TKP/ML

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TKP/ML (Türkiye Komünist Partisi/Marxist-Leninist / Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-leninistisch). Dieser Eintrag ist in der Rubrik

VOR 1974 BESTEHENDE PARTEIEN UND GRUPPIERUNGEN WELCHE SPÄTER ZU IDEOLOGISCHEN REFERENZEN WURDEN

zu finden.

Gründung: 1972 spaltete sich die anti-revisionistische Opposition um İbrahim Kaypakkaya von der TIKP ab und gründete die TKP/ML.

Vorsitz: İbrahim Kaypakkaya

Ideologie und Ziele:

  • - Demokratische Volksrevolution gegen Kapitalismus, Faschismus, Feudalismus und Imperialismus.
  • - Marxistisch-leninistischer Sozialismus, China-orientiert.
  • - Befreiung der Arbeiterinnenklasse und der Bauern/Bäuerinnen durch bewaffneten Kampf.

Organisationsentwicklung:

Binnen eines Jahres nach der Gründung der TKP/ML wurden die zwei Unter- bzw. Nebenorganisationen, der bewaffnete Kampfverband TIKKO (Befreiungsarmee türkischer Bauern/Bäuerinnen und Arbeiterinnen) und die Jugendorganisation TMLGB (Marxistisch¬Leninistischer Jugendverband der Türkei) gegründet. Mitte 1973 erfolgte eine großangelegte Militäroperation gegen die TKP/ML, in deren Folge İbrahim Kaypakkaya und andere führende Personen und Aktivistinnen der Partei von den Sicherheitskräften verhaftet wurden. İbrahim Kaypakkaya starb am 18. Mai 1973 im Militärgefängnis von Diyarbakır. Als offizielle Todesursache wurde Selbstmord angegeben. Dieser Schlag beraubte die TKP/ML ihrer zentralen Führung und die Parteiaktivitäten erlahmten.

Aktuelle Situation:

Nach 1974 haben sich verschiedene Organisationen von der TKP/ML inspirieren lassen. Diese waren sowohl von deren Ideologie wie auch von der charismatischen Figur ihres Leaders, İbrahim Kaypakkaya, fasziniert. Zu ihnen zählen vor allem die DHB/TKP-ML Hareketi, die TKP/ML Partizan usw.

In der Rubrik

NACH 1974 EXISTIERENDE/GEGRUENDETE PARTEIEN UND GRUPPIERUNGEN UND IHRE HEUTIGE SITUATION

stehen folgende Angaben:

TKP/ML (nach 1974)

(Türkiye Komünist Partisi/Marxist-Leninist Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch - Leninistisch)

Gründung: 1972 spaltete sich die anti-revisionistische Opposition um İbrahim Kaypakkaya von der TİKP ab und gründete die TKP/ML.

Publikationen: Komünist, ILERI, PARTIZAN bis 1980

Ideologie und Ziele

  • - Marxistisch-leninistische und maoistische Ideologie.
  • - Demokratische Volksrevolution gegen Kapitalismus, Faschismus, Feudalismus und Imperialismus.
  • - Befreiung der Arbeiterinnenklasse und der Bauern/Bäuerinnen durch den bewaffneten Kampf.

Slogans:

Yaşasın Halk Savaşı (Es lebe der Volkskrieg), Faşizmi Döktüğü Kanda Boğacağız (Wir werden den Faschismus im von ihm vergossenen Blut ertränken), Dün bizimdi, bugün bizimdir, zafer de bizim olacak (Gestern gehörte uns, heute gehört uns und der Sieg wird uns gehören), Bir Dersim Yetmez Hedef Bin Dersim (Ein Dersim genügt nicht, das Ziel ist 1000 Dersim), Dağların Kartalı Baba Erdoğan Yaşıyor (Der Bergadler Baba Erdogan lebt), TİKKO Savaşıyor (Die TIKKO kämpft), Kurtuluş Namlunun Ucundadır (Die Befreiung erfolgt über den Pistolen lauf).

Organisationsentwicklung

Nach der Generalamnestie von 1974 begann eine Phase des Wiederaufbaus der Partei, vor allem in Tunceli und Istanbul. Ideologische Kämpfe führten zu dieser Zeit zur Abspaltung der Bewegung TKP/ML Hareketi (TKP/ML Bewegung), die sich 1976 legal als HB (Halkın Birliği - Volkseinheit) formierte und eine gleichnamige Zeitschrift herausgab. Auch in der HB, die sich selbst als die Nachfolgeorganisation der TKP/ML bezeichnet, zeigten sich indes bald Anzeichen innerer Zersplitterung, in deren Folge sich diese 1977 in mehrere Fraktionen aufspaltete. 1978 spaltete sich die DHB von der HB ab.

Als stärkste Fraktion und Opposition gegen diese Abspaltungen erwies sich die Halkın Gücü, deren legale Bezeichnung Partizan lautete. Sie verlieh der Partei wieder eine innere Struktur und übernahm zuerst in Istanbul, später dann auch im Osten die Führung der TKP/ML. In dieser Zeit wurde auch die gleichnamige legale Zeitschrift Partizan herausgegeben.

1978 wurde das TKP/ML Geçici Koordinasyon Komitesi (Provisorisches Koordinationskomitee der TKP/ML) gegründet. Dieses Komitee bereitete die erste Konferenz der Partei vor, welche im selben Jahr stattgefunden hat. Anlässlich dieser Konferenz wurde Sefa Kaçmaz zum Generalsekretär der Partei gewählt. Er versah diese Aufgabe bis zum Putsch von 1980. Im Jahre 1981 fand die zweite Konferenz der TKP/ML statt. Anlässlich dieser Konferenz spaltete sich eine Gruppe unter der Führung von Sefa Kaçmaz von der TKP/ML ab und begann, die Zeitschrift "Mücadele Bayrağı" herauszugeben. Grund dieser Abspaltung war, dass diese Gruppe die Meinung vertrat, dass die Ideen von Mao und İbrahim Kaypakkaya veraltet seien und deren Thesen keine Antworten für die aktuellen Probleme der Türkei beinhalteten.

Im Jahre 1987, als die 3. Konferenz der Partei vorbereitet wurde, hat eine Gruppe, welche sich später DABK (Doğu Anadolu Bölge Komitesi - Ostanatolisches Regionalkomitee) nennt, die Politik der Partei wegen ihres Abkommens vom bewaffneten Kampf kritisiert und die an der 3. Konferenz gewählten Vorsitzenden im Zusammenhang mit ihrem Programm als Opportunistlnnen qualifiziert. In der Folge hat sich die DABK von der TKP/ML getrennt und ihre eigene Zeitschrift namens Denge Partizan (Stimme der Partizan) herausgebracht. Diese Gruppe vertritt die Idee, wonach alle sozialistischen Länder der Welt wieder kapitalistisch geworden sind.

In der Folge der 3. Konferenz gab es drei verschiedene Gruppen, welche auch heute noch bestehen und sich allesamt als TKP/ML TIKKO ausgeben: (Diese drei Organisationen haben autonome Strukturen.)

  1. TKP-ML Doğu Anadolu Bölge Komitesi (DABK) (Denge Partizan)
  2. TKP-ML Konferansçılar Kanadı (Partizan)
  3. TKP-ML Maoist Merkez Kanat

Im Jahre 1992 haben sich die Gruppen DABK und TKP/ML Konferansçılar Kanadı wieder vereinigt und sich auf den Namen TKP/ML TIKKO berufen. In der Folge haben sie die legale Zeitschrift Yeni Demokrasi wieder herausgegeben.

Im Jahre 1995 haben sich diese beiden Gruppen erneut getrennt und bestehen seither beide unter der Benennung TKP/ML TIKKO als autonome Organisationen. Diese Trennung hat keine ideologischen Hintergründe. Die Gruppe DABK wurde seitens dem Konferansçılar Kanadı als "Putschisten" und der Konferansçılar Kanadı seitens der DABK als "Mafia" verschrien.

Die DABK

Die DABK ist heute die aktivste aller Gruppen. Deren Existenz wird jedoch durch massive interne Probleme erschüttert. So wurden gewisse ehemalige Mitglieder der Organisation als Agentinnen des Sicherheitsdienstes oder gar als konterrevolutionär bezeichnet und deswegen umgebracht. Bis heute sollen bereits mehr als zehn Personen auf diese Weise eliminiert worden sein. Anlässlich einer Operation mit dem Namen Kardelen Hareketi, welche im Moment der Konferenz zur Vorbereitung des Parteikongresses vom 9.2.1996 in den Munzur-Bergen stattgefunden hat, hat die DABK gewisse seiner Kaderleute verhaftet. In der Folge wurde eine Untersuchungskommission gebildet, um diese Personen zu verhören und diejenigen, die zum Tode verurteilt worden sind, wurden seitens der TIKKO umgebracht. Nach der Zeitung Partizan Sesi, wurde diese Operation namens KH gegen die KDH (Karşı Devrimci Hücre - Zelle der Anti-Revolutionäre) Ende August 1996 abgeschlossen.

Publikationen

Heute gibt die DABK die alle zwei Monate erscheinende Zeitung Partizan Sesi heraus, sowie manchmal auch die Partizan Gençlik. Sie werden in der Türkei von Altınçağ Yayımcılık publiziert. Büros dieser Zeitungen befinden sich in Kartal, Izmir, Kayseri, Gaziosmanpaşa, Adana, Ümraniye und Bursa. Das Publikationsorgan İKK (İşçi Köylü Kurtuluşu) erscheint illegal für das breite Volk.

Legale Organisationen

Die Verwandten und Bekannten von verhafteten Mitgliedern der TKP-ML haben sich in verschiedenen Vereinigungen wie der DETUDAP und der TUAD zusammengeschlossen, um sich für die Rechte der Häftlinge einzusetzen.

Illegale Organisationen

Die TMLGB (Türkiye Marksist-Leninist Gençler Birliği - Union der Marxistisch-Leninistischen Jugend der Türkei), ist eine Jugendorganisation der Fraktion DABK der TKP/ML.

Die TIKKO (Türkiye İşçi Köylü Kurtuluşu Ordusu - Befreiungsarmee der Arbeiterinnen und Bauern/Bäuerinnen der Türkei) ist der militärische Flügel der TKP-ML.

TKP-ML Konferansçılar Kanadı =

Diese Gruppe handelt unabhängig. Nach der Spaltung der DABK ist die Zeitung Yeni Demokrasi in ihren Händen geblieben. Nach der Schließung von Yeni Demokrasi, wurde die Zeitung Özgür Gelecek von dieser Organisation in der Türkei legal herausgegeben.

Hochburgen der Organisation

In der Region Tunceli und Umgebung sowie in den Elendsquartieren der großen Städte, wie den Quartieren Gazi und Ümraniye in Istanbul. Die verschiedenen Fraktionen der TKP-ML sind auch im Umfeld der universitären Studierenden aktiv.

Verfolgungssituation

Nach dem Putsch sahen sich die Militanten und Sympathisantinnen der TKP/ML ausgedehnten und intensiven Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Sie wurden verhaftet, gefoltert und vor Militärgerichte geführt. Viele wurden zum Tode oder zu sehr langen Zuchthausstrafen verurteilt.

Der türkische Staat stuft diese Gruppe als eine der gefährlichsten ein. Deshalb ist sie eine beliebte Zielscheibe der Geheimdienste und der Anti-Terror-Einheiten. Wie die Militanten und Sympathisantinnen von Devrimci Sol sind auch diejenigen der TKP/ML gefährdet, physisch eliminiert zu werden. Man muss davon ausgehen, dass die Geheimdienste über zahlreiche Informationen verfügen bezüglich der Personen, die für die Organisation aktiv sind. Schon Ende der 80er Jahre deuteten Presseartikel auf äußerst detaillierte Polizeiregister über Sympathisantinnen der TKP/ML hin.

Im Zusammenhang mit Aktivitäten für die TKP/ML oder als Sympathisantinnen der Organisation fichierte Personen laufen Gefahr, bei jeder Operation verhaftet und schwer gefoltert zu werden. Auch Personen im Umkreis der Publikationen der TKP/ML, insbesondere deren MitarbeiterInnen, droht Verfolgung, weil sie der Mitgliedschaft bei der TKP/ML verdächtigt werden.

In den 90er Jahren wurden wichtige Kaderleute wie Süleyman Cihan, Baba Erdoğan und Kazım Ekinci von der Polizei bei verschiedenen Operationen getötet. Nicht nur Kaderleute, sondern auch einige Sympathisantinnen sind Opfer extra-legaler Hinrichtungen geworden.

Angesichts der Intensität der Verfolgung gegen die TKP/ML flohen zahlreiche Militante und Sympathisantinnen nach Europa.

Beim Hungerstreik, der im Juli 1996 von Häftlingen verschiedener Gefängnisse initiiert wurde, verlor ein Militanter der TKP-ML TIKKO, Hayati Can, das Leben.

Urheberrechtlicher Hinweis: Alle Angaben sind dem Werk "Türkei-Turquie" der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), Bern, April 1997 entnommen. Die Loseblattsammlung ist vergriffen. Deshalb waren die Autorin Denise Graf und der Autor Bülent Kaya ausdrücklich damit einverstanden, dass der Inhalt per Internet einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Im Text wurde weitestgehend die neue deutsche Orthographie benutzt. Es wurden keine inhaltlichen Veränderungen vorgenommen.