JİTEM

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Spezialeinheit JİTEM

JİTEM ist die Bezeichnung für den Nachrichtendienst der türkischen Gendarmerie, dessen Existenz offiziell geleugnet wird und dessen Namen häufig im Zusammenhang mit Verbrechen fällt, die in der Republik Türkei dem Staat im Staate (auch tiefer Staat genannt) zugerechnet werden. Die Abkürzung steht für Jandarma İstihbarat ve Terörle Mücadele (Nachrichtendienst und Terrorabwehr der Gendarmerie). Ebenfalls gebräuchlich ist die Abkürzung JİT Jandarma İstihbarat Teşkilatı. Als Gründer der Organisation werden Brigadegeneral a.D. Veli Küçük und der Oberst Arif Doğan und als Datum 1987 genannt. (Quelle: Soner Yalçın Binbaşı Ersever'in İtirafları (Geständnisse des Majors Ersever), Istanbul, Dezember 1996, ISBN 97533430657) 1997 interviewte der Journalist Serhan Yedig den Major Arif Doğan in Yalova, wo er die Gendarmerie kommandierte. Der Oberst antwortete ihm auf die Frage, ob er JİTEM gegründet habe: "Es gibt keine Organisation mit Namen JİTEM. Zusammen mit dem Kommandanten Veli Küçük haben wir die Intelligenzabteilung neu strukturiert." (Quelle: siehe Tageszeitung Hürriyet vom 20.11.2005)

Cem Ersever

Eng verbunden ist die JİTEM mit dem Namen des Majors der Gendarmerie, Ahmet Cem Ersever. Er führte angeblich die JİTEM, als sich die Türkei mit dem "großen Vorstoß" der PKK im Spätsommer 1984 einer völlig neuen Bedrohung gegenübersah und Militär und Geheimdienst nicht ausreichend auf einen Guerilla-Krieg vorbereitet waren.

Cem Ersever wurde 1950 in Erzurum geboren. 1972 schloss er die Kriegsschule (Harp Okulu) ab und war zunächst mit der Bekämpfung von Schmuggel befasst. (Quelle: Biografische Angaben in Türkisch sind bei biografi.net zufinden) Er war mit dem Kommandeur der Gendarmerie, Eşref Bitlis eng befreundet. (Quelle: Çetin Ağaşe Cem Ersever ve Jitem Gerçeği (Cem Ersever und die Realität von JİTEM), Istanbul 2003, ISBN: 9756553952) Nach dessen zweifelhaften Tod durch den Absturz eines Flugzeugs nach Bombenexplosion am 17.03.1993 trat Cem Ersever mit 30 Freunden aus dem Dienst aus. Dabei kündigte er an, die Öffentlichkeit über die Mängel des Kampfes gegen die PKK zu informieren. (Quelle: Çetin Ağaşe Cem Ersever ve Jitem Gerçeği S. 99)

Ersever "verschwand" am 24.10.1993, als er die Notizen, die er dem Journalisten Soner Yalçın gegeben hatte, einem Gericht in Ankara übergeben wollte. Am 01.11.1993 wurde die Leiche seiner Freundin Neval Boz, am 02.11.1993 die Leiche des Überläufers Murat Demir und am 04.11.1993 wurde die Leiche von Ahmet Cem Ersever jeweils in Orten bei Ankara gefunden.

Abdülkadir Aygan

Abdülkadir Aygan ist einer der bekanntesten Überläufer der PKK. Er wurde am 15. März 1958 in Urfa, Landkreis Suruc, im Dorf Uzunhidir geboren. Während des Militärdienstes auf Zypern ist er aus der Armee nach Europa geflüchtet. In Europa hat er sich der PKK angeschlossen und sich in Sason, Mutki und Sirvan an den politischen Aktivitäten beteiligt. 1985 hat er sich den türkischen Sicherheitskräften ergeben. Unter Anwendung des "Reuegesetzes" kam er 1990 frei. Im März 1990 traf er mit Cem Ersever und und dem Oberst Arif Doğan zusammen. Nach der Entlassung leistete er den restlichen Militärdienst ab und kam später zur siebenköpfigen JİTEM-Kadergruppe, die durch A. Cem Ersever gegründet worden war. Im Jahr 2000 wurde er aus JİTEM entlassen und nach Burdur beordert. Hier war er Angeklagter in einem Verfahren gegen Folterer unter dem neu erworbenen Namen Aziz Turan (vgl. Jahresbericht der TİHV 2005). Er ist verheiratet und Vater von 5 Kindern. (Quelle: Die Angaben sind im Wesentlichen dieser Seite im Internet entnommen.)

Seine Bekenntnisse erschienen in dem Buch İtirafçı: Bir JİTEM'ci anlattı ("Überläufer: Ein JITEM-Mitarbeiter berichtet"). Seine Aussagen berichten von Hinrichtungen und Entführungen und brachten fünf weitere Überläufer der PKK vor Gericht wegen Verwicklung in insgesamt acht Mordfälle. In dem Artikel der Studie von der Stiftung für Wirtschafts- und Sozialstudien in der Türkei (TESEV) vom September 2006 mit dem Titel "Almanach 2005: Sicherheitssektor und demokratische Überwachung" werden 29 Morde aufgelistet, die Aygan geschildert haben soll. In der schwedischen Tageszeitung "Expressen" vom 10.03.2005 war ein Interview des Kolumnisten Eşref Okumuş mit Abdülkadir Aygan abgedruckt (Quelle: Übersetzung in die türkische Sprache der Tageszeitung "Expressen"). In diesem Interview wurde auf die Ermordung von mindestens 36 Oppositionellen in der Türkei hingewiesen.

Aygan machte in diesem Interview weitere aufschlussreiche Angaben. Zum Einen sei seine Familie von der PKK in Moskau als Geisel gehalten worden, als er im März 2004 der pro-kurdischen Presse gegenüber "auspackte". Zum anderen habe er sich 1995 von JITEM trennen wollen, aber Öcalan habe ihn aufgefordert, weiter zu machen. Gefragt ob der türkische Geheimdienst die PKK unterwandert habe und sie leite, sagte Aygan, dass für ihn die Beziehungen zwischen der PKK und dem Staat einer Art von Mafia-Gruppen ähnele, die auch in blutige Abrechnungen miteinander verstrickt sein, aber dennoch Informationen austauschten und sich in ihren Methoden ähnelten.

Die Memoiren von Abdülkadir Aygan beinhalten auch Dokumente (Gehaltsabrechnungen), die belegen, dass er 1991 unter dem Namen Aziz Turan im Dienste der JİTEM stand. Ertan Beşe, Dozent an der Polizeihochschule, hält dies für den durchschlagendsten Beweis, dass die JİTEM zumindest existiert hat (Almanac S. 173).

Schilderungen anderer Überläufer

Schon vor Abdülkadir Aygan gab es "Überläufer", die der pro-kurdischen Presse von ihrer Arbeit für JİTEM berichteten.

Ayhan Öztürk hatte sich im August 1990 der PKK in Malazgirt angeschlossen, sie aber nach einer 2-monatigen Ausbildung wieder verlassen. Nach seinen Angaben wurde er erst bei der Gendarmerie in Şemdinli und dann 28 Tage im Polizeipräsidium von Hakkari gefoltert. Dann kam er ins Gefängnis in Hakkari und später in den Saal der "Geständigen" im Gefängnis in Diyarbakır. Im November 1993 stellte er sich dem Gebietsvertreter der Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan (Nationale Befreiungsfront Kurdistans = ERNK) in der mittleren Provinz, da er Reue wegen des Mordes an dem Vorsitzenden des Menschenrechtsvereins in Elazığ, dem Rechtsanwalt Metin Can und dem Arzt Dr. Hasan Kaya verspüre. Ayhan Öztürk sagte über die Zeit als "Überläufer":

"Kurze Zeit, nachdem ich in das Gefängnis von Diyarbakır gekommen war, wurde ich der Kontrolle der 'alten' PKK-Geständigen Alaattin Kanat und İdris Ahmet unterstellt. Sie haben mich zum 'Kontra' ausgebildet. Viele Geständige verließen die Haftanstalt, um 'Kontra-Aktionen' durchzuführen. Ich selber bin während der Haftzeit nicht aus dem Gefängnis gekommen. Aber Alaattin Kanat, İdris Ahmet, und zwei Geständige mit den Namen Yakın und Emin waren jedes Mal zwei Wochen fort. In dieser Zeit passierten draußen viele Morde an Patrioten. Durch das Reuegesetz wurde ich entlassen. Kaum war ich draußen, wurde ich mit dem unter dem Decknamen "Yeşil" (Grün) bekannten Mann (Mahmut Yıldırım), der bei den Kontr-Guerilla Aktivitäten eine wichtige Rolle spielt und ein wichtiger Mann ist, in Kontakt gebracht."

Den Mord an Metin Can und Hasan Kaya will Ayhan Öztürk mit İdris Ahmet (aus Syrien) und dem Mesut Mehmetoğlu (aus Diyarbakır) verübt haben. "Yeşil" habe dabei im Auto gesessen. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Özgür Gündem vom 19.11.93)

İbrahim Babat stammt aus Syrien. Er wurde 1965 geboren und heißt eigentlich Hacı Hasan. Er trug den Decknamen Mete. Als "Geständigem" wurden ihm 7 Jahre Haft versprochen, aber er wurde zu 17,5 Jahren Haft verurteilt und machte daher Angaben im Rahmen der Ermittlungen zum Susurluk Skandal. Darin sagte er u.a.:

"Ich war zwischen 1984 und 1988 für die PKK aktiv. Ich wollte zurück nach Syrien, aber mich hat ein Dorfschützer der Gendarmeriestation Kumçatı (Provinz Şırnak) übergeben. Ich wurde nach Şırnak gebracht und am Abend kamen zwei Personen mit einem Hubschrauber. Einer davon war Ahmet Cem Ersever. Wir vereinbarten, dass eine Meldung über meinen Tod bei einem Gefecht herausgegeben wird und ich eine neue Identität erhalte. Ich erhielt einen Ausweis auf den Namen İbrahim Babat, der als 1972 geboren im Kreis Uludere (Şırnak) registriert war. Ich erhielt 500.000 Lira als Gehalt für meine Dienste." İbrahim Babat machte Angaben zum Mord an Hacı Ahmet Seyrek in Silopi (1988) und dem Tod von Mehmet Bayar, der einer für den Anwalt Hasip Kaplan vorgesehenen Bombe zum Opfer fiel. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Cumhuriyet vom 05.06.2000.)

Im Jahre 1993 ließ sich İbrahim Babat in Istanbul nieder und betätigte sich als Geldeintreiber. 1997 war er in eine Schießerei in Kadıköy (Istanbul) verwickelt und wurde danach wegen versuchten Mordes gesucht. Er wurde im Büro des Gründers der JİTEM, des ehemaligen Kommandanten der Gendarmerie in Yalova, Oberst Arif Doğan, gefasst. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Zaman vom 04.08.2002.)

Seit 1999 wurde ein Prozess gegen Hacı Hasan vor der 3. Kammer des Landgerichts Diyarbakır wegen Scheckfälschung, Raub und Mord geführt. Im November 2002 wurde er aus der Haft entlassen. Die mit ihm angeklagten Überläufer Adil Timurtaş, Recep Tırıl, der JİTEM Mitarbeiter Mehmet Zahir Karadeniz, der Dorfschützer Faysal Şanlı und der Informant der JİTEM, Lokman Gündüz waren schon vorher aus der Haft entlassen worden. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Özgür Politika vom 17.10.2002)

Mustafa Gün trat 1992 der PKK bei und stellte sich 1995. 4,5 Jahre arbeitete er als "Überläufer" für den Staat. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Özgür Politika vom 26.03.2001) Die Tageszeitung Özgür Politika veröffentlichte eine Serie mit seinen Angaben zwischen dem 26.03.2001 und 30.03.2001. Nachdem er über den Iran in die Türkei gekommen war, wurde er vom Geheimdienst MİT (Millî İstihbarat Teşkilâtı) und JİTEM verhört und kam in das Gefängnis in Van, von wo er zu militärischen Operationen eingesetzt worden sein soll. Mustafa Gün will vom Staatsanwalt am Staatssicherheitsgericht (SSG) in Diyarbakır, Nihat Çakır als Mitarbeiter von JİTEM angeworben worden sein. Ihm sei Strafmilderung, Geld (150-200 Millionen Lira monatlich) und freie Unterkunft angeboten worden. (Quelle: vgl. dazu die Meldung in der Tageszeitung Özgür Politika vom 27.03.2001)

Im Jahre 1988 soll ein Team aus 12 Überläufern zur Grenze im Kreis Yüksekova geschickt worden sein. Die Planung habe der Selahattin Nergiz (Deckname Fidel) gemacht. Ihnen sei gesagt worden, dass eine Gruppe PKK-Militanter im Anmarsch sei und sie hätten auf iranischem Boden einen Hinterhalt formiert. Sie hätten dann auf eine iranische Patrouille geschossen. Vier Soldaten wurden getötet und zwei wurden verletzt. Da alle Guerillakleidung trugen, wurde der Vorfall der PKK angelastet. Die Befehle zu solchen Einsätzen seien von der Abteilung für psychologische Kriegsführung im Generalstab gekommen. Der Vertreter dieser Abteilung in Diyarbakir war der Oberstleutnant Yusuf Çakır. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Özgür Politika vom 27.03.2001)

Mustafa Gün will bei den Morden an 5-10 Menschen zugegen gewesen sein. Er kenne ihre Namen aber nicht. Sie seien zu ihnen mit verbundenen Augen gebracht und dann von hinten erschossen worden. Die Leichen seien in den Grundmauern eines neu errichteten Militärgebäudes in Yüksekova zu finden. Einige habe man auch in den Stausee von Yüksekova geworfen. In Diyarbakır habe es einmal 400 Überläufer gegeben. Nun seien es kaum noch 100. Die Überläufer sollen Ausweise im Namen von JİTEM (tituliert als Geheimdienst der Gendarmerie in Ankara, Hakkari etc.) erhalten haben. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Özgür Politika vom 29.03.2001)

JİTEM soll Zentralen in Diyarbakır und Van gehabt haben, in denen offiziell 100-150 Personen beschäftigt waren. In Diyarbakır stand das Gebäude in Bağlar zumindest bis 1998 neben dem Gebäude der Polizei und wurde offiziell als Wohnheim bezeichnet. Dort sollen auch Verhöre durchgeführt worden sein. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Özgür Politika vom 30.03.2001)

Prozesse mit JİTEM Hintergrund

Neben dem o.a. Verfahren gegen Hacı Hasan (alias İbrahim Babat) hat es eine Reihe von Verfahren gegeben, in denen Überläufer, Angehörige des Militärs, Dorfschützer und auch als Mitarbeiter von JİTEM bezeichnete Personen angeklagt waren.

  • Die Ermordung von Mehmet Şerif Avşar

Vor dem 3. Strafgericht von Diyarbakir ging Ende März 2000 das Verfahren gegen den PKK Überläufer Mesut Mehmetoğlu und die Dorfschützer Aziz Erbay, Zeyyat Akçıl, Fevzi Gökçe, Ömer Güngör und Yaşar Günbatı zu Ende. Ihnen war die Entführung und Ermordung von Şerif Avşar am 22. April 1994 zur Last gelegt worden. Ömer Güngör wurde wegen vorsätzlichem Mord zu 24 Jahren Haft verurteilt. Die anderen Angeklagten erhielten eine Strafe von 8 Jahren Haft wegen Entführung. In dem Urteil wurde der Unteroffizier Gültekin Sütçü als Planer des Mordes genannt. Nach seiner Entführung am 22. April 1994 war die Leiche von Serif Avşar am 7. Mai 1994 gefunden worden. Vor der Ermordung waren die Täter in das Gebäude der JİTEM "geflüchtet". (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Özgür Bakış vom 03.04.2000) Der Vorfall war Gegenstand einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in dem mit Urteil vom 10.07.2001 den Hinterbliebenen eine Entschädigung von 40.000 britischen Pfund zuerkannt wurde. (Quelle: Urteil und Sachverhalt in Englisch)

  • Die Yüksekova Bande

Das Landgericht in Hakkari hat das Verfahren gegen die so genannte Yüksekova Bande am 18. November 2005 abgeschlossen. Lediglich der PKK Überläufer Kahraman Bilgiç erhielt eine Strafe von 8 Jahren und 4 Monaten. Der Major Mehmet Emin Yurdakul, Hauptmann Bülent Yetüt, das Mitglied eines Spezialteams, Enver Çırak, der Dorfschützer Kemal Ölmez, der Major Hamdi Poyraz, der ehemalige Bürgermeister von Yüksekova, Ali İhsan Zeydan, Unteroffizier Ali Kurtoğlu, der Dorfschützer İsmet Ölmez, der Dorfschützer Hasan Öztunç, Mustafa Koca, Oğuz Baygüneş und der Hauptmann Nihat Yiğiter wurden freigesprochen. Nach der Aufdeckung dieser "Bande" im Rahmen der Ermittlungen zum Susurluk Skandal wurden vier Verfahren durchgeführt. Das Verfahren vor der 4. Kammer des SSG Diyarbakır endete am 22.03.2001. Dort wurden Ali İhsan Zeydan, Ali Kurtoğlu, İsmet Ölmez, Hasan Öztunç, Mustafa Koca, Oğuz Baygüneş, Nihat Yiğiter und Hamdi Poyraz freigesprochen, Kahraman Bilgiç erhielt eine Strafe von 30 Jahren Haft, Kemal Ölmez eine Strafe von 13 Jahren und 4 Monaten Haft, Mehmet Emin Yurdakul eine Strafe von 25 Jahren Haft, Enver Çırak eine Strafe von 3 Jahren, 8 Monaten, Bülent Yetüt eine Strafe von 7 Jahren und 5 Monaten. Die 6. Kammer des Kassationsgerichtshofs hob das Urteil am 8. Februar 2002 auf und sandte die Akte zum Landgericht nach Hakkari, weil der Vorwurf der "kriminellen Bande" nicht mehr in das Aufgabengebiet der Staatssicherheitsgerichte fiel. In der ersten Runde hatte das Landgericht Hakkari am 20. November 2003 ähnlich hohe Strafen verhängt, aber auch dieses Urteil wurde vom Kassationsgerichtshofs aufgehoben. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Radikal vom 24.11.2005)

  • Verfahren mit Abdülkadir Aygan

Aufgrund der "Enthüllungen" von Abdülkadir Aygan wurde die Leiche von Murat Aslan, der am 10. Juni 1994 ermordet worden war, in der Nähe des Dorfes Kötük im Kreis Silopi gefunden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Diyarbakir führte im April 2005 zur Anklage von Abdülkadir Aygan, Major Abdülkerim Kırca, Unteroffizier Uğur Yüksel, Mahmut Yıldırım (mit dem Decknamen "Yeşil"), Muhsin Gül, Fethi Çetin, Kemal Emlük (vom Polizeipräsidium in Diyarbakır) und Saniye Emlük (eine im Wehramt beschäftigte Frau). Den Angeklagten wurden 8 Morde zwischen 1992 und 1994 zur Last gelegt, nämlich Harbi Arman (Mitglied bei HEP, Januar 1992), Zana Zuğurlu (Oktober 1993), Lokman Zuğurlu (Oktober 1993), Servet Aslan (September 1994, Mitglied bei SHP), Şahabettin Latifeci (September 1994), Ahmet Ceylan (Oktober 1994), Sıddık Etyemez (Oktober 1994) und Abdülkadir Çelikbilek (Dezember 1994). Das Verfahren wurde an das Militärgericht in Diyarbakir verlegt und begann dort im Januar 2006. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Milliyet vom 29.01.2006) Die türkische Presse berichtete von einer weiteren Verhandlung am 23.06.2006.

Ein weiteres Verfahren wurde vor der 3. Kammer des Landgerichts Diyarbakir gegen 12 Personen geführt, darunter Abdülkadir Aygan, die Überläufer Adil Timurtaş, Ali Ozansoy, Hüseyin Tilki, Hayrettin Toka, Fethi Çetin, Recep Tırıl, Hacı Hasan, die Geheimdienstler Mehmet Zahir Karadeniz, Lokman Gündüz, der Dorfschützer Faysal Şanlı und Major Arif Doğan (der JITEM gegründet haben soll). Ihnen wurden u.a. die Morde an dem Informanten Hacı Ahmet Zeyrek (in Silopi 1989), dem JITEM Mitarbeiter Mehmet Bayar am 25. Juni 1990 sowie Tahsin Sevim, Hasan Utanç und Hasan Caner am 16. September 1989 zur Last gelegt. Das Gericht erkannte auf Nichtzuständigkeit und leitete das Verfahren an das Militärgericht weiter. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Cumhuriyet vom 15.02.2006) Die türkische Presse berichtete von einer weiteren Verhandlung am 28.12.2006.

Der Name des Überläufers Hayrettin Toka tauchte in einem anderen Zusammenhang auf. Gegen ihn soll 1996 in einem Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht Nr. 3 in Diyarbakır ein Haftbefehl erlassen worden sei. Ende 2005 wurde er im Kreis Karamürsel in der Provinz Kocaeli gefasst. Toka wurde verdächtigt, in viele Fälle von Morden für JİTEM verwickelt zu sein. Nach Anordnung der U-Haft wurde Hayrettin Toka nach Diyarbakır überstellt. Vor Gericht wurde er wegen Bombenangriffen auf die Büros der Zeitungen Nusaybin und Yeni Ülke in Diyarbakır angehört. Die 3. Kammer des Landgerichts in Diyarbakır entließ ihn, nachdem er seine Aussage gemacht hatte. (Quelle: Meldung in der Tageszeitung Radikal vom 20.01.2006)

Regierungsberichte

Es gibt zwei regierungsamtliche Berichte, die die Existenz der JİTEM behandeln

  1. Der Susurluk-Report von Kutlu Savaş, Sonderberichterstatter des Ministerpräsidialamtes zu dem Vorfall in Susurluk, ein Vorfall bei dem in den 1996 die Verbindungen von Staat und organisierter Kriminalität offen zutage traten.
  2. Der Susurlukbericht der Ad hoc-Kommission des Parlamens.

Beide Berichte kommen zu dem Ergebnis, dass die JİTEM existiert hat.

Stellungnahmen

  • Der frühere Kommandeur der Gendarmerie Teoman Koman erklärte: "Es gibt kein legales oder illegales Gebilde innerhalb der Gendarmerie, dass JİTEM heißt, aber es gibt eine Gruppe außerhalb der Gendarmerie, die unter diesem Namen illegale Aktivitäten unterhält." (Quelle: Türkische Tageszeitung "Milliyet" vom 16.02.2006)
  • Der frühere Befehlshaber der Gendarmerie in den damaligen Gebieten mit Ausnahmezustand, General Altay Tokat, erklärte, es habe eine Organisations namens JİTEM gegeben. Diese habe ihre Rolle mitlerweile erfüllt und sei aufgelöst worden (Tageszeitung Zaman vom 29. Dezember 2004).
  • Der damalige Premierminister Mesut Yılmaz erklärte 1998 in einer Fernsehsendung, die JİTEM habe existiert, sei mittlerweile aber aufgelöst.

Ungeklärte Morde und JİTEM

Die Ermordung Musa Anters, eines bekannten kurdischen Intellektuellen, im Herbst 1992 ist nur einer von vielen Morden, die der JİTEM angelastet werden. Geheimdienstler vermuten, dass zwischen 1990 und 2000 1.550 ungeklärte Morde verübt wurden, während die PKK die Zahl mit über 2.000 angibt. Die meisten Morde wurden in Diyarbakır, Mardin, Nusaybin, Şırnak, Cizre, Batman, Silvan, Şemdinli, Hakkâri und Yüksekova begangen. Die Hizbullah wurde häufig verdächtigt, aber viele Morde trugen eine andere "Handschrift". (Quelle: TESEV: Almanach 2005 Sicherheitssektor und demokratische Überwachung Kapitel über JİTEM in Englisch, S. 181) Die Menschenrechtsstiftung der Türkei (Türkiye İnsan Hakları Vakfı = TİHV) nennt eine Zahl von 1.294 Opfern durch ungeklärte politische Morde (faili meçhul) zwischen 1989 und 1994. (Quelle: Jahresbericht 1997 der TİHV, ISBN 975-7217-22-0, S. 132) Der Menschenrechtsverein (İHD) nannte die Zahl von 1.964 ungeklärten Morden zwischen 1989 und 1999. (Quelle: Jahresbericht 2000 der TİHV, ISBN 975-7217-37-9, S. 41) JİTEM wurde auch genannt, als im November 2005 Angehörige der Gendarmerie und ein Überläufer einen Bombenanschlag auf einen Buchladen in Şemdinli verübten. Die Täter wurden von Passanten gestellt und wurden mittlerweile verurteilt.

Literatur

  • Soner Yalçın: Binbaşı Ersever’in itirafları. Istanbul 1994
  • Çetin Ağaşe: Cem Ersever ve JİTEM Gerçeği. Istanbul 2007
  • Abdülkadir Aygan: İtirafçı: Bir JİTEM'ci anlattı. Istanbul 2004

Weblinks

Almanac mit Kapitel (S. 172-189) über JİTEM in englischer Sprache