Hinrichtungen in den Reihen der PKK

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Dies ist die Neufassung einer im Jahre 2007 entstandenen Seite zu "Morden innerhalb der PKK". Das gleiche Thema wurde im November 2014 auch in Englisch unter Executions in the ranks of the PKK und in Türkisch unter PKK saflarında örgüt içi infazlar muamması bearbeitet. In diesem Artikel werden so genannte Interwiki-Links auf Artikel in der deutschen Wikipedia verwendet.

Einleitung

Das Phänomen der Morde innerhalb der Kurdischen Arbeiterpartei PKK (dies sind die so genannten organisations-internen Hinrichtungen, tr: "örgüt içi infazlar") ist fast so "alt", wie die Partei selber. In erster Linie wird darauf verwiesen, dass Abdullah Öcalan mit diesen Hinrichtungen seine Widersacher (Kritiker) in der Partei aus dem Wege räumen wollte. Von den Frauen und Männern der "ersten Stunde" soll nur noch Cemil Bayık und Halil Ataç in den Reihen der PKK sein. Aus der ursprünglichen Führungsriege kamen einige im Gefängnis oder bei Gefechten mit den türkischen Sicherheitskräften um und nur die, die sich wie Hüseyin Yıldırım oder Kesire Yıldırım (einst die Frau von Öcalan) ins Ausland absetzen konnten, entgingen einer Bestrafung (mit dem Tod) als "Verräter".

Neben den Morden auf der "oberen Ebene" soll es auch in den Reihen der militanten (bewaffneten) Mitglieder immer wieder zu Hinrichtungen als "Verräter" gekommen sein, wobei sie oft aufgrund mangelnder Disziplin erfolgten (so waren und sind Beziehungen von männlichen zu weiblichen Guerilla verboten). Die Morde an Zivilisten (z.B. Dorfvorsteher, die als Agenten angesehen wurden oder Lehrer, die als Symbol der "Kolonialmacht" betrachtet wurden) können nicht als organisations-interne Morde angesehen werden, sollten in diesem Zusammenhang aber ebenfalls erwähnt werden[1]

Da die Lager der PKK meistens außerhalb der Türkei liegen, wurden viele der organisations-internen Hinrichtungen nicht in der Türkei, sondern z.B. im Libanon, in Syrien und im Irak vollstreckt. Daneben hat es auch immer wieder Morde im europäischen Ausland gegeben. Morde in den Gefängnissen hat es sowohl innerhalb der türkischen Linken (Organisationen wie Dev-Sol, DHKP-C, MLKP, TIKB etc.) gegeben als auch innerhalb der PKK. Dazu sind einige Informationen im Jahre 2014 publiziert worden.[2] Leider können die meisten Informationen zu internen Hinrichtungen als wenig zuverlässig betrachtet werden, denn entgegen der sonstigen Praxis der PKK, sich freimütig zu gewaltsamen Aktionen zu bekennen, wurden diese Morde vielfach als "Tod im heroischen Kampf" dargestellt, selbst wenn die Person zuvor als "Verräter" gebrandmarkt worden war.

Nebenschauplatz Europa

Nach dem Militärputsch in der Türkei vom September 1980 konnten fast alle linken türkischen und kurdischen Organisationen ihre Aktivitäten dort nicht mehr fortsetzen, da die meisten ihrer führenden und einfachen Mitglieder in Militärgefängnissen eingesperrt und vor Militärgerichten angeklagt waren. Nur wenigen von ihnen gelang die Flucht ins Ausland, sowohl in Nachbarstaaten des Nahen Ostens als auch nach Europa. Abdullah Öcalan war lange vor dem Militärputsch im Juli 1979 nach Damaskus geflohen. Nach dem Militärputsch kam er dort mit Vertretern anderer Organisationen zusammen, um eine Front des gemeinsamen Widerstandes gegen Faschismus zu bilden.[3] Sie war aber nicht von langer Dauer, da Öcalan, der über bessere Kontakte im Nahen Osten verfügte als die anderen Organisationen, quasi im Alleingang beschlossen hatte, den bewaffneten Kampf in der Türkei aufzunehmen.

Dafür wurde er nicht nur von anderen Bündnispartnern sondern auch auch aus den eigenen Reihen beschuldigt, keine innerparteiliche Demokratie zuzulassen. Çetin Güngör war einer von ihnen. Er bezahlte seine Kritik mit dem Leben.

Çetin Güngör

Zum Schicksal von Çetin Göngür mit dem Decknamen "Semir" schreibt Aliza Marcus:[4] "Anfang der 1980er Jahre setzte sich das bekannte PKK-Mitglied Çetin Güngör für interne Reformen ein, Auf dem 2. Kongress der Partei im August 1982, der in einem verlassenen Lager der Palästinenser stattfand, fand er nicht viel Sympathie für seine Ideen... Öcalan, der stets besorgt war, dass seine Autorität angegriffen und die Einheit der PKK in Gefahr gerate, sah Semir als Problem an. Im Mai 1993 verließ Semir die PKK; ließ sich aber auf ein Treffen mit PKK Aktivisten in Köln ein. Von den wurde er beschuldigt, Beziehungen zu Şahin Dönmez, einem hochrangigen PKK Mitglied, der 1979 zu einem Überläufer ("itirafçı")[5] wurde, zu haben. Er wurde in einer Wohnung festgesetzt. Es gelang Çetin Göngür aber zu fliehen.

Im Frühjahr 1984 wurde Çetin Göngür im Parteiorgan Serxwebun (Befreiung) als Verräter beschuldigt. Das bedeutete sein Todesurteil. An einem Abend im November 1985 wurde er bei einer kurdischen Veranstaltung erschossen. Der Täter behauptete zwar, dass er es aus persönlichen Gründen getan hatte, aber in einem Flugblatt wurde er als Held gefeiert: "Der Agent provocateur Semir wurde von unserem Volk zur Rechenschaft gezogen." Die Angaben von Aliza Marcus werden durch Taner Akçam, der damals eine führende Position bei Devrimci İşçi, dem europäischen Ableger von Devrimci Yol einnahm, bestätigt.[6]

Kurz nach der Ermordung von "Semir" meldete sich ein Freund von ihm, Baki Karer, auch in der türkischen Presse zu Wort.[7] In einem Artikel, der am 12. November 1985 vom Journalisten Yavuz Baydar in Cumhuriyet (Republik) veröffentlicht wurde,[8] war zu lesen, dass Baki Karer dem schwedischen Geheimdienst wichtige Informationen gegeben habe, nachdem er selber bei dem Anschlag auf Çetin Göngür nur knapp überlebte. Baki Karer sagte, dass ein Nuri Candemir zu der Versammlung der PKK gekommen sei; um Cetin Güngör, ihn und ein weiteres Mitglied der PKK, eine Frau namens Seher zu töten. In dem Artikel waren 21 Namen von ehemaligen PKK Mitgliedern angegeben, die seitens der PKK hingerichtet worden sein sollen.[9]

Mahmut Bilgili

Mahmut Bilgili gehörte zu einer Reihe von Anwälten in Diyarbakır, die nach dem Putsch von 1980 verhaftet und - da sie Angehörige illegaler Organisationen verteidigt hatten - als Mitglieder dieser Gruppierungen angeklagt wurden. Er befand sich daher ca. 6 Jahre in Haft und zwar in der so genannten "Hölle des Militärgefängnisses in Diyarbakır"[10] Die Internationale Juristenkommission (ICJ) beobachtete eine Verhandlung gegen ihn.[11] In dieser Verhandlung wurde er von einem der ersten Überläufer aus den Reihen der PKK, Hıdır Akbalık, zuvor Verantwortlicher der PKK für Diyarbakır, beschuldigt, von der PKK für die Verteidigung der Militanten finanziert worden zu sein.

Sein weiteres Schicksal ist nur teilweise bekannt. Vermutlich kam er nach seiner Freilassung im Jahre 1986 mit Hilfe der PKK über Griechenland und Frankreich in die Niederlande. Er weigerte sich anscheinend, zum Führer Öcalan zu gehen, weil er dort gezwungen sein würde, etwas zu schreiben, was nicht seinen Überzeugungen entsprach. Dazu schreibt Mümtaz Kotan, ein Kollege aus dem Lager der kurdischen Vereinigung Rızgari (Freiheit) in seinem Buch “Yenilginin İzdüşümleri” (Projektionen der Niederlage): "Mahmut Bilgili begann seine Arbeit im Büro von Şerafettin Kaya, wo man sich für alle politischen Gefangenen einsetzte. Nach seiner Freilassung kam er nach Europa und hat uns in Frankreich kontaktiert. Er sagte, dass sein Leben in Gefahr sei. Man habe von ihm verlangt, ein Buch über den Kerker von Diyarbakır zu schreiben, wo aus der Niederlage eine Heldenepos gemacht, bestimmte Leute gelobt und andere beschuldigt werden sollten. Das habe er abgelehnt.[12] Freunde halfen uns, ihn in die Niederlande zu bringen. In Schweden hörten wir von seiner Ermordung. Der damalige Europa-Vertreter der PKK, ein anderer Anwalt aus Diyarbakır, der nach dem Putsch inhaftiert war, hat sich nicht dazu geäußert.[13] In einem Interview vom 28. Juli 2010 behauptete Hüseyin Yıldırım, dass nicht er den Befehl zur Ermordung von Mahmut Bilgili gegeben habe, sondern zwei Personen, darunter Duran Kalkan.[14]

Der Vater von Mahmut Bilgili, Mehmet Bilgili, kam nach der Tat nach Europa, konnte den Mord an seinem Sohn, aber auch nicht vollkommen aufklären.[15] Er glaubte zu wissen, dass ein junger Mann aus der Verwandtschaft gezwungen wurde, seine Verbundenheit mit dem Führer durch die Tat zu beweisen. Nur so sei es möglich gewesen, mit Mahmut Bilgili in Kontakt zu treten, weil dieser jeglichen Kontakt (auch zu Amnesty International, wo man an Informationen über seine Haftbedingungen interessiert war) ablehnte.[16]

Wenn man so will, wurde Mahmut Bilgili also wegen Befehlsverweigerung, in seinem Fall eine Feder "als Waffe" in die Hand zu nehmen, getötet. Der Mord geschah am 5. Februar oder 5. März 1987 in Deventer. Der der Tat verdächtige T.O. soll ihn vergiftet haben und seine Leiche in einen Kanal geworfen haben, wo sie erst später entdeckt wurde.

Kürşat Timuroğlu

Der wesentliche Hintergrund wird auf der Seite Zur Ermordung von Kürsat Timuroglu geschildert. Demnach wurde er am 25. Februar 1986 vor seiner Wohnung in St. Georg durch Schüsse aus dem Hinterhalt so schwer verletzt, dass er kurz darauf verstarb. Kürşat Timuroğlu wurde am 20. August 1953 in der Türkei geboren. Er kam 1976 in die BRD. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder. Sein Vater war Vecihi Timuroğlu, ein Lehrer, der auch als Dichter und Schriftsteller bekannt war. Vecihi Timuroğlu wurde der türkischen Wikipedia zufolge im Kreis Kangal der Provinz Sivas geboren, seine Vorfahren gehörten dem Stamm der Munzuroğulları im Kreis Ovacık der Provinz Tunceli (Dersim) an. Kürşat Timuroğlu war daher kurdischer Abstammung.

Sein Vater schrieb in Milliyet vom 22. Januar 2002 unter Vecihi Hoca'dan mektup var, dass sein Sohn schon vor seiner Ausreise nach Deutschland als Anhänger von Devrimci Yol verfolgt wurde und um sein Leben fürchten musste. Er sei von Anfang an gegen eine Zusammenarbeit mit der PKK gewesen. Der als Mörder angeklagte Ferit Aycan habe vor Gericht gesagt, dass er von Apo (Kurzform von Abdullah Öcalan) den Auftrag zum Mord erhalten und die türkische Polizei ihn geschützt habe. Über den Prozess berichtete die TAZ am 3. Januar 2002 unter der Überschrift Im Stil einer Hinrichtung. Das OLG (Oberlandesgericht) Hamburg verurteilte den Kader der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft mit der Bewertung: "Die Tat geschah aufgrund eines Auftrages der PKK-Führung."

Nach den Informationen, die dem Gericht vorlagen, war der Mörder Ferit Aycan nach der Tat nach Damaskus geflogen und in das Lager Hewler (Mahsum Korkmaz Akadamie)[17] gebracht worden, wo er sich für seine Tat loben ließ. Anschließend wurde er als Kämpfer in der Gegend von Urfa und Diyarbakır eingesetzt, bis er sich nach 5 oder 6 Jahren den türkischen Sicherheitskräften stellte. Anstatt ihn anzuklagen, wurde er mit einem Pass ausgestattet und, obwohl er aufgrund eines anonymen Schreibens an die deutschen Behörden seit April 1993 gesucht wurde, hatte er 8 Mal die Türkei verlassen und wieder einreisen können. In der Türkei hatte er sogar Geschäfte auf seinen eigenen Namen eröffnet. Erst in Kroatien wurde er im September 2000 festgesetzt und nach Deutschland ausgeliefert.[18]

Weitere Morde an Kritikern in Europa

  • Murat Bayraklı (22), 5. Juni 1984 in Berlin

Dieser Mord war Gegenstand im umstrittenen Verfahren gegen PKK Mitglieder in Düsseldorf (1989 - 1994). Der Kronzeuge|Kronzeuge Ali Çetiner war zuvor in Berlin zu 5 Jahren Haft verurteilt worden. Im Düsseldorfer Verfahren wurde Ali Aktaş zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der Spiegel schrieb am 1998 "Der in Düsseldorf verurteilte PKK-Mann Ali Aktas, erstickte beispielsweise 1984 einen Abweichler in Berlin mit einem Knebel. Er warf die Leiche auf einen Müllhaufen."[19]

  • Enver Ata, 20. Juni 1984 in Uppsala

Er schloss sich 1977 in Batman der PKK an. Er bekam eine Aufgabe innerhalb der Organisation in Europa und wurde in Schweden umgebracht, weil er Öcalan einen Diktator nannte.[20] Als Täter wurde ein Cevdet Kılınç gefasst. Er soll die Tat gestanden haben.[21]

Dazu schrieb "Der Spiegel": "Zwei Monate (nach der Tat in Berlin, s.o.) eilte Aktaş schon wieder zu einem Einsatz, diesmal auf einem Platz in Rüsselsheim. Befehlsgemäß erschoss er dort den Kurden Zülfü Gök, ein ehemaliges Mitglied des europäischen Zentralkomitees der PKK in Köln. Gök hatte sich aus der Partei zurückziehen wollen."[19]

  • Hasan Kavak (35), am 25. Januar 1985 in Reims

Nachdem er zwischen 1979 und 1982 in Köln für die PKK aktiv war, hatte er sich im Dezember 1982 von der Organisation getrennt und war nach Reims gegangen. Dort wurde seine Leiche in einem Hotel gefunden. Er war erdrosselt worden.[21]

  • Mehmet Sürücü, am 25. April 1985 in Utrecht

Er war in Schweden als politischer Flüchtling anerkannt worden und hatte sich auch bei Enver Ata aufgehalten. In den Niederlanden soll er sich als Kritiker der offiziellen Linie der PKK hervorgetan haben.[21]

  • Rüknettin Kaplan, am 9. Mai 1985 in Brüssel

Einzelheiten sind nicht bekannt.

  • Ahmet Demir, am 20. August 1986 in Hamburg

Er soll Beziehungen zum türkischen Geheimdienst gehabt haben.[21] Der Tote war übel zugerichtet. Die Polizei zählte "weit über 40 Stichverletzungen" in Kopf und Schulter des Asylbewerbers Ahmet Demir. Den Spuren zufolge war der 36jährige auf der Uferböschung niedergestochen und ins Wasser gestoßen worden.[22]

  • Mehmet Çimen, März 1993 in Bonn

Sein Schicksal ist ungewiss, denn es wurde anscheinend keine Leiche gefunden. Nachdem er in der Türkei 11 Jahre im Gefängnis war, soll 1992 nach Europa gekommen und von der Organisation in Bonn wegen "Verfehlungen" in Bezug auf das Verbot von Kontakt zu Frauen verhört worden sein.[23]

Die Zeitung Özgür Ülke (Freies Land), die im Sinne der PKK publizierte, schrieb am 31.12.1994 über den Mord an "Hogir" (Deckname) in folgender Weise. Am 19. Dezember wurde in Wuppertal eine Person mit Namen Cemil Işık gegen 17.40 Uhr von einer oder mehreren Personen erschossen, als er aus seinem Auto stieg. Mit zwei Kugeln (eine im Kopf, eine in der Brust) wurde der Vater von zwei Kindern ins Krankenhaus eingeliefert, wo jedoch jede Hilfe zu spät kam. Cemil Işık, mit dem Decknamen "Hogir", wurde in Erzurum geboren. Er kam 1985 zur PKK und wurde in der Mahsun Korkmaz Akademie ausgebildet und in das Botan-Gebiet geschickt. 1987 wurde er beschuldigt, "feudale Machenschaften und Kontra-Aktvitäten" entfaltet zu haben. Nachdem er von der Organisation als "Agent" identifiziert worden war, fand er Unterschlupf beim irakischen Geheimdienst.

  • Deniz Kılıç, November 1999 in Den Haag

Der Journalist Namik Durukan berichtete am 20.11.1999, dass die holländische Polizei seinen Mitbewohner Şevket Kırboğa als möglichen Täter sucht. Deniz Kılıç hatte Öcalan wegen seiner Haltung nach der Verschleppung in die Türkei kritisiert, insbesondere, dass er zur Niederlegung der Waffen aufgerufen hatte.[24]

  • Hasan Özen, 18.04.2005 in Wien

Hasan Özen war hoher Funktionär der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Von 1985 bis 1991 befand er sich in der Türkei in Haft. Über diese Zeit veröffentlichte der 44-Jährige in Deutschland auch ein Buch. Im Vorjahr kam Hasan Özen als politischer Flüchtling nach Österreich. Die Vermisstenanzeige - laut Polizei durch seinen letzten Quartiergeber - erfolgte am 18. April. Etwa um diese Zeit dürfte er auch getötet worden sein. Kenner der Szene wussten sehr wohl von Zwist in ehemaligen PKK-Kreisen zu berichten. Seit geraumer Zeit gebe es Abspaltungstendenzen in der PKK. Manche seien von ihrem inhaftierten Anführer Abdullah Öcalan enttäuscht, weil dieser sich den türkischen Behörden gegenüber zu kooperativ verhalte.[25] Später berichtete der Standard, dass der Hintergrund womöglich ein Streit über veruntreute Spendengeldet gewesen sein könnte.[26]

Morde von Mitgliedern anderer Organisationen

Am 23. Dezember 1985 kam es beim Verteilen von Flugblättern in Paris zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der PKK und anderen Gruppen, darunter auch Mitglieder von Devrimci Yol (Revolutionärer Weg), die sich in Europa Devrimci İşçi (Revolutionärer Arbeiter) nannten. Dabei wurde das PKK Mitglied Mustafa Aktaş getötet. Vier Tage darauf töteten PKK Mitglieder in Paris das Devrimci Yol Mitglied Mustafa Şahbaz. Es kam auch in anderen Ländern und Städten zu Morden der PKK an ihren Gegnern. Dazu gehören:

  • Mustafa Tangüner, in Kopenhagen am 4. November 1985, Anhänger der DDKD
  • Eyüp Kemal Atsız, in Kopenhagen am 23. Dezember 1985, Anhänger der DDKD
  • Bülent Yaman, in Lausanne am 30. Dezember 1985, Anhänger von Kurtuluş (KSD)
  • Ramazan Adıgüzel, in Hannover am 3. Mai 1987, Anhänger von Özgürlük Yolu
  • Ali Akagündüz, in Paris am 16. Juni 1987, Anhänger von Özgürlük Yolu

Agenten oder Konkurrenten?

Es gibt verschiedene Versuche, die Hinrichtungen innerhalb der PKK auf einen bestimmten Grund zurückzuführen. Im Buch von Selim Selim ÇürükkayaÇürükkaya|Selim Çürükkaya]]: PKK: Die Diktatur des Abdullah Öcalan (Fischer-Verlag 1987) als Übersetzung des Romans "Apo'nun Ayetleri" ("Die Verse von Apo") wird die These aufgestellt, dass Abdullah Öcalan damit lästige Konkurrenten um die Führung innerhalb der PKK beseitigen wollte, nachdem viele Mitglieder der ersten Stunden sowohl bei Protesten in den Gefängnissen in Form von Selbstverbrennung (wie Mazlum Doğan) oder Hungerstreiks (wie Kemal Pir) als auch in bewaffneten Auseinandersetzungen zu so genannten Märtyrern (tr: şehit) geworden waren.

Seine Schilderungen (als Augenzeuge) lassen jedoch auch andere Schlussfolgerungen zu. In Ergänzung zu dem was die Wochenzeitschrift "2000e Dogru" vom 7. Januar 1990 berichtete[27] kamen Selim Çürükkaya zufolge bei den Verhören zwei Gefangene ums Leben. Parallel zu den Verhören hielt Apo vor den Kadetten der Akademie folgende Rede: "Die Geständnisse einiger Agenten, die in letzter Zeit bei uns eingeschleust wurden, machen deutlich, dass die Bande genannt Tevger (ein Zusammenschluß verschiedener kurdischer Organisationen) Versammlungen abgehalten hat, sich mit der Türkei verständigt hat und sich mit Autonomie zufrieden gab. Da blieb nur noch die Frage der PKK und der Ausschaltung der Führung der PKK... Es ist angemessen, jenen, die nicht einen Augenblick zögern, die Partei und allem voran die Führung zu vernichten, mit dem Tode zu bestrafen und diese Strafe zu vollstrecken." (A. Öcalan: "Tasfiyeciligin Tasfiyesi" Die Ausschaltung der Ausschalter. Rede vom September 1989 auf den Seiten 208-220). 12 Personen wurden danach hingerichtet. Die anderen "Angeklagten" wurden einer "vertiefenden Ermittlung" unterzogen.

Neben Doğu Perinçek, Leiter der İşçi Partisi (Arbeiterpartei) und Herausgeber von 2000e Doğru wurde Abdullah Öcalan zu dieser Zeit auch von dem bekannten Journalisten Mehmet Ali Birand besucht.[28] In einem der Gespräche fragte der Journalist auch nach Hinrichtungen in den eigenen Reihen. Es entspann sich folgender Dialog (F für Frage, A für Antwort): F: Haben Sie Semir umbringen lassen? A: Wo immer er gesehen würde, würde er erschossen. F: Haben Sie Todesurteile ausgesprochen? A: Es gab Bestrafungen. Es gab Leute, die die Türkische Republik schickte. Der Geheimdienst hat einen Haufen Menschen geschickt. Wir haben sie alle entdeckt. F: Wie viele Leute sind so hervor getreten? A: 10-15 Leute, einige haben wir nicht bestraft. Ein bis zwei haben wir freigelassen... [29]

Die amerikanische Journalistin Aliza Marcus brachte in ihrem Buch "Blood and Belief" (Blut und Glaube) die Hinrichtungen innerhalb der PKK in Verbindung mit dem Zulauf von Studenten und Studentinnen Ende der 90er Jahre gebracht.[4] Neuankömmlinge wurden überprüft, ob sie nicht geschickt worden waren, um die PKK zu destabilisieren. Dann schreibt sie (eigene Übersetzung): "Morde waren eine Form der Kontrolle und ein Weg, sich mit abweichenden Meinungen auseinander zu setzen. Sie waren aber nicht auf die Berge (Kampfgebiete) beschränkt."

Randnotiz

Eine Nachricht in der regionalen Zeitung Yeni Asır vom 31. März 1992 könnte ein Beleg für die These von Aliza Marcus sein. Demnach wurden 5 von 8 StudentInnen der Inönü Universität, die sich der PKK anschließen wollten, als Agenten umgebracht. Die Nachricht nannte keinen Ort für die Tat, dafür aber ein Datum (26. Juni 1991) und die Namen der vermeintlichen Todesopfer. Der Überläufer Abdulkadir Aygan hat später einen Teil der Angaben bestätigt. Er sprach von Hayati Kaytan, seiner Geliebten Asiye und den anderen (insgesamt 8), die von der Universität in Malatya nach Cizre gekommen waren und ermordet wurden.[30] Dennoch müssen Teile der Meldung angezweifelt werden. Auf der einen Seite gibt es unterschiedliche Nachnamen für die Geliebte von Hayati Kaytan. Bei Yeni Asır heißt sie "Asiye Ücler" und Abdulkadir Aygan nennt sie "Asiye Deniz". Zum anderen scheint Hayati Kaytan noch zu leben. In der Presse wird von einem Tagebuch gesprochen, dass Hayati Kaytan (Deckname "Imanim") seiner Geliebten Asiye Ücler (Deckname "Zozan") gewidmet habe. (Nur) sie sei von der PKK als Agentin getötet worden.[31] Nach Informationen seines Anwalts Hamit Geylani wurde Hayati Kaytan im August 2003 von Syrien an die Türkei ausgeliefert. Er wurde mit bewaffneten Aktionen aus den Jahren 1993 und 1994 beschuldigt und zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt.

Den eigenen Schilderungen zufolge[32] schloss sich der 1968 in der Provinz Tunceli (Dersim) geborene Hayati Kaytan im Mai 1989 mit anderen StudentInnen der İnönü Universität der PKK an. 1999 ging er nach Europa, um sich behandeln zu lassen. Bei seiner Rückkehr (in den Irak) wurde er 2003 in Qamischli (Syrien) gefasst und an die Türkei ausgeliefert. Die Einschränkungen seiner rechten Hand wurden ihm auch während des Verfahrens in Erzurum attestiert. Da er sich nicht selber versorgen konnte, wurde es ihm gestattet, in einem Raum mit 3 Personen zu sein (anstatt Einzelhaft, wie bei erschwerter lebenslanger Haft vorgeschrieben). Das eigentliche Leiden aber sei ein Hirntumor. Im April 2009 sei er deswegen operiert worden. In der Radiologie wurde der Tumor in 27 Sitzungen gestoppt.

Hayati Kaytan lebt also noch, obwohl er mit erheblichen gesundheitlichen Problemen belastet nach der derzeitigen Gesetzeslage bis zum physischen Tod in Haft sein wird (2013 war es das F-Typ Gefängnis von Kırıkkale). Über seine Zeit bei der PKK und die wahrscheinliche Hinrichtung seiner Geliebten und anderen Kommilitonen ist hingegen wenig bekannt. Es ist auch möglich, dass Asiye Deniz (oder Ücler) sterben musste, weil sie eine unter den Militanten der PKK verbotene Beziehung zu einem Mann hatte, der vielleicht deswegen nicht hingerichtet wurde, weil er Reue in Form der "Selbstkritik" (den Führer loben und sich selbst verdammen) zeigte.

Viele Fragezeichen

Das Schicksal der StudentInnen aus Malatya wirft zwar viele Fragen auf, ist aber im Vergleich zu vielen anderen Fällen fast noch gut dokumentiert. In der überwiegenden Mehrheit der Personen, die zum Opfer von Hinrichtungen in der eigenen Organisation geworden sein sollen, sind nur selten Orte und genaue Zeitpunkte genannt. Während die PKK in ihrem Parteiorgan Serxwebun freimütig über Morde an Zivilisten berichtet (z.B. wenn die Familie eines Dorfschützers "bestraft" wurde oder jemand hingerichtet wurde, weil er den türkischen Sicherheitskräften Informationen gegeben haben soll), steht zu Strafaktionen in den eigenen Reihen kaum etwas in Artikeln, wo es um "Verrat", "Agenten" oder "Spione" geht. Lediglich zu einigen wenigen Militanten ist vor oder nach dem Tod zu lesen, dass sie (in der Regel auch die ganze Familie) schon immer mit dem Feind kollaboriert haben.

Einige wenige Aussteiger oder anderweitige Kritiker der PKK haben versucht, konkrete Fälle aufzulisten, aber sie waren nur selten in der Lager mehr als Namen (oft auch nur Vor- oder Decknamen) herauszufinden. Das liegt zum Einen daran, dass die Personen, von denen sie diese Informationen haben, als aktive Kämpfer sich kaum an die genaue Zeit und den genauen Ort erinnern und die Opfer vielleicht nur mit Decknamen kannten. Die größte Mehrheit der Opfer dürfte in jedem Fall namentlich nicht bekannt sein. So hatte z.B. Selim Çürükkaya in der "Anwendung" (tr: "uygulama", so nennt sich die Haft bei der PKK) Zugriff auf Unterlagen aus dem Jahre 1992. Daraus soll sich ergeben haben, dass mindestens 141 Guerilla-Kämpfer in diesem Jahr mit dem Tode bestraft wurden. Dies ging aus den Berichten von drei Gebieten in der Türkei (Amed, Dersim, Botan)[33] hervor. Namen waren in den Berichten anscheinend nicht enthalten.

Hinrichtungen im Nahen Osten

Neben Selim Çürükkaya hat İbrahim Güclü, ein kurdischer Politiker, der in Opposition zur PKK steht, Listen von Personen veröffentlicht, die innerhalb der PKK getötet wurden.[34] Aus diesen Angaben (markiert mit SC für Selim Çürükkaya und IG für İbrahim Güclü) ergeben sich folgende mögliche Fälle von internen Hinrichtungen seitens der PKK:[35]

Vorname Nachname Ort Datum Quelle
Abdullah Kumral Syrien 19810000 SC, IG
Dilaver Yıldırım Bekaa-Ebene 19830000 SC, IG
İbrahim Bilgin Irak 19830502 SC
Mehmet Karasungur Irak 19830502 SC, IG
Yaşar Ongan Irak 19831007 SC
Bircan Yıldız 19840000 SC
İzzettin Evcil 19840000 İG
Resul Altınok Irak 19840000 SC, IG
Saime Aşkın Lolan[36] 19840000 SC
Suphi Karakuş Lolan[36] 19840000 SC
Haydar Karasungur 19860000 SC
Mehmet Sevgat 19860000 SC
Mehmet Ayık 19860000 SC
Mustafa Ömürcan 19860000 İG
Seyfettin Zoğurlu 19860000 SC
Abdullah Ekinci Libanon 19861000 SC
Halil Kaya 19870000 SC, IG
Lamia Baksi 19870000 İG
Hasan Bindal Syrien 19900500 SC
Fatma Temel Qamischli 19901101 (11-061), 2000 24.11.91[37]
Mehmet Şener Qamischli 19901101 SC, IG[37]
Ali Ömürcan 19930000 SC
Ayten Yıldırım 19930000 SC, IG
Orhan Aydın Barelias 19930000 SC
Nazime Aktürk 20000800 SC
Yücel Zeydan 20010000 SC
Filiz Yerlikaya 20020607 Sabah 06.06.2004
Faruk Bozkurt 20020830 SC
Engin Sincer Irak 20030815 Hürriyet 03.09.2003
Sipan Rojhilat 20041005 HRW,[38] IG
Kemal Şahin Sulaimaniyya 20050217 HRW,[38] IG
Faysal Dunlayıcı Sulaimaniyya 20060211 SC
Ramazan Toptaş Kandil 20060801 Ordu Hayat Gazetesi
E.Ebdela Heftaro 20061128 Sabah 04.12.2006
Bayram Şen SC
Berzan Dürre SC
Mehmet Tunç Syrien İG, SC
Hevi İG
Şahin Baliç Bekaa-Ebene İG

Hinrichtungen im Kriegsgebiet (Türkei)

Zu den Informationen von Selim Çürükkaya und İbrahim Güçlü haben hier die Informationen der Stiftung für Menschenrechte in der Türkei (TIHV) eine größere Rolle gespielt. Die TIHV gibt seit 1990 täglich Berichte zu Menschenrechtsverletzungen in der Türkei (in Türkisch und Englisch) heraus. Jede Meldung hat eine Nummer (Monat-Zahl). Die Quellenangaben beziehen sich auf die jeweiligen Meldungen der TIHV. Dazu sind einzelne Nachrichten in Zeitungen aufgeführt. Eine weitere Quelle ist ein kleines Archiv mit (vorwiegend türkischen) Zeitungsartikeln aus den Jahren 1992-1998, zu dem es über den Link "Archiv" geht).

Vorname Nachname Ort Datum Quelle
Sakine Kırmızıtaş Tunceli 19810000 SC
Rıza Demirel Lice 19850000 Cumhuriyet 12.09.1985
Alaattin Zoğurlu Diyarbakır 19870612 SC
Cengiz Can Dargeçit 19890701 Cumhuriyet 01.08.1989
Resul Özdemir Dargeçit 19890701 Cumhuriyet 01.08.1989
Vakkas Hancer Pazarcık 19900510 Güneş 15.05.1990
ohne Namen Pazarcık 19900510 Güneş 15.05.1990
Hanifi Noyan Pazarcık 19900600 Günes 08.07.1990
ohne Namen Pazarcık 19900600 Günes 08.07.1990
Hasan Soysüzen Pazarcık 19900600 Günes 08.07.1990
ohne Namen Ovacık 19900800 Güneş 21.08.1990
Mustafa Karataş İstanbul 19900814 MIL 13.02.1991
Merdiha Bahtiyar İstanbul 19910000 SC
Edip İstanbul 19910000 SC
Abdullah Demir Cizre 19910629 Yeni Asir 31.03.1992
Asiye Deniz Cizre 19910629 Yeni Asir 31.03.1992
Ali Murt Cizre 19910629 Yeni Asir 31.03.1992
Mehmet Yıldırım Cizre 19910629 Yeni Asir 31.03.1992
Nasır Çul Kulp 19920106 (01-018)
Nevzat Çiftçi Beşiri 19921007 (10-053)
Ahmet Altınhan Beşiri 19921007 (10-053)
Fikri Çelik Kozluk 19930709 (07-046)
Nebil Polat (18) Adana 19950303 (03-016)
Hüseyin Kurt (28) Adana 19950304 (03-016)
Reşit Şimşek (31) Adana 19950304 (03-016)
İbrahim Yerlikaya Adana 19951012 Archiv
Ahmet Gümüş Gaziantep 19951016 Archiv
Yıldız Kapucu İstanbul 19951105 MIL 07.11.1995
Rahmi Karakurt Adana 19960107 (01-022)
Ömer Kahraman Adana 19960109 (01-027)
Agit Akdoğan Gaziantep 19960306 (03-045)
Abdullah Ay Adana 19960522 (05-123)
Maşallah Lale Adana 19960522 (05-123)
Türkan Adıyaman Adana 19961025 Archiv
Bahattin Kaymaz Cizre 19961026 (10-185)
Hikmet Fidan Diyarbakır 20051106 HRW, IG

In dieser Aufstellung sind die 30 Überläufer aus den Reihen der PKK, die nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis (teils von Angehörigen anderer Organisationen) getötet wurden, nicht enthalten. Eine Liste ihrer Namen kann auf der Seite in Türkisch unter İtirafçılar gefunden werden.

Sonderfall: Hinrichtungen in Gefängnissen

Auf eine besonders drastische Verletzung des Rechts auf Leben durch bewaffnete Organisationen macht Aytekin Yılmaz in seinem Buch "Seinen Genossen ermorden"[39] aufmerksam. In den 90er Jahren, in denen politische Gefangene meistens in Schlafräumen[40] für 16 oder mehr Gefangene gehalten wurden, bildeten die Gefangenen bestimmter Organisationen streng hierarchisch aufgebaute Gruppen. Sie hielten nicht nur Schulungen ab, sondern sorgten auch für eine absolute Disziplin. Ähnlich wie in den Lagern der PKK wurden "Genossen", die diese Disziplin nicht einhielten, "verhört" und gedrängt, eine "Selbstkritik" abzulegen. Leiter der Gruppen verhängten Strafen wie "uygulama" (Anwendung) oder "ranza hapsi" (Kojenhaft), bei der Gefangene nicht mir anderen Gefangenen sprechen durften und die "Bettkante" nur verlassen durften, wenn sie auf die Toilette mussten.

Gegen einige Gefangene verhängten die Gruppenleiter auch Todesstrafen. Aytekin Yılmaz erlebte einige Hinrichtungen mit, nachdem er 1992 in das Gefängnis Bayrampaşa kam. Sie wurden als Verräter, Agenten oder Kollaborateure ermordet, meistens weil sie bei der Polizei ein Geständnis abgelegt hatten, das für die Organisation schlimme Folgen hatte.[41]

Auf diese Weise kamen in den Gefängnissen der Türkei ca. 30 politische Gefangene ums Leben. Ungefähr die Hälfte davon ging auf das Konto der PKK. Nach einer Aufstellung, die vor allem mit Angaben der TIHV auf der Seite 1990-1999 arasında sorgu aşamasında ve cezaevlerinde öldürülenler erstellt wurden, waren das:

Vorname Nachname Gefängnis Datum
Mülkiye Doğan Urfa 19930412
Ekrem Arslan Buca 19931022
Mehmet Tuncay Buca 19931022
Süleyman Aydın Buca 19931022
Osman Tim Bayrampaşa 19931222
Ali İhsan Taymaz (19) Malatya 19940120
Mehmet Kankaya (30) Malatya 19940120
İzzettin Kaplan Diyarbakır 19940316
Ercan Yıldız Erzurum 19940723
İrfan Doğan Erzurum 19940723
Sait Fidangil Erzurum 19940723
Şükrü Akın Konya 19960205
Emine Yavuz (20) Diyarbakır 19960808

Schätzungen zur Gesamtzahl der internen Hinrichtungen

Die aus verschiedenen Quellen hier aufgeführten Einzelschicksale, von denen viele nur Behauptungen sind, d.h. dessen genauer Hintergrund (Datum und Ort der Vollstreckung mit oder ohne Urteil, durch welche Akteure etc.) unbekannt ist, ergeben eine Summe von ungefähr 100 Hinrichtungen in etwa 30 Jahren. Sämtliche Kenner der Lage gehen aber davon aus, dass die wirkliche Zahl von den zumeist namenslosen Opfer weit höher ist.

Im Buch von İsmet G. İmset: "Die PKK" (Juni 1993) ist nur ein kleiner Abschnitt (die Seiten 245 und 246) den internen "Ausschaltungen" gewidmet. Er zitiert Tercüman vom 14.04.1988 und Milliyet vom 07.05.1988. Hier wurde die Zahl von 28 (Tercüman) und 38 (Milliyet) getöteten Militanten gesprochen. Im 1997 erschienenen Buch von Selim Çürükkaya: PKK: Die Diktatur des Abdullah Öcalan wird auf der Seite 225 gesagt: Von Çetin Güngör bis "Terzi Cemal" wurden an die 50 Menschen ermordet, so dass der Rest aus Angst akzeptierte, Knecht zu sein.

In einem Artikel von der erfahrenen kurdischen Politikerin Hatice Yaşar, der in der Zeitschrift Stêrka Rizgarî Nr. 21 im Jahre 2002 erschienen ist, spricht sie davon, dass die Ausschaltung von Kritikern des Führers gerade zwischen dem 2. Kongress (1982) und dem 3. Kongress (1986) der Partei viele Todesopfer kostete. Sie nennt einige Namen aber keine Gesamtzahl.[42]

Der Journalist Ali Bayramoğlu schrieb im Jahre 2006:[43] "Es ist eine nackte Tatsache, dass Mitte der 90er Jahre an die 1000 Personen, die der PKK und kurdischen Politik nahe standen, von Öcalan und seinen Leuten beseitigt wurde. Allerdings haben Leute wie "Yeşil", Cem Erserver und Babat mit ihren extra-legalen Hinrichtungen dafür gesorgt, dass die Exekutionen der PKK "in der Luft hängen" blieben.

Ebenfalls im Jahre 2006 schätzte der in Diyarbakır ansässige Journalist Namık Durukan, dass bislang fast 1.500 interne Hinrichtungen der PKK stattfanden.[44] Im Februar 2012 zitierte die Zeitungen in der Türkei den inhaftierten Şemdin Sakık, der einem Staatsanwalt 38 Namen von Opfern gegeben habe und dabei die Gesamtzahl der Hinrichtungen innerhalb der PKK auf 2.000 schätzte.[45]

In ihrem 2007 veröffentlichten Werk "Blood and Belief" nennt Aliza Marcus die Zahl von 11 hochrangigen PKK Mitgliedern, die zwischen 1983 und 1985 auf Anordnung oder Ermutigung von Öcalan hingerichtet wurden. In den Jahren 1989 und 1989 seien mindestens 24, vielleicht aber eher 50 oder 100 neue Rekruten unter dem Verdacht, wirkliche oder potentielle Verräter zu sein, hingerichtet worden.

2008 soll Abdullah Öcalan bei einem Gespräch mit seinen Anwälten "gestanden" haben, dass 15.000 Mitglieder der PKK von anderen Mitgliedern ermordet wurden. So steht es mittlerweile in vielen Nachrichten und auch deutsche Autoren kommen zu dem Schluss, dass "insgesamt 15.000 PKK-Mitglieder durch Verrat und Intrigen aus den eigenen Reihen ermordet worden seien."[46] Der Irrtum geht auf das Protokoll des Gesprächs von Abdullah Öcalan mit seinen Anwälten am 24. Juli 2008 zurück, wo er laut Özgür Gündem vom 25. Juli 2008 (identisch auch bei Yeni Özgür Politika vom 25. Juli 2008 zu finden) in Bezug auf "Verräter" wie Selim und Sait Çürükkaya oder Selahattin Çelik Anschuldigungen erhob wie: "Sie haben ihre eigenen Genossen umgebracht... sie leben behaglich in Deutschland und in sonstigen europäischen Ländern. Sie haben Wohnungen, Personenschutz und eine Herde Frauen an ihrer Seite. Sie haben sich am Blut von Tausenden von Menschen vergriffen, sind die Mörder von 15 Tausend Menschen."

In seinem Gerichtsverfahren vor dem Staatssicherheitsgericht (SSG) Ankara wurde das Problem anhand von Beispielen angesprochen. Im begründeten Urteil des SSG Ankara steht: "Einige aus der Vejin (Kurdisch für Wiederbelebung) Gruppe, die sich nicht so verhielten, wie die Organisation, wurden wie Resul Altınok, Suphi Karakuş und Saime Aşkın zu Verrätern erklärt und standrechtlich erschossen. Der Angeklagte hat selber in der Verhandlung angegeben, dass bei dieser Art von Bestrafungen in der Organisation Dutzende (tr: onlarca, wörtlich "mehrere Zehn") getötet wurden. Şahin Baliç, Cemal (Deckname), Korgir (Deckname), Cemil Işık wurden bestraft und getötet. Şemdin Sakık wurde zum Tode verurteilt, aber nicht hingerichtet. Das hat er (der Angeklagte) deutlich erklärt. Außerdem wurden die hochrangigen Organisationsmitglieder Enver Ata und Çetin Güngör, die vor der Organisation flohen, mit Zustimmung des Angeklagten gefunden und ermordet."

Eine Ende 2011 eingerichtete Kommission in der großen Nationalversammlung der Türkei (TBMM), die sich mit "Verletzungen des Rechts auf Leben im Rahmen von Terror und Gewalt" beschäftigte, machte im Abschlussbericht vom 13. Februar 2013 folgende Angaben: "Das Generaldirektorat für Sicherheit hat für die Zeit vom 16.05.1987 bis 29.10.2011 mitgeteilt, dass 178 Personen aus der eigenen oder einen anderen Terrororganisation ermordet wurden (darunter waren 108 Mitglieder, 63 Sympathisanten und 7 Überläufer)... Später hat İbrahim Güçlü per Mail eine Liste von Hinrichtungen geschickt. Darin befindet sich die Information, dass 727 Personen ermordet wurden, die meisten davon in Form von internen Hinrichtungen. Die Informationen beziehen sich auf 9 Jahre (1984 - 1993). Daraus wird gefolgert, dass die wirkliche Zahl weit darüber liegt."

Man kann aus dieser Feststellung der Volksvertreter aus allen im Parlament vertretenen Parteien folgern, dass sie der Meinung sind, dass innerhalb der PKK in 24 Jahren mehr als 1.000 Mitglieder hingerichtet wurden. Die im Vergleich dazu geringe Zahl, die von der obersten Direktion der Polizei gegeben wurde, kann neben einer eventuell "lückenhaften Buchführung" darauf zurück geführt werden, dass sie nur für die Ordnung in den Städten zuständig ist, während die Gendarmerie sich um Vorfälle in den ländlichen Gebieten kümmert.

Dokumente zum Thema

Aus Anlass der Ermordung von Kürşat Timuroğlu wurden eine Reihe von Dokumenten veröffentlicht, die in gescannter Form vorliegen:

© Helmut Oberdiek November 2014

Fußnoten

  1. Siehe hierzu die Studie Turkey: Killings by Armed Groupsaus dem Jahre 2007
  2. Siehe den Sonderbericht des DTF vom Oktober 2014 Meinungen zu Hinrichtungen innerhalb von Organisationen in der Türkei
  3. Der im Juni 1982 gebildeten "Front" gehörten neben der PKK, Devrimci Yol, TKEP, İşçinin Sesi, SVP, TEP, Acilciler und Devrimci Savaş an. In Türkisch nannte sie sich "Faşizme Karşı Birleşik Direniş Cephesi" (FKBDC)
  4. 4.0 4.1 Ihr Buch "Blood and Belief" (The PKK and the Kurdish Fight for Independence) wurde 2007 von der New York University Press heraus gegeben. Es hat 368 Seiten, ISBN 978-0-8147-5711-6.
  5. Der Begriff des Geständigen von "itiraf" = Geständnis wird in diesem Artikel mit Überläufer übersetzt, obwohl er sich eher auf Überläufer im Nachrichtendienst bezieht. Die Geständigen aus den Reihen der PKK haben aber oft die Seite gewechselt und wurden danach auch als Killer (tetikçi = Personen, den Abzug betätigen) bei Einsätzen für JİTEM eingesetzt.
  6. Siehe Today's Zaman vom 2. April 2012 Akçam unveils history of PKK’s internal executions
  7. Baki Karer ist der Bruder von Haki Karer, der als führendes Mitglied der PKK am 18. Mai 1977 in Gaziantep ermordet wurde. Offiziell soll der Mord von einer rivalisierenden Organisation (der noch militanter auftretenden Gruppe "Sterka Sor") verübt worden sein. Es heißt aber auch, dass Haki Karer nach den Schüssen auf ihn noch gelebt habe und seine Begleiter (von der PKK) im Krankenhaus die Versorgungsschläuche durchgeschnitten haben.
  8. Eine schwer lesbare Kopie gibt es in Türkisch im Archiv von Cumhuriyet und als eingescannte Kopie einer deutschen Übersetzung
  9. Die Namen waren: Enver Ata, Çetin Güngör, Zülfi Gök, Abdullah Kumral (Kumlu), Yaşar Organ, Ethem Akçam, Abdullah Aziz, Halil Ibrahim, Resul Altunok, Besi, Selehattin, Cemil, Cetili Akkurt, Ayten Yıldırım, Saime Aşkın, Bircan Yıldız, Serdar (Deckname), Hasan Hüseyin, Hacı Sunta, Şemsettin Aktaş. Neben der Tatsache, dass bei einigen nur die Vor- oder Decknamen angegeben wurden, fehlten weitere Details. Zumindest die Morde an Ethem Akçam (ging 1979 mit Öcalan nach Syrien) und Şemsettin Aktaş (einer von 26 Personen aus dem Umfeld der PKK, denen ein Gericht im Juni 2014 versicherte, sie nicht in Haft zu nehmen, wenn sie in die Türkei zurückkehren, siehe Milliyet vom 15.06.2014) müssen angezweifelt werden.
  10. Details zu den Haftbedingungen sind unter Gefängnis Diyarbakır zu finden.
  11. Den Bericht gibt es unter ICJ: Prozesse vor den Militärgerichten in Diyarbakir
  12. Diese Vermutung wird in dem Artikel PKK'nın İnfaz Ettiği Lider Kadroyu Açıkladı vom 12. Januar 2013 bestätigt
  13. Die Angaben aus dem Buch von Mümtaz Kotan sind auf der Seite Avukat Mahmut Bilgili Hollanda’da İnfaz Edildikten Sonra Bir Kanala Atıldı zu finden.
  14. Siehe das Interview mit Neşe Düzel in der Zeitung Taraf vom 28. Juli 2010 Hüseyin Yıldırım: 'Savaş kararını avukatı aldırdı'
  15. Er lebte bis zu seinem Tod im Juli 2007 in London; siehe Mehmed Bilgili vefat etti
  16. Vergleiche die Angaben in dem Buch Dışarıdakiler von Helmut Oberdiek.
  17. Dieses Lager, das im Türkischen meistens als "Helve" oder "Hevler" bezeichnet wird, sollte nicht mit der Stadt Arbil im Irak verwechselt werden (Kurden nennen sie "Hewler"). Das Lager Helve liegt in der Bekaa-Ebene im Libanon und wurde von den Palästinensern übernommen. Auf dem 3. Kongress der PKK wurde es in Mahsum (Mahsun) Korkmaz Akademie umbenannt. Vergleiche einen undatierten Beitrag unter 3. Kongress der PKK
  18. Vergleiche einen Artikel von Can Dündar vom 12. Januar 2002 unter dem Titel Koruma altında bir katil? (Mörder unter Schutz?)
  19. 19.0 19.1 Siehe der Spiegel vom 28.03.1994 DIE SAAT DER GEWEHRE
  20. Siehe Selim Çürükkaya PKK yi Kimler Kurdu? 6
  21. 21.0 21.1 21.2 21.3 Aus dem Buch "Olof Palme Cinayeti" (Mord an Olof Palme) von Mehmet Ali Yula, Verlag Mileynum, Istanbul - 2010, 460 Seiten, ISBN 9758773374
  22. Siehe Der Spiegel vom 17. August 1987 Stück für Stück
  23. Siehe Selim Çürükkaya "Apo'nun Ayetleri" (Die Suren von Apo. Das Buch erschien 1996 zuerst im Selbstverlag und wurde 2005 vom Verlag Doz neu aufgelegt. Selim Çürükkaya hat Teile davon auf seiner Webseite unter Apo'nun Ayetleri (Türkisch) zur Verfügung gestellt.
  24. Siehe Milliyet vom 20. November 1999
  25. Siehe eine Meldung in news.at vom 21. Juni 2005 Toter Mann war ein hoher Funktionär der PKK!
  26. Siehe die Meldung vom 18. Oktober 2005 Mord an Wiener Kurden-Führer offenbar geklärt
  27. Zu dem Zeitpunkt befanden sich im zentralen Lager der PKK in Bekaa-Tal 41 Militante im Alter zwischen 15 und 41 Jahren als "Agenten des türkischen Staates" in Haft.
  28. Das erste Mal 1988. Aufgrund der Reportage, die in Milliyet erscheinen sollte, wurde die Ausgabe konfisziert. Danach besuchte Mehmet Ali Birand den Chef der PKK noch einmal, bevor er im Jahre 1992 sein Buch "Apo ve PKK" 291 Seiten, Milliyet Yayinlari; 4. Auflage (1992), ISBN: 978-975-5061-10-8 herausgab.
  29. Die Angaben sind der Seite PKK Merkez Komite Üyesi “Semir” Kod Adlı Çetin Güngör’ün İnfazı entnommen.
  30. Siehe die Nachricht vom 13. Januar 2011 unter PKK'NIN GÖRÜNMEYEN SAHTE YÜZÜ!
  31. Siehe eine Nachricht vom 29. Januar 2010 Derin Devletin derin cinayeti
  32. Siehe die Seite bei "hapistesaglik" (Gesundheit im Gefängnis) vom 10. September 2013 Beyninde tümör olan mahpus Hayati Kaytan’ın mektubu
  33. Zur Aufteilung der als "eyalet" (parallel zu Bundesländern) bezeichneten Regionen siehe Ağustos 1984-Temmuz 1987 arasında yaşam hakkı ihlalleri und eine Nachricht in Hürriyet vom 8. April 2013 İşte Türkiye’nin bölünme haritası.
  34. Siehe einen Artikel in rizgari.com vom 14. Dezember 2011 PKK’nın İnfazları ve “Hakikatler Komisyonu”…
  35. Andere Quellen sind entsprechend vermerkt.
  36. 36.0 36.1 Dieses Lager soll sich an der iranischen Grenze befinden, vergleiche Sabah vom 17. Dezember 2007 unter İşte PKK kampları HARİTALAR
  37. 37.0 37.1 Nachricht 061 in den Tagesberichten der TİHV für November 1990 und Nachricht in "2000e Doğru",
  38. 38.0 38.1 Ein Brief, den Human Rights Watch an Zübeyir Aydar schrieb, ist in türkischer Übersetzung unter dieser Adresse zu finden.
  39. Yoldaşını Öldürmek, İletişim Yayınları. Istanbul - August 2014, 192 Seiten, ISBN 978-9750515835
  40. Der türkische Begriff "koğuş" wird in der englischen Sprache mit "ward" übersetzt.
  41. Siehe den Sonderbericht des Demokratischen Türkeiforums (DTF) Meinungen zu Hinrichtungen innerhalb von Organisationen in der Türkei vom Oktober 2014
  42. Vergleiche den Abdruck bei rizgari.com Teil 1, Teil 2 und Fußnoten mit Namen der Opfer zu ihren Ausführungen unter "Stratejiye Dönüşen Bir Siyasi Taktiğin İflasi" (Konkurs einer politischen Taktik, die sich in Strategie verwandelt).
  43. Siehe seine Kolumne in der Zeitschrift Aksiyon vom 18.12.2006 Çözümü zor sorunlar ve milliyetçi öfkeler...
  44. Siehe Milliyet vom 14. Februar 2006 PKK'dan 1500 infaz
  45. Siehe die Tageszeitung Zaman vom 23. Februar 2012 Kürtlere ilk kurşunu Abdullah Öcalan sıktı
  46. Vergleiche Nikolaus Brauns, Brigitte Kiechle: PKK - Perspektiven des kurdischen Freiheitskampfes: Zwischen Selbstbestimmung, EU und Islam. Schmetterling Verlag, 2010, ISBN 978-3-89657-564-7, S. 87.