Partiya Karkaren Kurdistan
PKK (Partiya Karkaren Kurdistan (k) - Kürdistan İşçi Partisi (t) - Arbeiterinnenpartei Kurdistans)
Gründung: Die PKK wurde am 27. November 1978 in Lice gegründet
Hauptsekretär: Abdullah Öcalan (oft auch Apo genannt)
Hauptquartier: Syrien
Zeitungen: Serxwebun (Unabhängigkeit) und Berxwedan
Ideologie und Ziele
- - Marxistisch-leninistischer Sozialismus und kurdischer Nationalismus
- - Abschaffung des Feudalsystems in Kurdistan
- - Gründung eines unabhängigen sozialistischen kurdischen Staates, der die Kurdinnen der vier Staaten einschließt
- - Schaffung eines klassenlosen Staates
- - Vertritt den bewaffneten Kampf
- - Der Einsatz von Gewalt gegen politische Feinde wird als legitim betrachtet.
- - Das türkische Kurdistan wird als offene Kolonie der Türkei betrachtet.
- - Notwendigkeit, sich in Kurdistan unabhängig zu organisieren
- - Änderung der Ziele und des Programms seit 1990: Die PKK verzichtet auf den Anspruch eines unabhängigen Staates. Sie verlangt die Autonomie und lädt die Regierung zu Verhandlungen ein.
Änderungen der Strategie der PKK
Obwohl das Programm stets ungenau blieb, konnte man seit 1990 eine gewisse politische und strategische Ausrichtung beobachten.
Die PKK legt ihren Schwerpunkt auf den Anspruch der Autonomie, ohne die totale Unabhängigkeit zu verlangen. Sie beschränkt sich ebenfalls auf die Forderung nach den Rechten der Kurdinnen in der Türkei und spricht nur noch von der Notwendigkeit, einen kurdischen Staat für die Kurdinnen aller vier Staaten zu gründen. Abdullah Öcalan erklärte zudem, dass die Partei - wenn ein legales Vorgehen möglich würde - ihren bewaffneten Kampf einstellt. Der Frieden zwischen den beiden Völkern sei unentbehrlich, denn laut seinen Aussagen sind "die Kurdinnen und die Türkinnen miteinander verbunden wie der Finger mit dem Nagel».
In seiner Ansprache an der kurdischen Konferenz in Brüssel im März 1994 erklärte er sich zu Diskussionen über alle Alternativen bereit, auch diejenige einer Föderation. Nach dem zweiten im Dezember 1995 angekündigten Waffenstillstand äußerte Abdullah Öcalan seinen Willen, Verhandlungen mit der türkischen Regierung aufzunehmen.
Die PKK hat sich vom orthodoxen-marxistischen Diskurs und dessen Ideologie entfernt. Sie hat außerdem die "kurdisch-islamische» These zur Wiedererlangung des von den islamistischen Türken, der Refah Partisi, besetzten Gebietes aufgestellt. Med-TV, eine der PKK naheästende Fernsehstation, hat in ihrem Programm islamische Sendungen aufgenommen. Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass sich die Kaderleute der PKK nach wie vor als atheistisch-marxistisch verstehen.
Die gewalttätigen Aktionen der PKK zielen heute weniger auf Kinder und Familien ab, sondern eher auf militärische Basen und Einheiten und die Dorfschutzmilizen. Seit die PKK innerhalb der kurdischen Bevölkerung auf beträchtliche Unterstützung zählen kann, hat sie auch auf die Entführung von Jugendlichen aus Schulen verzichtet, zumal sich diese aus eigenem Antrieb der PKK anschließen.
Die Streitkräfte der PKK und die Unterstützung des kurdischen Volkes
Laut verschiedenen Quellen kann die PKK heute auf über fünfzehn bis zwanzigtausend Bewaffnete in der Türkei, im Norden Iraks, in Syrien und im Iran zählen. Gemäß einem offiziellen Bericht zuhanden der türkischen Präsidentschaft von 1993 wird die Zahl der Personen, die für diese Partei sympathisieren auf 350.000 Personen geschätzt. Laut nicht verifizierbaren Quellen ist die wirkliche Zahl aktiver oder passiver Sympathisantinnen weitaus grösser, und es scheint, dass ein hoher Anteil der im Osten lebenden Kurdinnen heute die PKK trotz der gegen sie gerichteten massiven staatlichen Repression aktiv unterstützt. Dasselbe gilt für die großen Städte und das Ausland, wo die Organisation auf die aktive Unterstützung zahlreicher Kurdinnen zählen kann.
Der Waffenstillstand
Der erste einseitige Waffenstillstand wurde im März 1993 von der PKK angekündigt und dauerte bis Mitte Mai 1993, als die PKK einen Bus mit Soldaten der türkischen Armee angriff.
Der zweite Waffenstillstand wurde am 15. Dezember 1995 von Abdullah Öcalan angekündigt, d.h. kurz vor den Parlamentswahlen. Apo folgte damit einem Aufruf des europäischen Parlaments an die beiden Kriegsparteien, endlich eine nicht-militärische Lösung für den Konflikt zu finden.
Trotz der ausgedehnten Offensiven von Seiten der Ordnungskräfte brach die PKK den Waffenstillstand bis am 15.8.1996 nicht. Ihre in den Wäldern lebenden Kämpferinnen handelten nur zur Verteidigung bei Angriffen der türkischen Armee, lancierten ihrerseits aber keine Angriffe.
Dadurch wollte Apo der neuen Regierung die Möglichkeit bieten, die Kurdinnenfrage mit anderen Mitteln als den Waffen anzugehen. Das offizielle Echo blieb jedoch trotz starkem in- und ausländischem Druck aus. Dieses kategorische Nichteintreten muss in erster Linie dem Willen der türkischen Armee zugeschrieben werden, die in dieser Angelegenheit viel mehr die Federführung innehat, als Erbakan und dessen Partei. Dieser zog seine Aussagen, er sei durchaus zu Gesprächen mit der kurdischen Opposition bereit, nach einer Aussprache mit dem obersten Armeechef sehr schnell zurück.
Während des ganzen Waffenstillstands haben verschiedene Gruppen der türkischen zivilen Bevölkerung, Gewerkschaften, Gewerbeverbände und politische Parteien, vom Staat öffentlich verlangt, alles zu unternehmen, um zu einer friedlichen Lösung des mörderischen Konflikts zu finden, der seit über 12 Jahren in den kurdischen Provinzen herrscht.
Parteientwicklung
Die Wurzeln der PKK gehen auf das Jahr 1975 zurück, als in Ankara von einer Gruppe von 17 Universitätsstudenten um Abdullah Öcalan eine illegale Fraktion der DDKO gegründet wurde. Diese Gruppe nannte sich "Apocular" (Apo = Onkel). Mitte der 70er Jahre legte die kurdische Linke ihre Schwerpunkte auf die Tatsache der Unterentwicklung der von KurdInnen bevölkerten Regionen und erachtete es bald als notwendig, sich unabhängig von der türkischen Linken zu organisieren.
Die von Abdullah Öcalan gegründete Gruppe war bis 1978 unter dem Namen "Apocular" (Apocus) aktiv und zeichnete ihre Schriften und Broschüren mit "UKO" (Ulusal Kurtuluş Ordusu - nationale Befreiungsarmee). Es handelte sich dabei um die gewalttätigste und radikalste Gruppe der kurdischen Linke jener Zeit. Apocular machten auch wegen der heftigen Auseinandersetzungen mit anderen kurdischen Gruppierungen wie der KUK von sich reden. Sie hatte zudem Konfrontationen mit gewissen Volksstämmen im türkischen Kurdistan, namentlich führte sie einen erbitterten Kampf gegen den Stamm der Bucak in der Provinz Urfa, die für ihre Zusammenarbeit mit den türkischen Ordnungskräften bekannt waren.
Die Partei mit dem Namen PKK wurde am ersten Kongress in Lice (Diyarbakir) am 27. November 1978 von 25 Personen gegründet. Abdullah Öcalan wurde als Generalsekretär und Cemil Bayık als Vize-Sekretär gewählt und Mehmet Karasungur als Verantwortlicher für militärische Angelegenheiten, Mehmet Hayri Durmuş, Baki Karer und Şahin Durmuş als Verantwortliche für organisatorische Belange.
Die Gründung der PKK wurde mit einem gescheiterten Mordattentat auf Celal Bucak, dem Chef des Stammes der Siverek, Anfang 1979 angekündigt. Nach ihrer Gründung dominierte die PKK weitgehend die Region zwischen Hilvan und Siverek (Provinz Urfa).
1979 begab sich Abdullah Öcalan nach Syrien, um dort die Basis seiner Partei einzurichten. Die PKK beteiligte sich an der "Vereinigten Widerstandsfront gegen den Faschismus", die von sieben türkischen Organisationen wie der Devrimci Yol, TKEP, TKP-İşçinin Sesi, Acilciler etc. am 1. Juni 1982 gegründet wurde. Diese Front stellte ihre Aktivitäten einige Jahre später ein.
Die erste Konferenz der PKK fand vom 15. bis 26. Juli 1981 im Libanon statt. Das Treffen war ein erster wichtiger Schritt zur Reorganisation der Partei nach ihrer Niederlage im Zusammenhang mit dem Putsch. Am zweiten Kongress vom 20. bis 25. August 1982 wurde beschlossen, im Innern des Landes, d.h. in Kurdistan, zum bewaffneten Kampf zu schreiten.
Das Zentralkomitee der PKK bestand aus Abdullah Öcalan, Kemal Pir (gestorben am 15.6.1982 im Gefängnis von Diyarbakir), Hayri Durmuş (gestorben am 11.11.1982 im Gefängnis von Diyarbakir) und Mazlum Doğan (gestorben im Frühling 1982 im Gefängnis von Diyarbakir). Die Ehefrau von Öcalan, Kesire Öcalan, war während Jahren ebenfalls Mitglied des Zentralkomitees.
Die PKK hat ihren bewaffneten Kampf angekündigt, als sie am 15. August 1984 militärische Einrichtungen der Städte Eruh und Şemdinli angriff. Dieser Tag wird von der PKK als Tag des «grossen Angriffs» (Büyük Taaruz) bezeichnet.
Am 21. März 1985 gründete die PKK die ERNK (Eniya Rizgariye Netawa Kurdistan (k) - Kürdistan Ulusal Kurtuluş Cephesi - nationale Befreiungsfront Kurdistans). Diese Bewegung machte sich zur Aufgabe, die Propaganda-Aktivitäten innerhalb der kurdischen Bevölkerung in der Türkei und im Ausland zu koordinieren. Sie rekrutiert auch potentielle Kämpferinnen für ihre Armee, die ARGK.
Am dritten Kongress vom 25. bis 30. Oktober 1986 wurde beschlossen, die ARGK (Artese Rizgariya Gele Kurdistan Kürdistan (k)- Kürdistan Halk Kurtuluş Ordusu - Volksarmee für die Befreiung Kurdistans) zu gründen.
Die Organisation hielt ihre zweite Konferenz vom 4. bis 13. Mai 1990 und den vierten Kongress vom 26. bis 31. Dezember desselben Jahres ab.
Zur weiteren Entwicklung wird aus einer Anklageschrift gegen die KCK aus dem Jahre 2009 zitiert.
Spaltungen innerhalb der PKK
Eine erste Spaltung geschah 1988 unter der Leitung des Anwalts Hüseyin Yildirim. Die Gruppe um Hüseyin Yildirim klagte Abdullah Öcalan wegen seiner Schwäche an - namentlich wegen seiner Unentschlossenheit, eine radikalere Linie einzuschlagen - und seines Versuchs, den bewaffneten Kampf zu beenden und Verhandlungen mit dem türkischen Staat einzuleiten. Kesire Öcalan, die Frau von Abdullah Öcalan, schloss sich dieser Gruppe an.
Eine weitere Spaltung innerhalb der PKK ereignete sich 1991. Die Gruppe unter Mehmet Şener (Sarı Baran) nannte sich PKK-Diriliş und kritisierte die von Abdullah Ocalan geführte Politik des Kampfes. Die Reaktion der PKK gegenüber diesen Gruppen war äußerst gewalttätig. Die PKK duldet keine Oppositionsgruppierungen innerhalb der Partei. Sie rechtfertigt diese Einstellung mit der Tatsache, dass sie sich in einem bewaffneten Kampf befindet.
Verfolgungssituation
Nach dem Putsch vom 12. September 1980 wurden rund 2000 Militante und SympathisantInnen der PKK verhaftet, aufs schlimmste gefoltert, separatistischer Aktivitäten beschuldigt und eingesperrt, vorwiegend im Militärgefängnis von Diyarbakir. Hunderte sind aus der Türkei nach Syrien oder dem Libanon geflohen. Später erfolgte eine weitere große Fluchtwelle nach Europa.
Nach großen Prozessen in den 80er Jahren wurden in der ganzen Türkei zahlreiche kleinere Prozesse gegen Sympathisantinnen und Militante der PKK angestrengt. Zur Zeit sind noch immer Hunderte von Personen vor verschiedenen Staatssicherheitsgerichten angeklagt.
Viele wurden wegen des Verdachts auf Unterstützung der PKK verhaftet. Die Hauptanklage der letzten Jahre lautet auf "yatakçılık et yardım" (Beherbergung und Hilfe für die PKK: im PKK-Jargon "Milizionärln"). Es ist nicht notwendig, aktiv militant oder Theoretikerln der Partei zu sein, um eine mehrjährige Zuchthausstrafe zu riskieren, allein die logistische Unterstützung (den Weg zeigen, Nachrichten überbringen usw.) oder die Nahrungs- oder Kleiderversorgung reichen für eine Verurteilung aus.
Jede in ein solches Verfahren involvierte Person, ob sie verurteilt oder freigesprochen wird, muss jederzeit mit einer erneuten Verhaftung rechnen, da sie von den Sicherheitskräften weiterhin verdächtigt wird, die PKK zu unterstützen. Nur wer mit dem Staat als Informantln kollaboriert, kann sich solcher Verdächtigungen endgültig entledigen. Diese Situation zwingt heute viele «Patriotinnen» dazu, das Land zu verlassen und in Europa Zuflucht zu suchen.
Wer verdächtigt wird, die PKK zu unterstützen, ist einem erhöhten Risiko von Folter ausgesetzt, wenn nicht sogar der physischen Eliminierung. Besonders bedroht sind Politikerinnen, Menschenrechtsaktivistinnen, Anwältinnen, Geschäftsleute, Gewerkschafterinnen, Journalistinnen, Ärztinnen und kurdische Lehrkräfte oder Türken und Türkinnen, die sich für die kurdische Sache einsetzen, junge Kurdinnen sowie nahe Verwandte von Aktivistinnen oder Märtyrerinnen der PKK.
Die Zugehörigkeit zu einer der genannten Zielgruppe kann die Gefahr, verhaftet oder sogar physisch eliminiert zu werden, stark erhöhen.
Urheberrechtlicher Hinweis: Alle Angaben sind dem Werk "Türkei-Turquie" der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), Bern, April 1997 entnommen. Die Loseblattsammlung ist vergriffen. Deshalb waren die Autorin Denise Graf und der Autor Bülent Kaya ausdrücklich damit einverstanden, dass der Inhalt per Internet einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Im Text wurde weitestgehend die neue deutsche Orthographie benutzt. Es wurden keine inhaltlichen Veränderungen vorgenommen.