKP zu organisieren.
Im Jahr 1987 hat sich die TKP mit der TİP vereinigt, mit dem Ziel, in der Türkei eine legale kommunistische Partei aufzubauen. Zu diesem Zweck wurde am 7.10.1987 in Brüssel die Vereinigte Kommunistische Partei (Türkiye Birleşik Komünist Partisi) als Fusion der TKP und der TIP gegründet. Damals wurden der ehemalige Generalsekretär der TİP, Nihat Sargın, zum Präsident und der ehemalige Generalsekretär der TKP, Haydar Kutlu, zum Generalsekretär, Mehmet Karaca zum Vizepräsident und Osman Sakalsız zum Vizegeneralsekretär gewählt. Im November 1987 sind Dr. Nihat Sargın und Haydar Kutlu aus ihrem Exil in die Türkei zurückgekehrt und wurden verhaftet.
Nachdem die TBKP im Jahre 1990 vom Verfassungshof verboten worden ist, hat Kutlu die SBP (Sosyalilst Birlik Partisi - Sozialistische Einheitspartei) als Folgepartei der TBKP gegründet. Im Jahre 1993 wurde auch diese Partei wegen ihrer Haltung zur Kurdinnenfrage verboten.
Aufgrund dieses Verbots wurde unter Sadun Eren die BSP (Birleşik Sosyalist Parti - Vereinigte Sozialistische Partei) gegründet, welche sich im Jahre 1996 unter Mitwirkung von Devrimci Yol- und Kurtuluş-Kreisen unter der Benennung ÖDP (Özgürlük ve Dayanisma Partisi - Partei der Freiheit und Solidarität) restrukturiert hat.
Eine Gruppe von TKP-Anhängerlnnen, welche sich nicht der ÖDP angeschlossen haben, versuchen zurzeit, die TKP zu reaktivieren. Zu diesem Zweck organisiert diese Gruppe Sitzungen in Istanbul, welche allerdings noch zu keinem konkreten Resultat geführt haben.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Gruppe TKP-İşçinin Sesi (TKP-Arbeiterstimme), welche unter Yörükoğlu in London basiert, sich als Fortsetzung der TKP versteht.
Seit 1985 bringt diese Gruppe eine Zeitschrift mit dem Namen İşçinin Sesi heraus.
Aktuelle Situation:
Die TKP hat praktisch sämtliche Tätigkeiten als unabhängige politische Partei eingestellt. Ihre ehemaligen Anführerinnen und Sympathisantinnen haben sich auf der legalen Plattform in verschiedenen Parteien und politischen Organisationen engagiert. Die ÖDP versammelt heute den grössten Teil der ehemaligen Anführerinnen und Sympathisantinnen der TKP und ihrer Nachfolgeparteien.
Hochburgen: vor allem in den Großstädten der Westtürkei, war jedoch in den siebziger Jahren auch in gewissen Regionen Kurdistans recht stark vertreten.
Verfolgungssituation:
Die Mitgliedschaft bei der TKP wurde bis im Moment der Verabschiedung des Anti-Terror-Gesetzes unter Anwendung der Artikel 141/142 TStGB (Türkisches Strafgesetzbuch) mit einer mehrjährigen Gefängnisstrafe geahndet. Da diese Partei verboten war, führten Mitgliedschaft respektive jegliche Aktivität zu ihren Gunsten zu staatlicher Verfolgung. Hunderte von TKP-Anhängerlnnen sind nach dem Putsch von 1980 inhaftiert, angeklagt und verurteilt worden. Auch in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wurden vor allem in Ankara, Istanbul und Izmir zahlreiche mutmaßliche Mitglieder der TKP in Gerichtsverfahren der Mitgliedschaft der TKP angeklagt und zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Alle wurden gefoltert. Die gegen sie verhängten Urteile wurden im Juni 1988 vom Kassationsgericht mehrheitlich bestätigt.
Auch Kutlu und Sargın wurden im Moment ihrer Rückkehr aus dem Exil am 16.11.1987 am Flughafen verhaftet, sofort zum Polizeihauptquartier nach Ankara gebracht und trotz weltweiten Protesten während 19 Tagen in Polizeigewahrsam gehalten und in dieser Zeit auch gefoltert. Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens wurden gegen beide mehrere hundert Jahre Zuchthaus beantragt. Während sie im Mai 1990 das Gefängnis vorläufig verlassen konnten, wurde ihr Verfahren schließlich erst aufgrund der Verabschiedung des Anti- Terror-Gesetzes eingestellt.
Auch auf der gewerkschaftlichen Ebene waren bis im Jahre 1991 zahlreiche mutmaßliche Mitglieder der TKP in Gerichtsverfahren involviert.
Seit der Verabschiedung des Anti-Terror-Gesetzes, bzw. der damaligen Aufhebung der Art. 141, 142 TStGB führt die alleinige Mitgliedschaft und die Tätigkeit innerhalb der TBKP, bzw. ihrer Nachfolgeparteien SBP, BSP und ÖDP zu keiner Repression mehr.
Wer sich jedoch innerhalb dieser Parteien speziell für die Kurdinnenfrage engagiert, muss nach wie vor mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen. So ist uns ein Fall von einem Mitglied der SBP bekannt, welches aufgrund der alleinigen Tatsache, dass es anlässlich einer Podiumsdiskussion das Wort "Kurdistan" ausgesprochen hat, zu einer 5jährigen Zuchthausstrafe verurteilt worden ist. Auch intensive Gewerkschaftstätigkeiten können zu asylrelevanten Problemen führen.
Urheberrechtlicher Hinweis: Alle Angaben sind dem Werk "Türkei-Turquie" der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), Bern, April 1997 entnommen. Die Loseblattsammlung ist vergriffen. Deshalb waren die Autorin Denise Graf und der Autor Bülent Kaya ausdrücklich damit einverstanden, dass der Inhalt per Internet einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Im Text wurde weitestgehend die neue deutsche Orthographie benutzt. Es wurden keine inhaltlichen Veränderungen vorgenommen.